Das Projekt im Job mit Bravour über die Bühne gebracht, den Kuchen für die Benefizveranstaltung im Kindergarten gebacken und liebevoll verziert, zwischendrin beim Sport gewesen, frisch gekocht, die Jungs vom Fußball abgeholt, vorgelesen und einschlafbegleitet, bevor man sich am Abend dem Haushalt widmet, während man gleichzeitig einem Wissenspodcast zur persönlichen Weiterbildung konsumiert und parallel via Social Media eine Freundin mit Liebeskummer tröstet. Herrlich, wie man es schafft, so alles unter einen Hut zu bringen, oder?
Niemand kann alles sein – Das Märchen der Vereinbarkeit
„Das ist Stress!“, sagt Master-Absolvent und Life-Coach Gerhard Mandalka. Und weiter: „Niemand kann alles sein. Wenn ich ein ambitionierter Vater sein will, kann ich nicht gleichzeitig Profisportler oder erfolgreicher Unternehmer sein. Eine Balance zwischen Leben und Arbeit finden zu wollen, kann nicht funktionieren, wenn doch die Arbeit zum Leben dazu gehört!“ Der 51-jährige Mandalka studierte an der SRH Fernhochschule erst Wirtschaftspsychologie und legte einen Master in Präventions- und Gesundheitspsychologie nach. Die Unfähigkeit, eine Balance zwischen Leben und Arbeiten zu erzeugen, lässt sich evolutionsbiologisch, hormonell und gesellschaftlich erklären. Mandalka: „Bis vor 200, 300 Jahren hat Stress unser Überleben gesichert. Hormone werden ausgeschüttet, damit wir aktiv werden können. Die Evolution hat dafür gesorgt, dass die Stressanfälligsten überlebt haben. Das bleibt bei uns aktiv. Stress führt uns zu Bestleistungen.“
Zuviel Stress macht krank (und unglücklich)
Ein Zuviel an Stress jedoch macht krank. Psychisches Unwohlsein führt zur Aktivierung von Zuckerspiegel hochtreibenden Hormonen, die körperliche Veränderungen bewirken. Und so kann ein Übermaß an Stress eben auch zu ernsten Erkrankungen führen. Angefangen bei Schlaflosigkeit bis hin zu Herz- Kreislauferkrankungen. Deshalb ist es wichtig, eben jenen Stress regelmäßig abzubauen. Und das funktioniert körperlich durch den Abbau der Hormone viel schneller als gedacht. Psychischen Stress abzubauen, kann da schon schwieriger sein. Doch um das zu tun, braucht es ein gewissen Grundverständnis für die Mechanismen, die überhaupt Stress verursachen. Und im Umkehrschluss: Zu lernen, diese Mechanismen nicht wirken zu lassen, sich selbst den Ausgleich zu (ver)schaffen, den es braucht, um das eigene System wieder runterzufahren. Denn wenn man das dauerhaft nicht schafft, geht ab einem gewissen Punkt gar nichts mehr.
5 Tipps für mehr Zufriedenheit in Arbeit und Privatleben
Das scheint manchen Menschen leichter zu fallen als anderen. Ist das ein Trugschluss oder ist das wirklich so? Wem gelingt denn dieser magische Ausgleich wirklich? Wir fragen Benjamin Jovan Panić, Fachdozent für Psychologie an der SRH Fernhochschule – The Mobile University.
Der Psychologe sagt: „Es gibt keine spezifische Gruppe von Menschen, denen es am besten gelingt, die Work-Life-Balance zu halten. Jeder hat unterschiedliche Verpflichtungen, Prioritäten und Herausforderungen in seinem Leben, die sich auf sein mentales Gleichgewicht auswirken können. Es ist wichtig, individuell zu erkennen, was für einen selbst funktioniert und welche Maßnahmen getroffen werden können, um eine gesunde Balance zu erreichen. Dies kann von Person zu Person variieren und erfordert oft eine bewusste Anstrengung, um die eigenen Bedürfnisse und Verpflichtungen in Einklang zu bringen. Eines steht aber fest: Man sollte die Planung der eigenen Zufriedenheit in eigene Hände nehmen. Die folgenden Denkanstöße können ihnen bei der Realisierung und einer „smarten“ Planung helfen:
- Setzen Sie unbedingt klare Grenzen: Definieren Sie eine feste Arbeitszeit mit produktiven Pausen, um eine klare Trennung zwischen Arbeit und persönlichem Leben zu schaffen. Lassen sie hier nur wenige Ausnahmen zu.
- Priorisieren sie ihre Aufgaben: Identifizieren sie die wichtigsten Aufgaben und Ziele im Beruf und im persönlichen Leben. Die wichtigsten Aufgaben sollten in den Fokus ihrer Aufmerksamkeit gerückt werden und zuerst erledigt werden.
- Delegieren sie Aufgaben: Wenn möglich, delegieren sie Aufgaben an Kollegen oder Familienmitglieder, um den eigenen „Workload“ zu minimieren. Delegieren muss gelernt werden und kann gerade zu Beginn auch auf wenig positive Resonanz in ihrem Umfeld stoßen. Schließlich werden die Menschen in ihrem Umfeld plötzlich mehr tun müssen.
- Routinen schaffen: Die Etablierung fester Routinen für die Arbeitstage und Freizeitaktivitäten helfen eine stabile Struktur und Stabilität in ihren Alltag zu bringen.
- „Selbstpflegerische Tätigkeiten“: Vergessen sie nicht, auf die eigenen körperlichen und mentalen Hinweise zu achten. Gesunder Schlaf, gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung können unsere körpereigenen Batterien schneller wieder aufladen lassen.
Mandalka ergänzt: „Lernen Sie Aufgaben liegen zu lassen. Vieles was wir machen, ist unnötig. Wir sollten akzeptieren, dass unser Tag X Stunden hat und wir nur diese Aufgaben annehmen sollten. Nur wenn unser Körper leistungsfähig ist, kann dieser auch höhere Beanspruchungen gut kompensieren. Trainieren Sie aktiv ihre Belastungsgrenzen im Bereich Belastung und Ruhe. 7 bis 8 Stunden Schlaf, Darmflora unterstützende Ernährung, trainieren sie Ihre körperlichen und geistigen Fähigkeiten durch regelmäßige NEUE Reize.“
Von Baby-Boomern bis Gen Z: War früher vielleicht doch alles besser?
Das Bestreben danach, einen Ausgleich zwischen Arbeit und dem Leben daneben, zu schaffen, scheint in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen zu haben. Welche Ursachen vermuten Sie hinter dem erstarkten Bewusstsein für die eigene Lebenssituation? Panić hat dafür folgende Erklärung: „Für eine größere Herausforderung heute könnte sprechen:
- 1.Technologie: Die ständige Erreichbarkeit durch Smartphones, E-Mails und soziale Medien kann es schwieriger machen, zwischen Arbeitszeit und Freizeit zu unterscheiden. Viele Menschen fühlen sich möglicherweise dazu gedrängt, außerhalb der regulären Arbeitszeiten erreichbar zu sein oder sogar zu arbeiten.
Den Drang danach, schnell auf solche Anfragen zu antworten, erklärt Mandalka folgend: Das geht mit unseren Urbedürfnis nach Gemeinschaft einher. Wir müssen lernen, dass nicht jede Nachricht beantwortet werden muss. Und das Soziale Medien durch die Form Ihrer Nachrichten, die durch kurze Sequenzen permanente Neuorientierung erfordern, uns in einen Stressmodus versetzen. Hier ist das Privatleben für viele Menschen sogar belastender als das Berufsleben.“ - 2.Globalisierung: In einer zunehmend globalisierten Welt können Geschäftszeiten sich über verschiedene Zeitzonen erstrecken, was zu längeren Arbeitszeiten oder unregelmäßigen Arbeitszeiten führen kann, die die Work-Life-Balance beeinträchtigen.
- 3.Flexibilität und Unsicherheit im Arbeitsmarkt: Während flexible Arbeitsarrangements viele Vorteile bieten können, einschließlich einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, können sie auch dazu führen, dass Arbeitnehmer sich schwerer tun, klare Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit zu setzen, insbesondere wenn sie sich in prekären Beschäftigungsverhältnissen befinden.
Früher vs. Heute: Das macht eine gewissen Work-Life-Balance heute leichter
Panic erlätert aufbauend auf seinen vorgenannten Punkten: „Andererseits gibt es auch einige Faktoren, die es heute augenscheinlich leichter machen eine sogenannte Work-Life-Balance zu erreichen. Zum Beispiel:
- 1.Bewusstsein und Betriebskultur: In vielen Unternehmen gibt es ein wachsendes Bewusstsein für die Bedeutung einer ausgewogenen Work-Life-Balance, was zu flexibleren Arbeitszeiten, Homeoffice-Möglichkeiten und anderen Maßnahmen führen kann, um die Lebensqualität der Mitarbeiter zu verbessern.
- 2.Technologische Lösungen: Während Technologie eine Quelle der Ablenkung sein kann, gibt es auch viele Tools und Anwendungen, die Menschen dabei helfen können, ihre Zeit effizienter zu verwalten und Arbeits- und Privatleben besser zu organisieren.
- 3.Selbstfürsorge: Es gibt ein wachsendes Bewusstsein für die Bedeutung von Selbstfürsorge und Work-Life-Balance im Allgemeinen, was dazu führen kann, dass Menschen bewusster Entscheidungen treffen und sich Prioritäten setzen, um ein ausgeglicheneres Leben zu führen.“
Doch was hilft am Ende all dieser Erkenntnisse? Psychologe und Life Coach Mandalka sagt, was es braucht, um den Stress nicht dauerhaft die Überhand gewinnen zu lassen: „Transparenz und Toleranz durch Offenheit. Wir müssen akzeptieren, dass wir gefordert werden müssen. Wir brauchen ein anderes Verständnis für uns und unseren Körper, weil wir nur ein Leben haben!“
Panić ergänzt: „Jeder hat unterschiedliche Prioritäten und Lebensumstände. Was für eine Person als ausgewogene Work-Life-Balance gilt, mag für eine andere Person völlig anders sein. Indem wir die Vielfalt der Lebenswege und Bedürfnisse anerkennen, können wir mehr Toleranz und Akzeptanz für die Entscheidungen anderer zeigen. Insgesamt ist mehr Verständnis untereinander entscheidend, um eine unterstützende und mitfühlende Gemeinschaft aufzubauen, in der jeder die Möglichkeit hat, ein erfülltes und ausgewogenes Leben zu führen. Lasst uns gemeinsam daran arbeiten, uns gegenseitig zu unterstützen und zu ermutigen, damit wir alle glücklicher und gesünder leben können.“