In seinem Vortag "Fremde Blicke" gibt der Historiker Dr. Frank Bajohr am Donnerstag, 19. September 2013, im Regionshaus, Raum N001, Hildesheimer Str. 18, einen Einblick in diese Quellen, die sich von den regimeinternen Lageberichten oft signifikant unterscheiden. Die Veranstaltung der Gedenkstätte Ahlem der Region Hannover beginnt um 19 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Wer sich in demokratischen Staaten über die öffentliche Meinung informieren möchte, kann auf eine Fülle von Quellen zurückgreifen, darunter vor allem pluralistische Medien und Meinungsumfragen, nicht zuletzt Wahlergebnisse als Ausdruck von Stimmungen und Einstellungen. Alle diese Quellen stehen jedoch für die nationalsozialistische Diktatur nicht zur Verfügung oder sind wenig ertragreich. Gerade deshalb war jedoch das NS-Regime brennend daran interessiert, etwas über die Bevölkerungsmeinung - zum Beispiel
über die Judenverfolgung - zu erfahren und verpflichtete deshalb zahlreiche Institutionen, so genannte Lageberichte zu verfassen. Was berichteten diese über die treibenden Kräfte der antijüdischen Verfolgungsmaßnahmen nach 1933? Wie beurteilten sie die Einstellung und das Verhalten der deutschen Bevölkerung in diesem Prozess? Der Vortrag analysiert diese Leitfragen und bezieht zugleich - neben den zahlreichen Berichten, mit denen ausländische Diplomaten ihre Außenministerien über Vorkommnisse im nationalsozialistischen Deutschland informierten - eine weitere Gruppe von Geheimberichten vergleichend mit ein: Die so genannten "Sopade"-Berichte, die auf Meldungen sozialdemokratischer Vertrauensleute aus dem Reichsgebiet beruhten.
PD Dr. Frank Bajohr ist wissenschaftlicher Leiter des Zentrums für Holocaust-Studien am Institut für Zeitgeschichte in München. Er hat zahlreiche Bücher zur Geschichte des "Dritten Reiches" verfasst oder herausgegeben.