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Was geht, was kommt, was bleibt? – Die Technik-Trends 2024

„Wir erleben einen radikalen Umbruch des kompletten globalen Wirtschaftssystems“

(lifePR) (Riedlingen, )
Frau Prof. Dr. Hermann, Herr Prof. Dr. Müller, Herr Dr. Konecny, bei Gartner bündelt man die Top-10-Tech-Trends thematisch. Ganz oben steht, wenig überraschend, die KI.

Dr. Konecny: Das Thema wird uns nicht mehr verlassen. Ich klettere über Berge der Innovation: Ständig kommt auf uns Neues Wunderbares zu. Aber auch Probleme gibt es genug, zum Beispiel beim Datenschutz. Open AI, der Entwickler des Sprachmodells ChatGPT, wird jetzt in den USA von Schriftsteller:innen verklagt, weil ihre Werke zu den Trainingsdatensätzen dieses Modells gehören. Wie das urheberrechtlich zu beurteilen ist, ist noch nicht klar.

Die Angst vor der KI greift um sich?

Dr. Konecny: Nicht ganz zu Recht. Es ist auch ein mediales Problem. Unsere Bildung in Sachen Künstlicher Intelligenz kommt hauptsächlich aus Hollywood. Ich sage immer: Maschinen sind auch nur Menschen. Denn hinter der KI stehen „nur“ Maschinen, die von Menschen gemachte Daten vorgesetzt bekommen. Es braucht also Kontrolle, aber wir sollten uns auch nicht so empören. Wenn wir diese Modelle zurückweisen, dann entziehen wir sie auch unserer Kontrolle, weil die Entwicklung dann woanders stattfindet.
Prof. Dr. Hermann: Dabei sollte es bei den Tech-Trends für das kommende Jahr eigentlich darum gehen, welche Potenziale die KI den Unternehmen tatsächlich bietet und wie sie diese nutzen können. Kurz: Wo ist der Mehrwert?

Haben Sie die Antwort?

Prof. Dr. Hermann:  Er liegt jedenfalls nicht allein in der Optimierung von etablierten Prozessen. KI kann auch Impulse und Inspirationen bieten, um neue Arbeitsabläufe zu entwickeln und letztlich das Unternehmenswachstum ankurbeln. Das ist aus Managementperspektive entscheidend, weshalb sich Gartner mit seinen Top-Trends auch explizit an die Entscheider:innen in der IT wendet.

Legen wir zu viel Fokus auf das Thema KI?

Prof. Dr. Müller: KI stellt nur einen Aspekt im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung dar. Wir verstehen Digitalisierung immer noch technologisch, aber der große globale Shift, der gerade passiert, ist ökonomisch getrieben. Wir erleben einen radikalen Umbruch des kompletten globalen Wirtschaftssystems!

Inwiefern?

Prof. Dr. Müller: Die Entwicklung ist ohne Weiteres mit dem Umbruch von der Agrarökonomie zur Industriellen Ökonomie zu vergleichen. Wir verfügen über ausgeprägte Erfahrung und Kompetenz in der Praxis der Industriellen Ökonomie, die zurück bis in die Ära der ersten industriellen Revolution und die Zeit der Erfindung der Dampfmaschine reicht. Das können wir richtig gut. Aber die Digitale Ökonomie ist neu. Wirtschaft, Industrie und Gesellschaft stehen immer in Beziehung zueinander. Ändern sich die Wertschöpfungssysteme, ändert sich auch alles andere. KI hat darauf großen Einfluss. Aber gerade deshalb ist die ökonomische Perspektive so wichtig – weil KI, wie alle neuen Technologien, irgendwann nur noch Basisforderung sein wird.

Die Frage ist: Was passiert infolge des Einsatzes von KI mit Blick auf Wertschöpfung?

Prof. Dr. Hermann: Dabei sind heutzutage noch weitere Aspekte zu berücksichtigen. Nachhaltigkeit ist inzwischen ebenso obligatorisch wie der Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung. Die IT-Nutzung muss effizienter, nachhaltiger und sicherer werden durch den Einsatz von KI.

Das scheint man bei Gartner ähnlich zu sehen. Ein Schwerpunkt der Trends 2024 liegt auf Sicherheit und Nachhaltigkeit.

Prof. Dr. Hermann: Wir erleben es im Austausch mit unseren Studierenden, wie drängend diese Fragen sind. Wird der Datenschutz beachtet und wie lässt sich das künftig sicherstellen? Wie steht es um die ethischen Aspekte des Einsatzes von KI – Jaromir hatte das Beispiel der Schriftsteller:innen genannt, die nun klagen. Es sind noch viele Fragen offen, auch das ist leider ein „Trend“.

Wie sind Ihre Studierenden gegenüber der KI eingestellt?

Prof. Dr. Hermann: Glücklicherweise sehr offen, das gilt für praktisch alle Fachrichtungen. Wenn ich auf meine MBA-Studierenden blicke, dann ist da eine große Bereitschaft, auch zu experimentieren. Für manche stellt sich ChatGPT heute so dar wie Google vor 20 Jahren. Manchmal bleibt es dann - bei einer Art „Literaturrecherche extended“. Aber das ist wichtig. So erfahren sie, dass es zum Beispiel gefährlich sein kann, Zitationen der KI einfach für eine wissenschaftliche Arbeit zu übernehmen. Unsere Studierenden lernen, wo die Grenzen von KI liegen und wie man sie trotzdem sinnvoll einsetzt.

Dr. Konecny: Sicherheit und Nachhaltigkeit sind wichtig, keine Frage! Aber ich habe die Sorge, dass wir in Deutschland bald Weltmeister werden im Regulieren von KI-Modellen, die wir gar nicht haben!

Aber ohne Regulierung wird es nicht gehen, oder?

Dr. Konecny: Nein, deshalb haben sich Europaparlament und EU-Staaten nach langen Verhandlungen Ende 2023 auch auf den "AI Act" verständigt. Darin geht es unter anderem um die Qualität der Daten, um die Risiken von KI und um das, eingangs erwähnte, Urheberrecht. Aber wir müssen abwägen. Staaten wie die USA, China oder auch Russland werden wir nicht dazu bringen, unsere Regulationsprinzipien auf ihre Modelle anzuwenden. Außerdem halte ich manche Sorge vor der KI auch für übertrieben. Wir denken über Verbote nach – entwickeln aber nach wie vor neue Atomwaffen. Da sollte man über Verbote diskutieren! KI dagegen ist ein Werkzeug, das uns die Arbeit erleichtern soll.

Prof. Dr. Müller: Regulierung ist aber doch ein Thema, dem wir uns stellen müssen. In der Industriellen Ökonomie hat es noch gut funktioniert, wenn nationale Regierungen den Rahmen für Unternehmen vorgaben. In der Regulierung großer digitaler Plattformen oder auch Technologien wie der KI kommen Staaten schnell an ihre Grenzen.  Der Versuch, auf europäischer Ebene hier Antworten zu finden bzw. zu regulieren ist zu begrüßen, wird den Herausforderungen aber nur schwer gerecht werden. In letzter Konsequenz braucht es dazu supranationale Strukturen. Irgendeine Form der Governance wird es geben müssen. Wie das, ganz konkret, realisiert werden soll, ist noch nicht beantwortet.

Den dritten Themenkomplex bei Gartner könnte man mit Workspace und Customer Experience umschreiben.

Prof. Dr. Hermann: Das ist nun wirklich nicht neu. Customer Experience war schon für 2023 Thema, und davor auch. Das Thema im Fokus zu halten ist auch richtig, deshalb hat Gartner bei seinen Prognosen Zeiträume von 36 Monaten im Blick. Insofern wird die Customer Experience weiterhin trenden. Sie wird - immer wieder neu umschrieben. 2020 hieß es noch „Macht Kunden zu Fans!“. Dann war von der Customer Journey die Rede und nun eben von der Experience. Alles nicht verkehrt, aber es bleibt derselbe Themenblock.

Und der virtuelle Arbeitsplatz bzw. die Automatisierung vor Ort?

Prof. Dr. Müller: Da bin ich überzeugt: Der Schritt von der Digitalisierung zur Virtualisierung geht weiter voran. Die neuen Wohn- und Arbeitswelten im digitalen Paralleluniversum werden an Bedeutung gewinnen. Ein wichtiger Aspekt ist an dieser Stelle die Beurkundung virtueller Besitzansprüche durch digitale Echtheits- und Eigentumszertifikate, sogenannter NFTs, und damit die Monetarisierung digitaler virtueller Objekte. Es bleiben die gleichen Herausforderungen: Regulierung, Governance, Datenschutz, Privatsphäre. Auch Nachhaltigkeit ist wesentlich, z.B. verbraucht die Erzeugung von NFTs viel Energie.  Die Automatisierung ist ein ebenso spannendes Thema. Die Robotik entwickelt sich rasant. Wir erleben die Verschmelzung der Industrie und Service Robotik in der Digitalen Ökonomie. Heute beschäftigen uns in der Robotik Themen wie Künstliche Intelligenz und Wahrnehmung. Wir werden in nicht allzu ferner Zukunft humanoide Roboter in der Logistik sehen.

Ein Trend, den Sie bereits für 2024 sehen?

Prof. Dr. Müller: Wir sind es gewohnt, Trends zu analysieren und unsere Unternehmen entsprechend daran auszurichten. Ich glaube, dass dies allein nur eine begrenzte Perspektive auf die Zukunft bietet. Es lohnt auch der Blick auf die Wertschöpfungssysteme hinter den großen digitalen Plattformen wie Google, Meta, Microsoft, oder auch dem Wertschöpfungssystem von Herrn Musk. Schauen Sie nicht nur auf die Trends. Was sind die großen Wetten auf die Zukunft?  Das ist sinnvoll, weil man auch diese Entwicklungen beschreiben kann. Dann stellt sich die Frage: An welche dieser Wetten will man glauben?

Das klingt nach viel Risiko.

Prof. Dr. Müller: Garantien gibt es nicht. Auch die etablierten Plattformen sind empfindlich gegenüber den schnellen Entwicklungen und der hohen Innovationsdynamik. An Facebook lässt sich sehr gut veranschaulichen, wie verwundbar die Geschäftsmodelle der Internetkonzerne sind. Facebook erlebte 2022 u.a. durch die Auswirkungen von Apples neuen Datenschutzregeln als auch die Konkurrenz durch Tik Tok einen Kurssturz um bis zu 26 Prozent innerhalb eines Tages. Der Börsenwert sackte um über 230 Milliarden Dollar ab. Das ist der höchste Verlust an Marktkapitalisierung eines Wertes an einem Tag.

Apropos: Meta war mit seinem Metaverse bis neulich noch im Trend. Doch das Thema scheint eher zu verschwinden.

Dr. Konecny: Damit war Zuckerberg wahrscheinlich einfach zu schnell. Starke Trends werden kurzfristig gern überschätzt – auf lange Sicht aber eher unterschätzt. 2023 ist so viel neues rund um die Digitalisierung passiert, da scheint es fast zwangsläufig, dass globale, große Ideen, die momentan noch nicht viel zu bringen scheinen, in den Hintergrund geraten. Aber ich rechne damit, dass sich schon in wenigen Jahren eine neue virtuelle Realität entwickeln wird.

Prof. Dr. Hermann: Es ist eben nicht nur ein „Hype“ um einen Trend. Das Metaverse befindet sich noch in der Entwicklung, aber die Ansätze sind elementar! Fast alle Branchen nutzen Aspekte virtueller Realität schon jetzt – ob wir ein neues Auto konfigurieren wollen, zum „Anprobieren“ neuer Mode einen Avatar benutzen oder uns für dieses Gespräch nicht mehr am Tisch, sondern per Teams in der virtuellen Realität verabredet haben.

Prof. Dr. Kirsten Hermann ist Professorin für Strategie und Unternehmensführung an der SRH Fernhochschule, Studiengangsleiterin Master of Business Administration sowie Studiengangsleiterin Digital Business Management (M.Sc.) und Ansprechpartnerin für eine Vielzahl von Angeboten im Rahmen der SPIEGEL Akademie, des F.A.Z. Bildungsmarktes und der Würth Akademie.

Prof. Dr.-Ing. Stefan Müller ist Professor für Wirtschaftsingenieurwesen und Digitalisierung an der SRH Fernhochschule und Leiter für die Studiengänge des Wirtschaftsingenieurwesens und Business Development sowie Ansprechpartner für die SPIEGEL-Akademie-Zertifikate Industrie 4.0 und Produktion in der digitalen Welt, Digital Business Management und New Business Development kompakt.

Dr. Jaromir Konecny ist Fachdozent für Künstliche Intelligenz an der SRH Fernhochschule, als Schriftsteller und Publizist erfolgreich und steht regelmäßig als Slam-Poet auf der Bühne.

SRH Fernhochschule – The Mobile University

Seit über 25 Jahren setzt sich die unbefristet staatlich anerkannte SRH Fernhochschule – The Mobile University dafür ein, dass Studierende ihren Traum vom Hochschulabschluss in jeder Lebenssituation verwirklichen. Mehr als 150 Mitarbeitende begleiten und unterstützen jedes Jahr fast 10.000 Menschen auf ihrem Bildungsweg. 61 staatlich anerkannte Bachelor- und Master-Studiengänge sowie 85 Hochschulzertifikate im Online-Studium geben schon heute die Antwort auf das, was morgen gefragt ist.  

SRH | Gemeinsam für Bildung und Gesundheit
Als Stiftung mit führenden Angeboten in den Bereichen Bildung und Gesundheit begleiten wir Menschen auf ihren individuellen Lebenswegen.  Unserer Leidenschaft fürs Leben folgend, helfen wir ihnen aktiv bei der Gestaltung ihrer Zukunft, hin zu einem selbstbestimmten Leben. Mit über 17.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und 1,25 Mio. Kunden erwirtschaften wir einen Umsatz von fast 1,3 Mrd. Euro.

Die 1966 gegründete SRH ist eines der größten Bildungs- und Gesundheitsunternehmen Deutschlands mit bundesweit rund 80 Standorten. Sitz der Stiftung ist Heidelberg.

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