Prognose in der frühen Kindheit war niederschmetternd
Lara leidet an Lungenhochdruck, einer schwerwiegenden Erkrankung, bei der die Lunge und das Herz betroffen sind. Dass es ihr heute so gut geht, verdankt sie modernen Medikamenten. Denn wenn die fachsprachlich als pulmonale Hypertonie (PH) bezeichnete Krankheit unbehandelt bleibt, beträgt die Lebenserwartung nach Diagnose nur 2,8 Jahre, wie eine Studie in den USA ergeben hat. Bei der 1994 geborenen Lara wurde der Lungenhochdruck schon 1996 diagnostiziert. „Damals haben die Ärzte zu meiner Mutter gesagt, dass ich die Einschulung wahrscheinlich nicht erleben werde.“ Lara hat eine idiopathische pulmonalarterielle Hypertonie (IPAH). Als „idiophathisch“ werden Erkrankungen bezeichnet, die ohne erkennbare Ursache auftreten. In ihrer Familie ist Lara die einzige Betroffene. „Zum Glück!“ In Waldems, wo der Hochtaunus mit einem ausgedehnten Naturpark beginnt, verlebte Lara eine insgesamt gute Kindheit, wie sie erzählt. „Mir war nie anzusehen, wie krank ich bin.“ Schon als kleines Kind kam sie allerdings schnell außer Atem; in der Schule war sie beim Sport vom Laufen befreit. Doch sie kam bis 2018 ohne Medikamente zurecht.
Eltern gehören zu den ersten Mitgliedern von ph e. V.
1996 gründete sich der Selbsthilfeverein ph e. V. „Meine Eltern gehören zu den ersten Mitgliedern,“ berichtet Lara. Der Verein fördert die medizinische Forschung, vermittelt Informationen und Kontakte zu spezialisierten Ärzten, vernetzt Betroffene und Angehörige, betreibt Öffentlichkeitarbeit. Lara erhielt von ph e.v. fachkundige Unterstützung, als sie ihren Grad der Behinderung (GdB) feststellen ließ und einen Schwerbehindertenausweis beantragte. Zudem vermittelte der Verein ihr, als sie im September dieses Jahres nach Mallorca flog, einen Sauerstoffkonzentrator für den Flug. Dass solche Reisen für sie überhaupt möglich sein werden, war ein Jahr zuvor nicht vorstellbar.
Denn ab 2018 ging es Lara körperlich immer schlechter. Ihre Kondition ließ spürbar nach, alltägliche Aufgaben fielen ihr schwer, zu ihrem gewohnten abendlichen Spaziergang konnte sie sich kaum noch motivieren. Ab Mai 2022 bekam sie Treprostinil, ein Prostazyklin-Analogon, das gefäßerweiternd wirkt und die Anlagerung von Blutblättchen und Thrombosen in den Lungengefäßen verhindert. Noch immer erhält sie dieses Medikament als Dauerinfusion – nur Eingeweihte wissen, warum sie immer eine kleine Tasche umgehängt hat, farblich passend zum Outfit. Zunächst half Treprostinil wenig, obwohl die Dosis immer weiter erhöht wurde. „Immerhin verschaffte es mir Zeit.“ Im Oktober 2022 wurde die junge Frau auf die Warteliste für eine Spenderlunge gesetzt. Im Dezember 2022 kam sie auf eine Intensivstation des Universitätsklinikums Gießen, wo sie sechs Wochen lag.
Lara nimmt an Studie zu innovativem Medikament teil
Inzwischen steht Lara nicht mehr auf der Transplantations-Warteliste. „Vielleicht brauche ich irgendwann doch noch eine Spenderlunge. Aber das liegt hoffentlich in weiter Ferne.“ Lara nimmt seit Februar dieses Jahres an einer Studie zu einem innovativen Medikament teil: Sotatercept ist der erste Wirkstoff überhaupt, der genetische Ursachen des Lungenhochdrucks angeht. Von dem Medikament können alle Patienten mit pulmonalarterieller Hypertonie (PAH) profitieren, auch diejenigen ohne Genmutation, weil der Wirkstoff die bei PAH verminderte schützende Wirkung des BMPR2-Gens wiederherstellt. Experten setzen große Hoffnungen in Sotatercept. Noch ist der Wirkstoff nicht zugelassen. Die Studie unter Leitung von Professor Ardeschir Ghofrani am Universitätsklinikum Gießen, an der Lara teilnimmt, ist eine doppelblinde Studie, das heißt weder Behandelte noch Ärzte wissen, ob der jeweilige Teilnehmer das Medikament oder ein Placebo erhält. Aber Laras Zustand hat sich wesentlich verbessert. Sie konnte mittlerweile auch die Dosis ihres Medikaments Treprostinil reduzieren und leidet nicht mehr unter dessen Nebenwirkungen, wie Hautrötung, Kreislauf- und Verdauungsstörungen.
Nach einer schweren Zeit genießt Lara jeden Moment ihres Lebens
Äußerlich ähnelt Laras Lebenslauf dem vieler Frauen ihrer Generation: Sie machte ihr Abitur, absolvierte danach eine Ausbildung zur Chemisch-technischen Assistentin, studierte in Flensburg Chemie und Geschichte mit Bachelorabschluss. Beruflich angekommen ist sie als Sachbearbeiterin in einem Unternehmen, das die nachhaltige Rückführung von Verpackungen und Kunststoffen organisiert. Sie findet es wichtig, mit Ressourcen verantwortungsbewusst umzugehen, schätzt die Arbeit in einem familiären Team und die Möglichkeit zum Homeoffice. In ihrer Freizeit kümmert sie sich um die beiden Katzen ihrer Eltern, geht mit ihrem Vater spazieren, macht mit einer Freundin Yoga, geht ab und zu auf ein Festival, plant ihre Hochzeit und die Hochzeitreise, die nach Kreta gehen soll. Innerlich genießt die junge Frau jeden Moment ihres Lebens, vor allem nach der schweren Zeit Ende 2022. „Ich weiß zu schätzen, was ich habe, besonders meinen Partner und meine Familie.“ Was ihre Krankheit betrifft, fühlt sie Angst und Hoffnung gleichzeitig. „Aber ich bin ein von Natur aus optimistischer Mensch“, sagt sie im Gespräch. „Das ist mir wichtig, wenn Sie nun ein Porträt über mich schreiben – dass es ein positives Leitbild vermittelt.“
Sibylle Orgeldinger
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