Die EU-Erbrechtsverordnung hat nicht nur Auswirkungen bei Menschen, die ihren Lebensabend in Spanien, Frankreich oder Italien verbringen. Auch bei Grenzpendlern stellt sich die Frage nach dem anwendbaren Erbrecht.
Wohnsitz ist nicht immer gleich Aufenthaltsort
Dass der Wohnsitz nicht automatisch mit dem letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort gleichzusetzen ist, zeigt ein Beschluss des Kammergerichts Berlin (Az. 1 AR 8/16).
Der Sachverhalt: Bis 2010 hatte der Erblasser seinen Wohnsitz in Berlin. Als Rentner zog er hauptsächlich aus Kostengründen nach Polen, unweit der Grenze zu Deutschland. Von dort aus war er auch noch hin und wieder beruflich in Berlin tätig, auch sein soziales Leben spielte sich überwiegend in der deutschen Hauptstadt ab. In Polen war er nicht in die Dorfgemeinschaft integriert und hatte nur wenige soziale Kontakte. Auch seine Einnahmen generierte er ausschließlich in Deutschland. Als der Mann im Februar 2016 verstarb, musste das KG Berlin entscheiden, ob deutsches oder polnisches Erbrecht zur Anwendung kommt.
Erbrechtsverordnung stellt auf sozialen und familiären Mittelpunkt ab
Das Gericht entschied, dass deutsches Recht anzuwenden sei. Für die Bestimmung des letzten gewöhnlichen Aufenthaltsorts sei nach der EU-Erbrechtsverordnung maßgeblich, wo der „Mittelpunkt des Lebensinteresses des Erblassers“ gelegen hat. Unter Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls sei festzustellen, dass der Erblasser seinen sozialen und familiären Lebensmittelpunkt immer noch in Deutschland hatte, daher sei auch deutsches Erbrecht anzuwenden. Für die Feststellung des letzten gewöhnlichen Aufenthaltsorts kommt es also nicht zwingend auf den Wohnsitz an.
Diese Entscheidung des Kammergerichts Berlin kann gerade für Grenzpendler interessant sein. Aber nicht nur Grenzpendler, sondern auch andere deutsche Bürger, die ihren Wohnsitz im Ausland haben, müssen beachten, dass nach der EU-Erbrechtsverordnung nicht mehr automatisch deutsches Recht angewendet wird.
Testamente prüfen und über Rechtswahl nachdenken
Das kann auch Auswirkungen auf bestehende Testamente haben. Besonders beim so genannten Berliner Testament muss aufgepasst werden. Denn diese Form der letztwilligen Verfügung ist in vielen EU-Staaten unbekannt und unwirksam. Wem das Erbrecht im Land seines gewöhnlichen Aufenthalts keine passende Regelung für die Nachfolge bietet, sollte über eine Rechtswahl zugunsten seines Heimatrechts nachdenken. Das ist rechtlich zulässig. In vielen Fällen wird dieses Erbrecht für die Betroffenen auch verständlicher sein.
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