Schnell merkten die beiden Geschäftsmänner, dass die Lederfabrikation „boomte“. Neue Räume mussten her und die - für eine Gerberei unabdingbar - in der Nähe fließenden Wassers. Anfang der 1860er Jahre entstand das Fabrikgebäude in der Rohrstraße.
Bis Ende der 1860er Jahre beherrschten die Lederfabriken in Paris den Weltmarkt auf dem Sektor beim Alaun gegerbten Glanz-Chevreauleders. 1869 mischte sich dann die Konkurrenz aus Offenbach ins Geschäft ein. Ludo Mayer (geboren am 28. April 1845), der Sohn Julius Mayers, hatte sich für längere Zeit in Paris aufgehalten und der Konkurrenz aufs Handwerk geschaut. „Nach Ausbruch des deutsch-französischen Krieges (1870/71; Anm. d. Red.) und der Belagerung der französischen Hauptstadt war das Haus J. Mayer & Sohn die einzige Firma, die in der Lage war, jene begehrte Ledersorte auf den Weltmarkt zu bringen, eine Tatsache, die dem Ruf des Unternehmens sehr dienlich war“, weiß die Offenbacher Zeitung zum 75-jährigen Bestehen der Lederfabrik am 14. Juli 1932 zu schreiben.
In den 1870er Jahren produzierte die Offenbacher Firma 8000 Felle wöchentlich.
1886 trat Josef Feistmann aus der Firma aus, um mit seinen Söhnen eine eigene Lederfabrik zu eröffnen. Ludo Mayer stieg in die Firma seines Vaters mit ein, von diesem Zeitpunkt an hieß die Firma offiziell „J. Mayer & Sohn“. Am 6. April 1887 starb Julius Mayer.
In den 1890er Jahren wurde in Amerika die neuartige Chromgerbung eingeführt, die bis in die 1930er Jahre hinein vorherrschte. In Deutschland führte die Lederfabrik J. Mayer & Sohn diese Gerbungsart ein. Im benachbarten Mühlheim eröffnete Mayer eine Zweigfabrik für Lackleder. Neue Produktionen brauchen mehr Platz: Mayer kaufte immer mehr Hofreiten in der Mainstraße zur Firma dazu, vor allem von 1900 bis 1908. Nach den Plänen von Professor Hugo Eberhardt, Gründer des Deutschen Ledermuseums, wurde 1910/11 in der Mainstraße ein großes Verwaltungsgebäude gebaut.
Am 14. September 1917 starb Ludo Mayer. „Ludo Mayer hat es nicht nur verstanden, auf kommerziellem Gebiete sich einen hervorragenden Namen zu verschaffen, in dem er seine Firma zu den tonangebendsten der Lederbranche in Europa machte, sondern er hat sich auch um unsere Vaterstadt große Verdienste erworben“, schrieb die Offenbacher Zeitung zum 75-jährigen Bestehen der Firma. „Als großer Wohltäter der Armen lebt er im Gedächtnis Vieler weiter“. Wegen seiner Verdienste für Offenbach hatte die Stadt Mayer an dessen 70. Geburtstag (1915) zum Ehrenbürger ernannt. Im Nachruf heißt es: „In schwerster geschäftlicher Arbeit hatte er sich ein sonnig heiteres Gemüt und ein warmes Herz bewahrt, dem es ein Bedürfnis war, Freude und Schönheit um sich zu sehen und zu verbreiten. Es gibt wohl kaum einen gemeinnützigen oder wohltätigen Verein in unserer Stadt, dessen Mitglied er nicht war, es gab keine Sammlung zu einem guten Zweck, der er nicht mit herzlicher Bereitwilligkeit große Summen gab, aber, wie er auch unzähligen Bedrängten in aller Stille mit feinstem Zartgefühl wohlgetan hat, das wissen meist nur die dadurch Beglückten“.
Heute erinnert der Ludo-Mayer-Brunnen im Innenhof der Hochschule für Gestaltung und die Ludo-Mayer-Straße noch an den Lederfabrikanten.
Die Firmengeschäfte übernahm nach Mayers Tod sein Neffe Baron Robert von Hirsch, der die Linie seines Onkels weiterführte. Auch er trat als Sammler und Mäzen auf, bevor er 1933 vor dem Naziregime in die Schweiz flüchtete und emigrierte. Mit Stiftungen und Spenden bemühte er sich um Wohltätigkeits- und kulturelle Einrichtungen, besonders um das Deutsche Ledermuseum.
Zum 100-jährigen Bestehen der Firma schreibt Bürgermeister Kurt Appelmann 1957: „Seit ihrem Bestehen haben sie die Entwicklung der Leder- und Lederwarenindustrie (…) miterlebt. (…) Mit meinem Glückwunsch verbinde ich die Hoffnung, dass Ihre Firma, gestützt auf Ihre Leistungskraft und Ihr kaufmännisches und technisches Können und das in zehn Dezennien erworbene Ansehen und Vertrauen, in einer glücklichen und friedvollen Zukunft auch weiterhin blühen und gedeihen möge“.
Lange sollte Mayer & Sohn aber nicht mehr in Offenbach bleiben: 1968 wird die Firma auf Beschluss der Muttergesellschaft Salamander AG nach Worms verlegt.
„Rationalisierungsüberlegungen veranlassten diesen Beschluss“, hieß es am 23. Juli 1968 in der Offenbach-Post.
1970 wurde dann das Gebäude der Fabrik in der Mainstraße abgerissen. Hier entstand 1972 der Wohnblock „Mainpark“. Ein repräsentativer Torbogen vor dem Gebäude mit vier Symbolfiguren von Gerbern und Zurichtern in Stein blieb zunächst stehen. Doch Ende er 70er Jahre mehrten sich die Stimmen, die den Bogen nicht als Zeugnis der Vergangenheit erhalten sehen wollten. Tatsächlich wurde der Portikus abgerissen. Die Figuren aus Stein blieben erhalten.
Zwei der vier steinernen Männer stehen heute im Rathausfoyer – die beiden anderen sind mittlerweile verschollen.
Im Jahr 2000 sorgten die Herren noch einmal für Diskussionen. Anfänglich waren die vier Herren vor der Gerberei nämlich nackt dargestellt gewesen. Die Offenbacherin Ute Müller erinnerte sich am 21. November 2000 in der Offenbach-Post: „Als Schulmädchen haben wir nur aus dem Augenwinkel hochgeschielt, damit’s die Lehrerin nicht merkte. Nach dem Krieg waren plötzlich die Schürzen da“, so die Offenbacherin des Jahrgangs 1929 damals. Tatsächlich wurden die vier Figuren schamhaft mit Schürzen ausgestattet. Der Offenbacher Julius Englert konnte damals helfen, den Grund für die nachträgliche Einkleidung aufzuklären: „In den 50er Jahren habe der damalige ‚Firmenchef Dr. Brenken’ die Kriegsschäden am Mayer-Hauptgebäude reparieren lassen und entschieden ‚Nachte Gerber gibt es nicht!’“, so die Offenbach-Post.
Heute stehen die beiden erhaltenen Figuren noch immer im Rathaus-Foyer. Die Schürzen wurden ihnen allerdings wieder abgenommen.