Hermann Gmeiner wurde am 23. Juni 1919 in Alberschwende in Österreich als eines von neun Kindern einer Bauernfamilie geboren. Die Mutter starb, als er fünf war. Von da an sorgte seine älteste Schwester Elsa für die Kinder und lebte ihm vor, was später zum Mittelpunkt seiner SOS-Kinderdorf-Idee wurde: der Beruf der SOS-Kinderdorf-Mutter. Nach der Grundschule besuchte Hermann Gmeiner das Gymnasium in Feldkirch und musste 1940 noch vor dem Reifezeugnis zur Wehrmacht. Nach dem Krieg holte er das Abitur nach und begann 1946 in Innsbruck mit dem Medizinstudium. Er wollte Kinderarzt werden. In dieser Zeit wirkte er aktiv in der Jugendarbeit mit und lernte die große Not vieler Kinder und Jugendlicher kennen, die nach dem Krieg niemand mehr hatten und auf sich allein gestellt waren.
Diesen jungen Menschen zu helfen und etwas anderes zu bieten als veraltete Waisenhäuser wurde für Gmeiner zur fixen Idee, die ihn nicht mehr losließ. Er wollte ihnen wieder ein familiennahes Daheim bieten, wo sie in Schutz und Geborgenheit aufwachsen konnten, mit einer Mutter, die für sie sorgte, wie jede andere gute Mutter auch. Geschwister sollten nicht getrennt werden, sondern gemeinsam in einem Haus aufwachsen und neben dem Gefühl familiärer Geborgenheit auch die Gemeinschaft eines Dorfes spüren. Auf diese vier Grundsätze (Mutter, Geschwister, Haus, Dorf) aufbauend wollte Hermann Gmeiner das erste SOS-Kinderdorf errichten. Dafür gab er sogar sein Studium auf.
Er wandte sich an die Behörden und bat um Hilfe. Die hatten für die Idee des mittellosen Studenten aber nicht viel übrig. So half sich Gmeiner selbst. Er gründete 1949 mit nur 600 Schilling (gut 40 Euro) den Verein "Societas Socialis" (SOS) und bat die Bevölkerung, sein Anliegen mit einen Schilling pro Monat zu unterstützen. Die Reaktionen waren so überwältigend, dass Gmeiner noch im selben Jahr mit dem Bau der ersten Häuser im ersten SOS-Kinderdorf in Imst/Tirol beginnen konnte. Es war der Anfang der heute weltumspannenden humanitären Idee der SOS-Kinderdörfer, der Hermann Gmeiner sein ganzes Leben widmete und die Albert Schweitzer das "freundlichste Wunder der Nachkriegszeit" nannte.
Lange vor der Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention war für Hermann Gmeiner jedes Kind ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft, dessen besondere Bedürfnisse geachtet werden müssen. Für ihn bedingte die Art und Weise, wie Kinder aufwachsen, unser gesellschaftliches Zusammenlebens. Eine liebevolle, förderliche Kindererziehung war für ihn Grundvoraussetzung für eine friedliche Koexistenz.
Bis heute sind Kinder, die nicht bei ihrer leiblichen Familie aufwachsen können, vielfachen Risiken ausgesetzt und in ihren Rechten beschnitten. Diesen Kindern und dem Kampf gegen Ausbeutung, Gewalt, Hunger und Verelendung galt Gmeiners ganze Aufmerksamkeit, denn "alle Kinder dieser Welt sind unsere Kinder". In dieser Verantwortung stehen die SOS-Kinderdörfer bis heute.
Gmeiner wurde 65 Jahre alt. Als er starb, hatte er schon mehr als 1.000 SOS-Kinderdörfer und -Zusatzprojekte in über 100 Ländern aus der Taufe gehoben. Sein Erbe ist als privates, religiös und politisch unabhängiges Sozialwerk in 132 Ländern der Erde tätig - mit 508 SOS-Kinderdörfern und mehr als 1.500 begleitenden Projekten (Kindergärten, Jugendeinrichtungen, Schulen, Ausbildungs- und Sozialzentren, Krankenstationen, Nothilfeprogramme). In den SOS-Kinderdörfern und Jugendeinrichtungen haben derzeit fast 80.000 Kinder und Jugendliche ein stabiles und dauerhaftes Zuhause. Von den begleitenden Einrichtungen profitieren jährlich mehr als eine Million Not leidender junger Menschen und deren Angehörige.