- Vortrag Luisa Accati: Dominante Mütter Gisela Engel: Abwesende Väter
- Anschließend Buchpräsentation: Luisa Accati: "Das Monster und die Schöne. Vater- und Mutterbilder in der katholischen Erziehung der Gefühle"
- Eine Veranstaltung der Sigmund Freud Privatstiftung und des Instituts für Wissenschaft und Kunst (IWK)
28.3.2007, 19 Uhr
Sigmund Freud Museum
Berggasse 19, 1090 Wien
LUISA ACCATI: Dominante Mütter
Geschichte und Psychoanalyse teilen zumindest zwei Interessen: Die Untersuchung des Einflusses der Vergangenheit auf Gegenwart und Zukunft sowie die Frage nach der Art und Weise, wie Menschen ihre gegenseitige Abhängigkeit leben und gestalten. Beide Disziplinen beschäftigen sich mit dem Übergang von einer Generation zur nächsten, mit den Weisen der Nachfolge und der Weitergabe von Macht. Die absolute Macht, welche die Grundlage vieler moderner Staaten bildet, steht in einem besonders engen Verhältnis zur absoluten Macht der Mutter in den Augen des Kindes, das in den ersten Lebensjahren vollkommen von dieser abhängig ist. Deshalb ist es möglich, die Entwicklung dieses Machttyps anhand des Marienkultes zu betrachten, der ja einen Kult der Mutterfigur darstellt. Das katholisch geprägte Wien lieferte dem Freud schen Ödipus einen von dieser Mutterfigur geprägten Kontext. Deshalb eignet diese Stadt sich vorzüglich, um die Grundlagen des psychoanalytischen Denkens und jene der politischen Despotie sowie die kulturellen und sozialen Unterschiede zwischen dem katholischen, mutterzentrierten Süden und dem protestantischen, vaterzentrierten Norden Europas zu begreifen. Die im Vortrag präsentierten Thesen gehen auf Luisa Accatis Buch "Das Monster und die Schöne. Vater- und Mutterbilder in der katholischen Erziehung der Gefühle" zurück.
Vortrag in italienischer Sprache. Eine deutsche Übersetzung wird in schriftlicher Form bereitgestellt.
GISELA ENGEL: Abwesende Väter
In diesem Kurzvortrag geht es um die Bedeutung, die das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis mit seiner Vorgeschichte für die - symbolische - Ausschließung des Vaters aus der Beziehung zwischen der Madonna und ihrem Sohn in Luisa Accatis Buch hat. Die Präsentation beleuchtet, welche Folgen sich daraus für die westeuropäische, christlich geprägte Kultur ergeben: Als schlimmste Folgen des Autoritätsverlusts der Väter können Misogynie und Antisemitismus betrachtet werden. Im Anschluss an die beiden Vorträge wird Luisa Accatis Buch "Das Monster und die Schöne. Vater- und Mutterbilder in der katholischen Erziehung der Gefühle" (2006: Berlin, Trafo-Verlag) präsentiert.
Konzept und Moderation: KLAUS NEUNDLINGER
Eintritt frei, Anmeldung unter office@freud-museum.at
LUISA ACCATI lehrt seit 1986 als Professorin für Neuere Geschichte an der Universität Triest. Ihre Forschungsschwerpunkte sind historische Anthropologie, Religiosität und Hexenwesen. In letzter Zeit befasst sie sich auch mit dem Marienkult, seinem symbolischen Gehalt und seiner Bedeutung für unterschiedliche soziale und politische Strukturen in katholischen und protestantischen Gesellschaften Europas. Publikationen in den Zeitschriften Annales, Clio, Duoda, Freibeuter, Genesis, Gender and History, Historia Social, Memoria, Quaderni Storici, Studi Medievali, Studi Storici. Monografien: Il matrimonio di Raffaele Albanese. Milano: Anabasi 1994; Il mostro e la bella. Padre e madre nell educazione cattolica di sentimenti. Milano: Cortese 1998. (Deutsche Übersetzung: Das Monster und die Schöne. Vater- und Mutterbilder in der katholischen Erziehung der Gefühle. Berlin: Trafo 2006.)
GISELA ENGEL ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum zur Erforschung der Frühen Neuzeit und am Institut für England- und Amerikastudien der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Ihre Schwerpunkte in Lehre und Forschung sind Geschichte der Politischen Theorien, Gender Studies und die Kultur-, Ideen- und Sozialgeschichte der Frühen Neuzeit. Sie ist Herausgeberin der Reihe Salecina-Beiträge zur Gesellschafts- und Kulturkritik und Herausgeberin der Reihe Frankfurter Kulturwissenschaftliche Beiträge. Letzte Veröffentlichungen: Die Frankfurter Judengasse, zus. mit Fritz Backhaus, Robert Liberles und Margarete Schlüter. Frankfurt: Societätsverlag, 2006; Technik in der Frühen Neuzeit, zus. mit Nicole Karafyllis, Frankfurt: Klostermann, 2004; Bilder und Begriffe des Bösen, zus. mit Malte-Christian Gruber, Berlin: trafo 2007 (= Salecina - Beiträge zur Gesellschafts- und Kulturkritik Bd. 7); Fallstudien: Theorie - Geschichte - Methode, zus. mit Johannes Süßmann und Susanne Scholz, Berlin: Trafo 2007 (= Frankfurter Kulturwissenschaftliche Beiträge Bd. 1).
KLAUS NEUNDLINGER ist Philosoph und Übersetzer, arbeitet derzeit am Ludwig-Boltzmann- Institut für Geschichte und Gesellschaft an einem Projekt zu den neuen Arbeitsformen.