"Geld allein macht nicht glücklich", dieses Sprichwort trifft gerade auf Pflegebedürftige und ihre Angehörigen zu. Aktuell plant die Bundesregierung ein höheres Pflegegeld und höhere Pflegesachleistungen für Demenzkranke in Höhe von insgesamt 655 Millionen Euro. Menschen mit Demenz oder geistiger Behinderung ohne Pflegestufe, die zu Hause gepflegt werden, sollen künftig mehr Geld erhalten.
"Dieses Geld muss nicht nur ankommen, sondern auch Wirkung entfalten und die Situation der Pflegenden und Pflegebedürftigen wirklich verbessern", sagt Dr. Gertrud Demmler, Vorstand der Siemens-Betriebskrankenkasse SBK anlässlich des Pflegekongresses in Berlin. Generell sind die Angehörigen Pflegebedürftiger häufiger krank, sind öfter beim Arzt und brauchen mehr Medikamente - Burnout und Depression spielen dabei eine große Rolle. Das zeigt eine Analyse der Siemens-Betriebskrankenkasse SBK von 2011. Für die Angehörigen dementer Menschen gilt dies umso mehr, weil sie unter einer noch größeren emotionalen und sozialen Anspannung leben: Sie erleben täglich den geistigen Verfall eines geliebten Menschen, müssen nicht selten mit verbaler und tätlicher Aggression umgehen und sind in Sorge, wenn sie nur für wenige Minuten die Wohnung oder das Haus verlassen.
Tatsächlich müsse mehr in Beratung und konkrete organisatorische Hilfe investiert werden. Demmler: "Viele Menschen sind mit der Fülle an Zuschüssen, Leistungssätzen und Regularien völlig überfordert. Sie brauchen dann nicht nur Beratung, sondern auch jemanden, der ihnen in diesen Fragen konkret unter die Arme greift." Die SBK engagiere sich hier auch mit Pflegeberatern, die weit über ihr Fachgebiet hinaus denken "Unsere Beratung kann ein Baustein sein, dem nun der nächste folgen muss", so Gertrud Demmler. Die SBK fordert daher den regelmäßigen Einsatz von Pflegemanagern im Bedarfsfall, die konkrete Aktionen für die Bedürftigen und ihre Angehörigen anstoßen und umsetzen.
Urlaub für Pflegende: Komplizierte Regeln vereinfachen
Nach Schätzung der SBK rufen die Angehörigen von Pflegebedürftigen maximal 26 Prozent des für Kurzzeit- oder Verhinderungspflege zur Verfügungen stehenden Geldes ab. Allein die 1,07 Millionen von Angehörigen versorgten Pflegebedürftigen in Deutschland hätten im Jahr 2010 für jede dieser entlastenden Maßnahmen 1,55 Milliarden Euro einfordern können. Tatsächlich haben die Pflegekassen 400 Millionen Euro (26 %) für die Verhinderungspflege ("Pflegeurlaub") und 340 Millionen (22%) für Kurzzeitpflege ausbezahlt. Die Leistung ist dafür gedacht, dass Angehörige mal Urlaub machen, sich auch nur einmal einen Tag freinehmen können oder selbst krank sind und Zeit für sich brauchen. Gertrud Demmler: "Wir sehen die hohe Belastung bei Angehörigen, zugleich werden finanzielle Hilfen nicht ausgeschöpft, um sich einmal eine Auszeit zu nehmen. Spätestens hier muss man mit der Frage ansetzen, ob die Erhöhung von Leistungssätzen das Allheilmittel ist."
Als ersten Schritt fordert die SBK daher den Abbau bürokratischer Hemmnisse: So soll für die Kurzzeitpflege und die Verhinderungspflege ambulant zu Hause ein Budget von zusammengefasst aktuell 3.100 Euro zur Verfügung stehen. Weiterhin muss geprüft werden, ob die Höhe des Budgets für eine wirkungsvolle Entlastung ausreicht. Bislang wird zwischen den genannten Formen strikt getrennt: Kurzzeitpflege gibt es stationär mit Unterkunft, Verhinderungspflege nur tagsüber und zu Hause, daneben gibt es noch Tagespflege in wieder anderen Tagespflegeeinrichtungen. Dies bedeutet auch: Ist das heutige Budget für die Verhinderungspflege aufgebraucht, gibt es für Notfälle zwar noch die Möglichkeit der Kurzzeitpflege, aber dann müsste der zu Pflegende die häusliche Umgebung verlassen und in ein Pflegeheim, dies wollen die Menschen oft nicht! "Betroffene sind damit durchaus überfordert oder fühlen sich im Stich gelassen", so Gertrud Demmler.
Dabei geht es anders. Bewährtes Beispiel dafür ist die Regelung zum Kinderkrankengeld: Hier kann ein Partner seinen "Pool" von bis zu zehn Tagen für ein Kind auf den anderen Partner übertragen, wenn es der z.B. beruflich besser organisieren kann, zu Hause das kranke Kind zu pflegen. SBK-Vorstand Gertrud Demmler: "Viele Pflegende sind selbst betagt oder chronisch krank. Jede Erleichterung im Regelungsdschungel kommt ihnen zugute."
Leistung ohne Antrag: SBK packt Entbürokratisierung selbst an
Wo immer möglich geht die SBK selbst schon entscheidende Punkte zur Vereinfachung und Entbürokratisierung an. So verzichtet die SBK zum Beispiel seit Januar 2012 auf eine Unterschrift auf dem Antrag für Pflegeleistungen. Der Vorteil: Pflegebedürftige oder ihre Angehörigen besprechen ihre Wünsche und Bedürfnisse mit dem SBK-Pflegeberater telefonisch, müssen selbst keine Formulare ausfüllen, erhalten unmittelbar Hinweise auf die rechtlichen Möglichkeiten und sind von den weiteren Formalitäten völlig frei!