Was ist Mentaltraining?
"Das aus dem lateinischen kommende Wort "mentalis" bedeutet soviel wie "geistig, in der Vorstellung vorhanden". Davon ausgehend können wir also pauschal sagen, dass wir mit Mentaltraining unsere Gedanken und Vorstellungen nutzen, um unser bewusstes und unbewusstes Handeln zu beeinflussen", erklärt Joachim Seelmann.
"Jeder Mensch entwickelt laufend innere Bilder. Vielfach bleiben diese Vorstellungsbilder unbewusst, obwohl sie auch im Alltag unser Denken und Handeln leiten. Kraft unserer Vorstellung können wir allerdings solche Bilder auch bewusst kreieren. Der Begriff Vorstellungskraft bezieht sich nun tatsächlich auf eine psychische Kraft, die ganz konkrete physiologische Auswirkung hat. So hat etwa Edmund Jacobsen Ende der 20er Jahre gezeigt, dass der intensive Gedanke an eine bestimmte Körperbewegung die dazugehörigen Nervenzellen aktiviert. Entspannende Bilder bewirken eine Entspannung der Muskeln. Die Vorstellung, ein Gewicht zu heben, bewirkt hingegen Muskelanspannung", so die Ausführungen des Coaches.
Sylvia Bieber erläutert weiter: "Für die psychische Entwicklung ist es daher nicht gleichgültig, welche inneren Bilder wir erzeugen. Wenn wir negative Vorstellungsbilder (Krankheit, Ärger, Misserfolg usw.) vor Augen haben, werden wir merken, wie sie uns niederdrücken und uns in unserer Handlungsfähigkeit einschränken. Ja wie sie regelrecht diese vorgestellten Situationen anziehen. Positive Vorstellungen bauen uns hingegen auf und erweitern unsere Möglichkeiten. Das lässt sich leicht selbst erproben, indem man einfach intensiv an eine negative Situation denkt, etwa an ein unangenehmes Ereignis, einen Streit, einen Unfall, ein persönliches Versagen: Die Körperhaltung wird saft- und kraftlos, die Atmung flach und bedrückt und gefühlsmäßig baut man ab. Denkt man aber ganz stark an eine erfreuliche Situation, vielleicht an einen schönen Urlaubstag, einen Besuch lieber Menschen, einen traumhaften Sonnenuntergang, richtet sich der Körper unweigerlich auf, die Atmung wird kräftig, der Brustkorb weit und die Mundwinkel wandern automatisch nach oben."
Unser Leben ist das Produkt unserer Gedanken, denn alles in unserem Leben beginnt mit einem Gedanken. Aus unseren Gedanken entspringen die bildhaften Vorstellungen und daraus der Antrieb zum Handeln. Also, warum sich diese Kraft nicht nutzbar machen?
Mentaltraining beim Sport
Wer möchte nicht siegen, obwohl der Matchverlust des Tennismarathons schon so gut wie sicher ist? Wer möchte nicht seine sportlichen Erfolge ausbauen und seine Motivationsprobleme endgültig ad acta legen? Den Spitzensportlern verdanken wir das Zauberwort "mentale Stärke", die, sofern sie sich durch Nichtvorhandensein auszeichnet, auch den körperlich am besten trainierten Sportler zum Verhängnis wird. Ganz nach dem Motto: der Körper ist willig, der Geist ist schwach. Neben der körperlichen Fitness ist die geistige Fitness deshalb unabdingbar notwendig, um den geschulten und trainierten Körper sinnvoll einzusetzen und zu kontrollieren.
Schon Georg Bernard Shaw sagte: "Die Vorstellungskraft ist der Anfang der Schöpfung. Man stellt sich vor, was man will; man will, was man sich vorstellt; und am Ende erschafft man, was man will." Die Vorstellung ist es also, die z.B. der Tennisspieler einsetzen kann, um sein Match im Geiste durchzuspielen. Er sieht seinen perfekten und kraftvollen Aufschlag. Wie in einem Film kann er beobachten, wie er den Ball optimal trifft. Er hört den Ton, wenn der Ball auf die Mitte seines Schlägerkopfes trifft, kann spüren, wie der Schläger fest in seiner Hand liegt. Den Ball im optimalen Treffpunkt beschleunigen oder einen gefühlvollen Stopp spielen. All das ist in der Vorstellung möglich. Er kann sogar die Sonne auf der Haut spüren, das trockene Gefühl im Mund vielleicht wahrnehmen, und das Jubeln der Zuschauer beim "ausgemalten" Matchgewinn ganz deutlich hören. Je näher, lebendiger und farbiger Bilder vor das innere Auge treten, je intensiver die Gerüche und je klarer die Geräusche wahrnehmbar sind und je extremer die Gefühle dabei mitspielen, desto schneller verwandeln sich nüchterne Worte in anziehende Visionen.
Voraussetzung für eine erfolgreiche Visualisierung ist allerdings, dass dem Sportler der Bewegungsablauf soweit bekannt ist, dass er in der Lage ist, ihn sich vorzustellen. Je genauer die Vorstellung des Ablaufes, desto erfolgreicher ist der Visualisierungseffekt. Dies erklärt auch, warum Mentaltraining im Spitzensport so besonders erfolgreich ist.
"Wenn Sie sich mental trainieren möchten" (egal für welchen Bereich, z.B. privat, finanziell, beruflich, sportlich), erklären Bieber und Seelmann, "gehen Sie einfach nach folgendem Schema vor":
1. Entspannung:
"Finden Sie Ihren persönlichen Weg körperlich, seelisch und geistig zu entspannen. Bauen Sie damit Stress ab und finden Sie Ihre Mitte. Mögliche Techniken: Yoga, Tai Chi, Chi Gong, Meditation, Autogenes Training, Fantasiereisen, Progressive Muskelrelaxation, Spaziergänge, usw."
2. Positives Denken:
"Sie erleben, was Sie denken. Holen Sie sich deshalb Ihre Erfolge in die Erinnerung. Achten Sie bei allem was Sie tun auf Ihre Gedanken. So kann Ihnen auch bewusst werden, wie häufig diese Gedanken schon Realität wurden. Denken Sie an Ihre Ziele und fühlen Sie die Freude, die Befriedigung, die sich einstellt, wenn Sie sich für deren Erreichung entschieden haben."
3. Konzentration:
"Das Wort kommt aus dem lateinischen und bedeutet sinngemäß "Zusammendrängung um einen Mittelpunkt". Ihr Ziel vor Augen, konzentrieren Sie sich immer wieder darauf, es auch zu erreichen. Durch die Bündelung Ihrer gesamten Energie auf einen Gedanken, hat dieser viel mehr Kraft und Intensität, als wenn Ihre Gedanken ständig herumschwirren und sich in Nichtigkeiten und Negativem verlieren."
4. Visualisierung:
"An diesem Punkt vereinen Sie alles. Die Entspannung bietet die Grundvoraussetzung für die weiteren Schritte. Das positive Denken beeinflusst Ihre Handlungen und durch die Konzentration richten Sie Ihre gesamte Energie auf Ihr Ziel. Da unser Unterbewusstsein in Bildern "denkt", bekommt es über die Vorstellung reichlich Nahrung. Die Gedanken bekommen dadurch quasi "ein Gesicht" und prägen sich schneller ins Unterbewusstsein ein. Dieses wird nun alles tun, damit Ihre Vorstellung Wirklichkeit werden kann."
In manchen Situationen ist es sinnvoll, sich von qualifizierten Menschen anleiten zu lassen, und sei es nur, um die ersten Schritte zu erlernen. Dabei sollte es um "Hilfe zur Selbsthilfe" gehen, wie sie z.B. ein Coach leistet.