"Das deutsche Schulsystem ist nicht darauf ausgelegt, Jugendliche in schwierigen sozialen Lagen oder persönlichen Krise aufzufangen", sagte Jugend- und Sozialdezernent Erwin Jordan von der Region Hannover bei der Vorstellung des neuen Standorts in Seelze am Freitag (13.03.). "'Die 2. Chance' begegnet in enger Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe den Ursachen der Schulverweigerung auf mehreren Ebenen und erhöht damit wesentlich die Bildungs- und Zukunftschancen vieler junger Menschen. Deshalb ist es unser Ziel, das Angebot nach und nach auf weitere Standorte in unserem Zuständigkeitsbereich als Jugendhilfeträgerin auszuweiten."
"Das Projekt ist für viele Jugendliche eine große Chance, ihre Schulzeit mit einem guten Abschluss zu beenden und dann später einmal eine qualifizierte Ausbildung machen zu können", sagte der Erste Stadtrat der Stadt Seelze, Karsten Balzer.
Das Programm richtet sich an Jugendliche ab 12 Jahren, die immer wieder unentschuldigt den Unterricht versäumen und einen durch das Jugendamt bestätigten Hilfebedarf haben. In Einzelgesprächen und in Gruppenarbeit vermitteln die sozialpädagogischen Fachkräfte der "2. Chance" Alltags-, Sozial- und Schulkompetenzen. Das beinhaltet unter anderem, die Jugendlichen auf die nächste Klassenarbeit vorzubereiten, Konflikte mit Lehrkräften oder im Elternhaus zu klären, wenn nötig, die Jugendlichen auch zur Schule zu begleiten. In der Regel beträgt die Teilnahme an dem Projekt ein Jahr.
Bei rund drei von vier Schülerinnen und Schülern hat sich laut Derk Wiebe die schulische Situation durch die Teilnahme an dem Projekt deutlich verbessert: "Das heißt, die Zahl ihrer Fehltage hat sich deutlich verringert, sie haben die Versetzung in die nächste Klassenstufe geschafft oder Schulängste abgebaut", so der Leiter der "2. Chance" der Region Hannover.
Am Standort Seelze sind seit Mitte 2014 vier Jungen und drei Mädchen im Programm. Vier weitere Jugendliche absolvieren eine Probezeit. "Wir haben nur dann eine Chance, die Jugendlichen zu erreichen, wenn sie auch mitmachen wollen", sagt Koordinatorin Anne Buers von der Region Hannover. "Auf der anderen Seite sind manchmal auch andere Jugendhilfeangebote wie zum Beispiel PACE passgenauer, wenn es um ältere Jugendliche mit tiefgreifenden persönlichen Störungen geht." Mit insgesamt 40 Kinder und Jugendlichen stand das Seelzer-Team bereits in Kontakt - mehr als die Hälfte davon wurden an andere Hilfen weiter geleitet.
Seit Beginn des Programms "Die 2. Chance" im Jahr 2006 bis März 2015 wurden in Neustadt, Ronnenberg, Barsinghausen und Seelze insgesamt bislang 248 Kinder und Jugendliche betreut, davon 145 Jungen und 103 Mädchen. Die meisten der betreuten Jugendlichen sind 13 oder 14 Jahre alt: Fast die Hälfte (121 Jugendliche) sind oder waren in diesem Alter.
Für die Umsetzung des Angebots hat die Region Hannover ein eigenes Jugendhilfekonzept entwickelt. Jeweils zwei feste Mitarbeiter pro Standort betreuen die Jugendlichen sowohl einzeln als auch in Gruppen. 60 Plätze stehen zur Verfügung. Dazu kommen sechs weitere Plätze für Jugendliche aus Neustadt mit besonders hohem pädagogischem Förderbedarf, deren Betreuung aus dem Bildungs- und Teilhabepaket finanziert.
"Schulverweigerung - Die 2. Chance" wurde bis zum 30. Juni 2014 vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie vom Europäischen Sozialfonds gefördert. Seit 01.07.2014 finanziert die Region Hannover mit jährlich rund 520.000 Euro das Programm. Insgesamt arbeiten bislang 16 Schulen mit dem Projekt zusammen: die Leine-Schule in Neustadt, die KGS Neustadt, die BBS Neustadt, die Marie-Curie-Schule Ronnenberg, die Oberschule Gehrden, die BBS Springe, die Hauptschule Uetze, die Realschule Uetze und die Heinrich-Ernst-Stötzner-Förderschule Uetze, die Geschwister-Scholl-Schule in Seelze, die Humboldt-Schule in Seelze, die Anne-Frank-Schule in Seelze, die KGS Goetheschule in Barsinghausen, die Bert-Brecht-Schule in Barsinghausen, die Lisa-Tetzner-Schule in Barsinghausen und die KGS in Wennigsen.