In über 250 Experimenten wiesen Greenberg und Kollegen nach, dass die natürliche Furcht vor dem Sterben unser alltägliches Handeln unbemerkt beeinflusst. Sei es bei Fragen zum Kunstgeschmack, zur eigenen Nation oder zur politischen Einstellung – immer wenn die Forscher in eine allgemeine Testreihe eine Frage über den Tod geschmuggelt hatten, reagierten die Probanden konservativer als im Kontrollexperiment.
So beurteilten Personen, die an den eigenen Tod erinnert wurden, abstrakte Gemälde deutlich negativer als jene ohne den morbiden Hinweis. "Todesgewisse" Probanden reagierten auf kritische Bemerkungen über ihr Heimatland ebenfalls weniger tolerant als solche, die nicht ans Sterben gedacht hatten.
Diese so genannten Terror-Management-Reaktionen spielen sich unbewusst ab. Zunächst wird der Gedanke an das eigene Ende verdrängt. Doch die Angst wirkt unbewusst weiter – und man versucht das eigene Selbstwertgefühl entweder direkt zu steigern – etwa durch Diäten, sportliche oder künstlerische Leistungen – oder nimmt einen Umweg über eine bestimmte Weltsicht: Es tröstet, sich als Mosaikstein eines größeren Ganzen zu sehen.
Unterschwellige existenzielle Ängste erhöhen nach Meinung der Psychologen aber nicht nur das Bedürfnis nach Struktur und Bekanntem, sondern auch die Akzeptanz von Gewalt. Dies belegen die Greenberg-Experimente zur politischen Einstellung: Sowohl Studenten iranischer Universitäten als auch ihre amerikanischen Kommilitonen sollten Selbstmordattentate oder aber den US-Anti-Terror-Krieg bewerteten. Hier wie dort wuchs unter dem Einfluss existenzieller Sorgen die Zustimmung zu den Gewalthandlungen.
Der Gedanke an den Tod schürt offenbar kulturelle Konflikte, die wiederum tief sitzende Ängste produzieren – ein Teufelskreislauf. Angesichts dessen rät der Wiener Philosoph und österreichische "Wissenschaftler des Jahres 2006"im Interview mit Gehirn&Geist: "Wer reflektiert, dass das eigene Leben ein Ende hat, kann mit der natürlichen Todesangst besser umgehen und würdigen, was das Leben zu bieten hat."