Dass Mitarbeiter lebenslang lernen sollen, haben Firmen begriffen. Offen bleibt, wie das am besten funktioniert. Zumal klassische Kurse den Bedarf an fortlaufender Weiterbildung während der Arbeit kaum decken. Teuer und aufwändig ist Weiterbildung noch dazu. „Das muss nicht sein“, ist Michael Kerres überzeugt. Mit Web 2.0-Technologien bietet sich eine Lösung, die außerdem Weiterbildung mit dem Wissensmanagement verlinkt.
Web 2.0 ist keine neue Version des Internets, sondern vielmehr die Möglichkeit, dass User Webseiten selbst gestalten. So werden aus Internetseiten soziale Orte, an denen sich Menschen mit gleichen Interessen treffen und soziale Bindungen eingehen. Bekannte Formen des Web 2.0 sind Wikis, Blogs und Foren. Für die Weiterbildung ergibt sich dadurch eine neue Qualität: „Wissen und Lernen jenseits von Schulungskonzepten“ – das ist es, was laut Kerres die neue Technologie ausmacht. Das Web 2.0 schafft Räume im Internet, die Menschen gern besuchen. Lernplattformen im Sinne von Web 2.0 verteilen nicht nur Materialien, wie das oft beim traditionellen E-Learning üblich ist. Stattdessen tauschen die User Informationen aus und lernen in Kooperation.
Dem Personalmanagement kann diese neue Form des Lernens sehr zugute kommen. Allerdings dürften Unternehmen derzeit nicht auf Hilfe von Weiterbildungsanbietern hoffen, so der Experte. Laut einer Studie von CHECKpoint-elearning greifen sie die Forschungsergebnisse der Universitäten zum Thema Web 2.0 bisher kaum auf. Kerres vermutet, dass sie Web 2.0 nicht in ihre Kurse einzubauen wüssten, weil sich das neue Internet mit ihren gewohnten Strategien reibe. Statt guter Referenten oder der Software für E-Learning sind im Web 2.0 eher Beratungsleistungen gefragt.
Während deutsche Firmen die Entwicklung des Web 2.0 als Kommunikationsinstrument weitgehend verpassen, profitieren manche US-Firmen bereits kräftig: „Die Mitarbeiter berichten offen aus ihren Arbeitsgruppen. Sie sagen konkret, an welchen Problemen oder Fragen sie arbeiten, anstatt das bis zur Markteinführung geheim zu halten“, so Kerres. Zwar plaudert niemand in Firmenblogs geheime Details aus - doch die Firmen nutzen diese aktive Form der Information durchaus geschickt, zum Beispiel für das Image als Arbeitgeber oder als Kundenbefragungsinstrument.
Kerres appelliert an Firmen, ihre Mitarbeiter Blogs schreiben zu lassen: über ihr Umfeld, über ihre Arbeitstätigkeit oder Projektgruppen. Wer jedoch lediglich einen Server aufstelle und glaube, Mitarbeiter arbeiteten sofort am System mit, würde sich wundern. Damit beispielsweise ein Wiki funktioniere, bedürfe es unter anderem einer Gruppe von Vorreitern, Incentives oder einer Moderation. Auch die Qualität der Einträge müsse bedacht werden. Nur weil viele Meinungen und viel Know-how kombiniert werden, erhält man nicht unbedingt qualitatives Wissen: „Es muss ein Mindestmaß an Expertise gegeben sein. Deshalb sollten sich Unternehmen genau überlegen, wie sie solche Plattformen etablieren“, so Kerres.
Die Basis dieser neuen Lern- und Wissenswelten können herkömmliche Lernplattformen sein. Aktuell wird jedoch in der Wissenschaft debattiert, ob Content Management Systeme, die Blogs, Foren und Wikis beinhalten, nicht besser wären. Die Universität Duisburg-Essen arbeitet mit einem Open-Source-CMS-System, das auf Web 2.0-Elementen basiert. „Wir erproben, ob und in welchen Fällen man mit einem solchen CMS auf Lernplattformen verzichten kann“, berichtet Kerres.
Seine Forschungsergebnisse zur geeigneten Infrastruktur und zur Kombination von Weiterbildung und Wissensmanagement mit Hilfe des Web 2.0 wird Prof. Dr. Michael Kerres in dem Vortrag auf der Zukunft Personal vorstellen.