Björn Czinczoll ist Jurist. In seiner eigenen Familie und später während seines Studiums und im Beruf hat er erlebt, wie fehlende Plätze in Kindertagesstätten die Vereinbarkeit von Beruf und Familie beeinträchtigen. Aus der Erfahrung wurde für ihn eine Berufung. Jahre später ist er Geschäftsführer des gemeinnützigen Trägervereins Kinderzentren Kunterbunt e.V. und entwirft gemeinsam mit seinen Kollegen Kinderbetreuungsangebote für Unternehmen. Denn so schnell ändert sich das Dilemma der staatlichen Stellen nicht, ist sich der „Kinderkrippen-Unternehmer“ sicher und traf damit ins Schwarze: Die Schwab Stiftung für Social Entrepreneurship, das Fachmagazin „Capital“ und The Boston Consulting Group zeichneten ihn im November 2006 als Deutschlands besten „Sozialunternehmer 2006“ aus. Anfang dieses Jahres stellte er seine Arbeit beim Weltwirtschaftsforum in Davos Hunderten Unternehmern vor.
Czinczoll kopiert die staatlichen Angebote nicht einfach. Er möchte wissen, welche Probleme berufstätige Eltern bei der Kinderbetreuung haben. Leben und Job sind inzwischen so individuell, das überträgt sich auf die Kindererziehung. „Wir vereinbaren bei den Firmen zunächst einen Gesprächstermin, in dem wir uns als Trägerverein vorstellen und präsentieren, was wir tun könnten“, erzählt der Unternehmer. Anschließend befragt sein Team die Belegschaft: „Was brauchen und was wollen die Mitarbeiter?“ Der Verein wertet das Ergebnis aus und schreibt eine Empfehlung, welche Form der Kinderbetreuung in Frage kommt.
Czinczoll zählt mehrere Punkte auf, die erfahrungsgemäß bei der Entscheidung der Betriebe eine Rolle spielen und mit denen er staatliche Stellen übertrumpft: Seine Kindertagesstätten befinden sich an den Arbeitsplätzen der Eltern – bei größeren Firmen, bei Kliniken, Behören oder Flughäfen. Die Öffnungszeiten orientieren sich an den Arbeitszeiten der Eltern und zwar das ganze Jahr über. Es kann auch vorkommen, dass die Kinderzentren am Wochenende geöffnet haben. Die Eltern können die Betreuungszeit ganz flexibel, stunden- oder tageweise, buchen. Das breite pädagogische Angebot – von bilingualen Kursen über Programme zur Ernährung bis hin zu Gesundheits- und Bewegungsprogrammen - zeigt: Czinczoll begreift seine Kinderzentren nicht als Verwahrungsstätten, sondern als Bildungseinrichtungen.
Nimmt die Firma das Angebot an, prüft der Verein unter anderem die Gegebenheiten vor Ort. Hat das Unternehmen für die Einrichtung Räume oder Grundstücke auf dem Firmengelände? Czinczoll sagt dazu: „Ab dem O.K. der Firma übernehmen wir alles - bis hin zur Beantragung öffentlicher Mittel und den Gesprächen mit Behörden.“ Aktuell arbeite Kinderzentren Kunterbunt e.V. vorwiegend für DAX-Konzerne und einige Mittelständler. Eine Einrichtung lohne sich für Unternehmen ab einer Größe von 250 Mitarbeitern, wenn der Frauenanteil bei ungefähr 50 Prozent liege. Kleinere Unternehmen könnten sich an Einrichtungen für Gewerbeparks beteiligen oder im Zusammenschluss Stätten aufbauen.
Finanziell hat der Krippenpionier Czinczoll den Dreh raus: „Neben öffentlichen Zuschussgeldern finanzieren wir uns über Elternbeiträge, die jedoch vergleichbar sind mit kommunalen Einrichtungen vor Ort.“ Die Firmen müssen also nicht einmal in die Einrichtungen investieren, außer die Wünsche sind sehr speziell. Trotzdem: Was soll Unternehmen dazu bewegen, eine Kindertagesstätte in Auftrag zu geben? Czinczoll nennt ein paar Schlagworte, doch das reicht aus, um das Ausmaß zu beziffern: Wettbewerb um qualifizierten Nachwuchs, Werbung und Bindung von Fachkräften. Mitarbeiter können ihren Kinderwunsch nicht ständig der Wirtschaft opfern. Auf Dauer frustriert das, egal wie gut der Job ist. Eine Kinderbetreuungseinrichtung ergänze die Familie – so Czinczoll – und könne in vielen Bereichen die Kinder fördern, zum Beispiel mit umfangreicher Musikausstattung der Kinderkrippen. „Keine Familie würde sich zehn verschiedene Musikinstrumente anschaffen. Oder im Bewegungsbereich: Welche Familie hat denn schon ihren eigenen Turnraum?“