Wer ein Insolvenzverfahren durchläuft und die Erteilung der Restschuldbefreiung beantragt, kann nach 6 Jahren seine vorhandenen Schulden durch einen Beschluss des Insolvenzgerichts erlassen bekommen. Voraussetzung ist, dass in den 6 Jahren versucht wird die Arbeitskraft bestmöglich einzusetzen und das pfändbare Einkommen dem Insolvenzverwalter zur Verfügung gestellt wird.
Das ändert sich.
Nach mehreren Anläufen und jahrelangen Fachdiskussionen wurde am 07.06.2013 die Änderung der Insolvenzordnung beschlossen. Die beschlossenen Änderungen haben Einfluss auf den Ablauf des Verbraucherinsolvenzverfahrens und die Möglichkeiten für Verbraucher, ehemals Selbständige und Selbständige zur Erlangung eines Schuldenerlasses, der sog. Restschuldbefreiung.
Schuldenfrei nach 3 Jahren
Die Neufassung des Gesetzes sieht die Möglichkeit vor bereits nach 3 Jahren einen Schuldenerlass zu erhalten. Voraussetzung hierfür ist, dass 35% der Verbindlichkeiten aus der Insolvenzmasse befriedigt werden können. Ursprünglich war eine Befriedigungsquote von 25% beabsichtigt. Nach mehreren Diskussionen und Expertenanhörungen wurde die Quote schließlich auf 35% festgelegt.
Die Änderung soll nach der Intension des Gesetzgebers für den Schuldner Motivation sein, einen möglichst hohen Beitrag zur Gläubigerbefriedigung zu leisten um im Gegenzug bereits wieder nach 3 Jahren aus dem Insolvenzverfahren entlassen zu werden.
35% sind nicht 35%
Was verlockend klingt und gerade in Verbraucherinsolvenzverfahren zu einem Anreiz führen sollte, hat jedoch einen entscheidenden Haken. Die maßgebliche Bezugsgröße zu den Verbindlichkeiten bildet nach dem neuen Gesetzeswortlaut die Insolvenzmasse nach Berichtigung der Verfahrenskosten.
Die Insolvenzmasse ist all das, was der Insolvenzverwalter aus dem pfändbaren Vermögen des Schuldners und aus dem pfändbaren Anteil des laufenden Einkommens einziehen kann.
Im Klartext bedeutet dies, dass das pfändbare Vermögen und das pfändbare Einkommen des Schuldners zunächst dazu verwendet werden die Kosten für die Durchführung des Insolvenzverfahrens zu begleichen. Der verbleibende Differenzbetrag muss dann ausreichen, um die im Insolvenzverfahren festgestellten Schulden zu 35% zu befriedigen. Dies führt gerade in Verbraucherinsolvenzverfahren jedoch zu unerreichbaren tatsächlichen Quoten.
Die Konsequenz der Gesetzesänderung soll in den folgenden Berechnungsbeispielen aufgezeigt werden.
Beispiel: 10.000,00 € Schulden
Herr A hat 10.000,00 € Schulden und beantragt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Er hofft nach 3 Jahren 3.500,00 € aufbringen zu können, um von den Neuregelungen zu profitieren. Dies würde nach seiner Berechnung einem Betrag von knapp 100,00 € pro Monat entsprechen.
Was verlockend klingt reicht jedoch bei weitem nicht aus. Die Kosten für die Durchführung des Insolvenzverfahrens sind bei der Berechnung von Herrn A unberücksichtigt geblieben.
Die Kosten eines Insolvenzverfahrens setzen sich aus der Vergütung des Insolvenzverwalters und den Gerichtskosten zusammen. Der Insolvenzverwalter erhält aus den ersten 25.000,00 €, die er in einem Insolvenzverfahren einzieht, eine Vergütung von 40%, zzgl. Auslagen und Umsatzsteuer. Hinzu kommen die Gerichtskosten.
Zieht der Insolvenzverwalter aus dem pfändbaren Einkommen von Herrn A also 3.500,00 € nach 3 Jahren ein, erhält er eine Vergütung von 1.400,00 € zzgl. Auslagen und Umsatzsteuer. Ferner würden die Gerichtskosten von dem eingezogenen Betrag abgezogen werden. Die Chance auf einen vorzeitigen Schuldenerlass wären daher für Herrn A nicht vorhanden.
Unter Berücksichtigung der Kosten müsste Herr A vielmehr nicht 3.500,00 € aufbringen, sondern 7.900,00 € um nach 3 Jahren die anvisierte Quote von 35% zu erreichen. Dies entspricht einem Betrag von knapp 220,00 € pro Monat und einer Quote von 79% gemessen an den Schulden. Sollte sich eine solche Quote tatsächlich aus dem pfändbaren Einkommen von Herrn A erreichen lassen, ergeben sich jedoch mehrere Ansätze, um auch ohne ein Insolvenzverfahren durch eine professionelle Schuldnerberatung schuldenfrei zu werden.
Beispiel: 28.000 € Schulden
Die durchschnittliche Verschuldung von Verbrauchern in Privatinsolvenzverfahren liegt bei 28.000,00 €. Um in einem solchen Fall die Möglichkeit auf eine vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung zu erhalten, müsste nach 3 Jahren ein Betrag in Höhe von 15.400,00 € zur Verfügung stehen, um die Verfahrenskosten abzudecken und um 35% der Schulden bedienen zu können. Dies entspricht einem monatlich abzuführenden Betrag in Höhe von knapp 430,00 € und einer Quote von 55% gemessen an den Verbindlichkeiten.
Bei einem Single ohne Unterhaltsverpflichtungen müsste hierfür ein Nettoeinkommen in Höhe von 1.660,00 € monatlich zur Verfügung stehen.
Bei einer verheirateten Person mit einer Unterhaltsverpflichtung für den Ehegatten und 2 Kinder müsste ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 3.230,00 € netto vorhanden sein.
Beispiel: 100.000 € Schulden
Wenn die Verschuldung von Herrn A 100.000,00 € betragen würde, müssten nach 3 Jahren 45.500,00 € zur Verfügung stehen, um die Kosten für die Durchführung des Insolvenzverfahrens abzudecken und um die Quote von 35% zu erreichen. Herr A müsste hierfür über ein pfändbares Einkommen in Höhe von knapp 1.265,00 € pro Monat verfügen.
Wäre Herr A Single müsste er hierfür monatlich 2.860,00 € netto verdienen.
Wäre Herr A verheiratet und gegenüber seiner Frau und 2 Kindern unterhaltspflichtig, müsste er monatlich 4.068,00 € netto verdienen.
Hoffnung: Schuldenfrei nach 5 Jahren
Neben der wohl nicht zu erreichenden Quote von 35%, hat der Gesetzgeber jedoch eine weitere Möglichkeit für einen vorzeitigen Schuldenerlass eingeführt, wenn nach Ablauf von 5 Jahren aus der Insolvenzmasse die Kosten für die Durchführung des Insolvenzverfahrens gedeckt sind. Dann muss auch keine Mindestquote für die Gläubiger erreicht werden. Von dieser Möglichkeit können alle Verbraucher und Selbständige profitieren, die nach dem 01.07.2014 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen.
Können die Verfahrenskosten nach 5 Jahren nicht bezahlt werden, erfolgt der Schulderlass durch die Erteilung der Restschuldbefreiung wie bisher nach 6 Jahren.
Inkrafttreten der Änderungen
Die Änderungen der Insolvenzordnung treten zum 01.07.2014 in Kraft und gelten nur für Verfahren, die nach dem 01.07.2014 beantragt werden. Auf bereits laufende Insolvenzverfahren haben die hier dargestellten Änderungen keine Auswirkung.
Fazit:
Die Gesetzesänderung wird nicht dazu führen, dass eine Vielzahl von verschuldeten Personen bereits nach 3 Jahren einen Schuldenerlass erhalten können. Die vom Gesetzgeber eingeführte Quote wird unter Berücksichtigung der Verfahrenskosten für die meisten Verbraucher nicht zu erreichen sein.
Eine vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung nach bereits 5 Jahren dürfte jedoch für viele Verbraucher und Selbständige zu erreichen sein und einen Anreiz bilden ein Insolvenzverfahren zu durchlaufen. Hierbei sollte beachtete werden, dass die Vorlaufzeit bis zur Beantragung des Insolvenzverfahrens mehrere Monate in Anspruch nehmen kann. Wer also ab dem 01.07.2014 von den Neuregelungen profitieren möchte, sollte bereits jetzt eine Schuldnerberatung aufsuchen, um sein Verfahren vorzubereiten.