Feedback liefert Informationen über den Abstand zwischen Ist- und Sollzustand, zwischen Fremd- und Eigenwahrnehmung und hilft jedem Einzelnen, zu erkennen, wo er steht. Feedback öffnet dem Betroffenen die Augen über Art, Umfang und Ausmaß seiner „blinden Flecken“. Führungskräfte sollten sich deshalb mindestens einmal jährlich dem Feedback ihrer Vorgesetzten in einer Review-Sitzung stellen.
Ein Begriff für drei Arten
Aber: Feedback ist nicht gleich Feedback. Je nachdem, welches Ziel mit dem Feedback verfolgt wird, unterscheidet man drei Arten von Feedback. Es gibt das Coaching, die Bewertung und die Wertschätzung.
Coaching ist ein Ratschlag, der eine Verbesserung zum Ziel hat. Eine Bewertung stuft die betreffende Person ein, sodass sie weiß, wo sie gerade steht. Eine Wertschätzung würdigt eine Leistung. Diese Form des Feedbacks kommt allerdings in vielen Organisationen zu kurz. Und das, obwohl zahlreiche Studien beweisen, dass die Würdigung einer Leistung ganz besonders dazu geeignet ist, Mitarbeiter zu motivieren.
Feedback ist aber nur dann sinnvoll, wenn die betreffende Person bereit ist, sich infrage zu stellen und an sich zu arbeiten. Wenn das der Fall ist, kann systematisches Feedback dazu beitragen, aus Fehlern und Erfolgen zu lernen und Handlungsstrategien zu optimieren. Denn systematisches und differenziertes, personenbezogenes Feedback stellt stets eine Lernchance dar.
Auch gut gemeinte Kritik tut weh
Dennoch scheuen viele Menschen jegliches Feedback zur eigenen Person. Zu groß ist die Angst, mit ihren „blinden Flecken“ konfrontiert zu werden. Feedback bedeutet in vielen Fällen Kritik, die man nicht hören will. Denn Kritik, so konstruktiv sie auch sein mag, ist schwer anzunehmen, weil sie weh tut und das eigene Ego verletzt. In dem einen oder anderen Fall löst Feedback dann auch schon einmal negative emotionale Reaktionen aus, obwohl die Person, die das Feedback gibt, es nur gut meint.
Gerade Führungskräfte mit einem sehr ausgeprägten Ego blocken oftmals kritische Bemerkungen ab oder reagieren sehr emotional. Dabei sind Führungskräfte auf offenes Feedback angewiesen, wenn sie sich kontinuierlich verbessern wollen. Denn nur mittels Feedback lässt sich die Diskrepanz zwischen Eigenanspruch und Wirklichkeit, zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung und damit der sogenannte „blinde Fleck“ verringern.
Emotionales Pulverfass
Jeder hat schon einmal – bei sich selbst oder bei Kollegen - beobachten können, welche emotionalen Reaktionen Feedback hervorrufen kann. Zwei Grundbedürfnisse - das Bedürfnis, zu lernen und sich weiterzuentwickeln und das Bedürfnis nach Anerkennung - führen zu Spannungen, die sich emotional entladen. Dabei bekommt der Betroffene die Kritik sprichwörtlich in den falschen Hals, weil er entweder den Inhalt als falsch empfindet, den Feedbackgeber für ungeeignet hält, oder in der Kritik einen vermeintlichen Angriff auf sein Selbstbild sieht.
Kritik als Chance nutzen
Es ist kaum möglich, emotionale Reaktionen auf Kritik zu vermeiden. Umso wichtiger ist es, die passenden Strategien zu finden, mit der Kritik umzugehen. Gerade wenn Kritik Widerstand in einem selbst auslöst, bietet sich eine Chance, wertvolle Informationen über sich selbst zu bekommen, wenn man ehrlich der Frage nach dem Grund des Widerstandes nachgeht. Doch dazu muss als allererstes die Bereitschaft vorhanden sein, Arbeitskollegen, Vorgesetzte und Mitarbeiter um Ratschläge und Coaching zu bitten und sich mit den ausgelösten Emotionen auch auseinandersetzen zu wollen - und auch mal gegen die Intuition zu handeln. Nur wenn man wirklich entschlossen ist, aus jedem Feedback etwas zu lernen und Kritik als Lernchance begreift, entwickelt man sich kontinuierlich weiter.
Konstruktives Feedback folgt einem strukturierten Ablauf
Ablauf beim Feedback geben:
- eine konkrete Beobachtung beschreiben,
- erklären, welchen Eindruck das beobachtete Verhalten auf den Kritikgeber gemacht hat,
- Pausen machen und Fragen beantworten,
- konkrete Verbesserungsvorschläge machen, Unterstützung anbieten, Anerkennung aussprechen.
- zuhören, ohne zu unterbrechen,
- vermeiden, sich zu verteidigen oder zu rechtfertigen,
- prüfen, ob das Feedback verständlich war, ggf. Verständnisfragen stellen,
- die Sichtweise der anderen Person anerkennen,
- für das Feedback danken,
- überlegen, was davon umgesetzt werden soll.
- Feedback soll eine reine Verhaltensbeschreibung sein.
- Feedback bezieht sich auf konkrete Vorgänge.
- Feedback muss respektvoll und offen sein, es darf nicht verletzten.
- Feedback muss zum richtigen Zeitpunkt und am rechten Ort erfolgen.
- Feedbackinhalte müssen von allen Beteiligten vertraulich behandelt werden.
- Positives Feedback wirkt verstärkend und fördert stärker die Bereitschaft zur Verhaltensänderung.
Beurteilungsgespräche
Feedback ist ein selbstverständlicher Bestandteil professioneller Beurteilungsgespräche. Zum Jahresbeginn vereinbaren Mitarbeiter und Vorgesetzter in einem persönlichen Gespräch die Ziele für das laufende Jahr. Am Jahresende fließt das Feedback über die persönliche Entwicklung des Mitarbeiters im Verlauf des Jahres und über die eventuell notwendigen Entwicklungsmaßnahmen in das Zielerreichungsgespräch mit ein.
Mitarbeiterbefragung
Mitarbeiter-Befragung als Feedback-Instrument für Führungskräfte erfreut sich seit einigen Jahren stetig wachsender Beliebtheit. Immer mehr Unternehmen kommen zu der Erkenntnis, dass das Verhalten und der Führungsstil regelmäßig via Mitarbeiterbefragung analysiert und offengelegt werden muss. Im Rahmen einer anonymisierten Online-Befragung geben Mitarbeiter und Führungskräfte ein Feedback zu Themen wie Leadership, Kundenorientierung, Integrität, Leistungskultur, Weiterempfehlung und seit neuestem auch zum Thema “Gesundes Arbeiten“. Mit dem Work Well Index (WWi), ein wissenschaftlich geprüfter Stressindex, kann der Stresslevel der Mitarbeiter verlässlich gemessen werden. Er ist eng verbunden mit den Indikatoren der Mitarbeitergesundheit und hat direkten Einfluss auf das Geschäft.
Mittlerweile gehören Mitarbeiter-Befragungen zum personalpolitischen Standardrepertoire erfolgreicher Unternehmen. Die Instrumente werden laufend verfeinert, kontinuierlich weiterentwickelt und können der einzelnen Führungskraft zugeordnet werden. Damit können individuelle, maßgeschneiderte Fördermaßnahmen abgeleitet und umgesetzt werden.
Individuelle Führungsstilanalyse
Die verbindlichste Form des Feedbacks ist die auf die einzelne, namentlich fixierte Führungskraft zugeschnittene Analyse. Dabei werden alle oder einige ausgewählte Mitarbeiter, die einer Führungskraft direkt unterstellt sind, mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens befragt. Korrespondierend wird auch die Führungskraft befragt. Ausdrückliches Ziel dieses Diagnoseverfahrens ist die Verbesserung des Arbeitsklimas und damit die Steigerung der Produktivität einzelner Organisationseinheiten. Sie sind auch der Anlass für informelle Gespräche innerhalb von Abteilungen und bieten damit die Chance für mehr Mitsprachemöglichkeiten im Unternehmen.
360° Feedback
Die erweiterte Form einer Führungsstilanalyse ist das sogenannte 360° Feedback, ein spezielles Management-Audit, das aus der Management-Diagnostik und der klassischen Vorgesetzten-Beurteilung stammt. Beim 360° Feedback können sowohl der Vorgesetze als auch Mitarbeiter der Führungskraft, Kunden und Kollegen Ihre Rückmeldung abgeben. Die zusätzliche Erhebung des Selbstbilds der beurteilten Person macht Differenzen zwischen Selbst- und Fremdbild deutlich. Der eigentliche Wert dieser Analyse wird besonders bei der Einbindung in PE- und OE-Strategien des jeweiligen Unternehmens deutlich. Auf das 360° Feedback kann jede Form von Intervention folgen: vom Training über individuelles Coaching bis zu einer Reorganisation durch eine tiefgreifende Um- / Neugestaltung der gesamten Unternehmenskultur.
Einstellungsanalyse und Klimaanalyse
Ein Feedback über die Einstellung einzelner Mitarbeitern zu bestimmten Problembereichen wie z.B. Qualität und Kundenorientierung, Arbeitssicherheit, Immigranten, zu Kollegen oder zum Unternehmen als Ganzes liefert die Einstellungsanalyse. Die Ergebnisse dieser Analyse bilden die Grundlage für Entscheidungen, ob und welche Maßnahmen für Einstellungs- und Verhaltensänderungen, u.a. im Rahmen von Trainingsmaßnahmen, erforderlich sind.
Eine besondere Ausprägung der Einstellungsanalyse ist die Klimaanalyse. Mit dieser Methode erhalten Unternehmen ein Feedback zu komplexen Problemen in der personellen und organisatorischen Struktur eines Unternehmens. Die Klimaanalyse ermöglicht es, Zusammenhänge und Wechselwirkungen zu analysieren, um eventuelle Schwierigkeiten im fachlichen Bereich, in der Organisation oder in den zwischenmenschlichen Beziehungen der Mitarbeiter herauszufinden, und erforderliche Veränderungen einzuleiten. Sie stützt sich dabei sowohl auf subjektive Verfahren wie z.B. Messung der Arbeitszufriedenheit, Einstellungsanalyse etc. als auch auf objektive Verfahren wie beispielsweise die Analyse von Fehlzeiten oder Fluktuationsraten.
Benefits für die Unternehmen
Die Digitalisierung der Wirtschaft bringt eine hohe Veränderungsgeschwindigkeit mit sich, die wiederum hohe Anforderungen an die Flexibilität der Unternehmensorganisationen stellt. Für die sogenannten „Tangible Assets“, die organisatorische Leitungskette, stehen eine Vielzahl bewährter und erprobter Feedback-Tools zur Verfügung, die beispielsweise Aufschluss über Prozesse, Kosten-und Bewertungssysteme, Ablaufstrukturen und KPI’s geben.
Aber wie steht es mit den „Intangible Assets“, den Mitarbeitern, ihren Einstellungen, Werthaltungen und Bedürfnissen wie z.B. Beachtung, Anerkennung, Respekt? Denn es sind doch das Know-how, die Fähigkeiten und die Sozialkompetenz der Führungskräfte und Mitarbeiter, die letztendlich den Unternehmenserfolg sicherstellen. Vielen Unternehmen fehlt aber leider jegliches Verständnis für die Bedeutung dieser „Intangible Assets“. Von einem systematischen, wirkungsvollen Einsatz von entsprechenden Feedback-Instrumenten, um rechtzeitig Soll-Ist Abweichungen zu analysieren und Abhilfe zu schaffen, kann keine Rede sein.
Dabei kann durch den Einsatz von Feedback-Instrumenten eine Feedback-Kultur entstehen, die geprägt ist von Offenheit und Fehlertoleranz. Feedback-Instrumente unterstützen die eigenen Mitarbeiter und Führungskräfte, um ihr Potenzial freizulegen und gezielt zu fördern. Feedback ist eines der zentralen psychologischen Mechanismen, um Motivation, Zufriedenheit und damit letztlich auch die Leistung von Mitarbeitern mittel- bis langfristig positiv zu beeinflussen. Angesichts der steigenden Komplexität unserer Wirtschaft ist die permanente Integration von Feedback in den Arbeitsalltag von Führungskräften und Mitarbeitern zwingend erforderlich, um den wechselnden Rahmenbedingungen gerecht zu werden und einen langfristigen Organisationserfolg zu gewährleisten.
Feedback ist aber nur sinnvoll, wenn es den Anfang eines Dialoges, nicht das Ende, bildet. Und letztlich wirkt Feedback vor allem deshalb, weil „blinde Flecken“ des Mitarbeiters, der Führungskraft, der Abteilung oder der Organisation identifiziert und damit sichtbar gemacht werden: „Gefahr erkannt Gefahr gebannt“.
VITA Reinhard F. Leiter, Executive Coach bei der SELECTEAM Deutschland GmbH
Reinhard F. Leiter war Gründungsmitglied des Arbeitskreises Assessment Center – Führungskräfteauswahl/-entwicklung und langjähriger Vorsitzender des Arbeitskreises.
Reinhard F. Leiter absolvierte nach dem Besuch des Humanistischen Gymnasiums Jesuitenkolleg Kalksburg (Wien) ein Betriebswirtschaftsstudium mit den Schwerpunkten Organisationslehre und Personalwesen an der Ludwig-Maximilian-Universität in München. Bei der Bayer Group nahm R.F. Leiter Funktionen als Leiter u.a. der Aus- und Weiterbildung und als Personalleiter (1970 – 1982) wahr. Bei der Allianz AG leitete er das Zentrale Bildungswesen. Diese Aufgaben führten ihn 1999 zu seiner letzten Position als Leiter des Fachbereichs Executive Events der Allianz SE. In den letzten Jahrzehnten war er auf allen fünf Kontinenten in 30 Ländern tätig.
Seine berufliche Orientierung ist durch die Maxime geprägt: „Im Mittelpunkt steht immer der Mensch“. Sie ist von der Überzeugung getragen, dass alle Maßnahmen eines Unternehmens – altbewährte genauso wie neu eingeführte – in ihrer Methodik einer permanenten Überprüfung, Anpassung und Erneuerung bedürfen. So können sie in einer rasant technologisierten Welt wirken und dabei dem Unternehmen und seinen Menschen gerecht bleiben.