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Nun machte Adhunter einen Test mit zwei in Ausbildung, beruflicher Position und Lebenslauf identischen Profilen, die sich nur im Namen unterschieden. Der eine Name war Erika Mustermann, der andere Max Mustermann.
„Das Resultat: Tatsächlich sorgt der Austausch des männlichen Namens „Max“ durch den weiblichen Namen „Erika“ für eine 17 Prozent niedrigere Gehaltseinschätzung bei zwei ansonsten identischen Lebensläufen.“
Das ist nicht verwunderlich – schließlich wurde in der Berechnung „das Geschlecht der Nutzer berücksichtigt“. Verwunderlich sind die Interpretationen. Das beginnt bei der Überschrift „Wenn aus Max Mustermann eine Erika wird, sinkt das Gehalt um 17 %“
Wenn – dann unterstellt einen Kausalzusammenhang, eine Ursache-Wirkungs-Beziehung. Das lässt sich mit statistischen Methoden nicht abbilden.
Solche Datenanalysen finden höchstens korrelative Zusammenhänge. Ein Beispiel: Der Alltagseindruck, dass Menschen mit größerer Körperlänge oft auch ein höheres Körpergewicht haben, lässt sich statistisch fundieren. Unbestreitbar besteht hier ein positiver linearer Zusammenhang. Aber niemand käme auf die Idee, die Körperlänge als URSACHE des Körpergewichts zu bezeichnen. Noch absurder wäre die Vorstellung, das Körpergewicht könnte Ursache der Körperlänge sein.
Zum wissenschaftlichen Handwerkszeug gehört der ständige Zweifel an vermeintlichen Gewissheiten. Vor vielen Jahren bezweifelten kluge Leute, dass die Erde im Zentrum der Welt stehen würde. Es schien naheliegend. Die Sonne drehte sich um die Erde. Aber dennoch war das Naheliegende falsch. Heute weiß das jedes Kind.
Adhunter behauptet einen Zusammenhang auf der Grundlage von „identischen“ Lebensläufen. Das ist irreführend. Wenn Lebenslauf und Mathematik allein ausreichen würden, brauchte es doch gar keine Personalgespräche und HR-Abteilungen mehr. Das Gegenteil ist der Fall. Auch identische Inhalte eines Lebenslaufs können höchste verschiedene Ursachen und höchst verschiedene Folgen haben. Niemand wird die Lebenserfahrung einer vierfachen Mutter und eines vierfachen Vaters gleich setzen wollen. Ein Schulabschluss mit dem Durchschnitt 2,1 kann alles Mögliche bedeuten. Der zweimalige Aufstieg zum Gruppenleiter und Schichtleiter kann bei zwei verschiedenen Personen zu höchst verschiedene Interpretationen Anlass geben.
Wenn die Country Managerin Deutschland bei Adhunter, Inja Schneider, kommentiert, es „kann es für Arbeitnehmer frustrierend sein zu sehen, wie der eigene Lebenslauf mit einem andersgeschlechtlichen Namen bewertet wird.“ hat sie Recht. Die Frage ist: Warum zwingt Adhunter den Arbeitnehmern diese Bewertung auf? Warum nimmt Adhunter ihnen den Mut, mehr erreichen zu können, mehr als der Durchschnitt, mehr als „die Statistik“?
Das Adhunter-Team will nichts weniger als „die Jobsuche zu revolutionieren“. Dafür arbeiten „neben Oxford-Mathematikern und Analytikern auch Technik-Genies, Top-Vertriebler, sowie Online-Marketing-Experten“ zusammen. Offenbar kann man auch auf Oxford-Niveau irren. Man braucht nur mit dem Zweifeln aufzuhören.