Seit langem sehnte sie sich danach, wieder eine "vollständige" Frau zu sein. Sie fühlte sich stets ihrer Weiblichkeit beraubt. Durch andere Leidensgenossinnen wurde sie auf die Operationsmethode des Chirurgen Pierre Foldès aufmerksam. Der Franzose war der erste Chirurg, der die Technik der Klitorisrekonstruktion durchführte. Im Internet machte sich Marie auf die Suche nach dem passenden Arzt. Dabei stieß sie auf den Karlsruher Plastischen Chirurgen Thomas Gohla. Gohla ist Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie sowie für Chirurgie und Handchirurgie und verfügt über eine langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Intimchirurgie. Seit Jahren behandelt er Frauen nach Genitalverstümmelungen. Darüber hinaus betätigt er sich seit 2010 als Konsiliararzt am Städtischen Klinikum Karlsruhe und arbeitet dort eng mit dem Ärzteteam der Frauenklink zusammen. Nach einem ersten Gespräch vereinbarte Gohla in Abstimmung mit Andreas Müller, Direktor der Frauenklinik am Klinikum Karlsruhe, einen Operationstermin in der Frauenklink des Klinikums. Beide waren sich schnell einig, dass sie der 45-Jährigen helfen möchten. Da sie nicht in Deutschland versichert ist, verzichteten beide auf ein Honorar.
Am 22. Oktober war es dann soweit, Marie wurde operiert. "Der Eingriff dauerte knapp eine Stunde und verlief planmäßig. Die Patientin kann voraussichtlich am Freitag wieder nach Hause", berichtete Gohla einen Tag nach dem Eingriff. Den Angaben des Chirurgen zufolge sei die Wundheilung mit der nach einer Geburt vergleichbar und dauere etwa vier bis sechs Wochen. Nach sechs bis zehn Wochen sei ein beschwerdefreier Geschlechtsverkehr möglich.
Laut Gohla führen in Deutschland noch drei weitere Ärzte diesen Eingriff nach der Methode von Pierre Foldès durch. Die Mediziner machen sich dabei zu Nutze, dass die Klitoris zum größten Teil versteckt innerhalb des weiblichen Körpers liegt und bei einer Beschneidung in der Regel nur die äußerste Spitze verstümmelt wird. "Bei der Operation wird die restliche Klitoris geborgen, von Narben befreit und so fixiert, wie es der intakten unbeschnittenen Situation entspricht. Außerdem werden, wenn erforderlich, die äußeren Schamlippen aufgebaut. Durch den Eingriff wird das Aussehen so sehr verbessert, dass für den Laien mit bloßem Auge beinahe kein Unterschied zu einem intakten Genital wahrnehmbar ist", erklärt der Plastische Chirurg. Seinen Erfahrungen zufolge ändert sich dadurch bereits kurz nach der Operation das Körperbewusstsein der Frauen. "Sie haben nicht mehr das Gefühl, als würde der Genitalbereich nicht zum eigenen Körper gehören."
Auch Marie hat bereits einen Tag nach dem Eingriff das Gefühl, wieder ein Stück Weiblichkeit zurückbekommen zu haben. "Ich fühle mich nicht mehr so nackt. Es fühlt sich an, als wäre ich jetzt wieder unversehrt." In ihrer Freude ist es ihr ein wichtiges Anliegen, damit an die Öffentlichkeit zu treten und anderen Frauen Mut zu machen. Auch Andreas Müller und Thomas Gohla ist es wichtig, Frauen mit dieser Operationsmethode ein Stück Lebensqualität zurückzugeben. Abschließend informiert der Klinikdirektor noch, dass die Kosten des Eingriffs in Deutschland nach Abstimmung mit den Krankenkassen für die dort Versicherten übernommen werden.
Hintergrundinformationen
Weltweit betrifft laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO die Genitalbeschneidung rund 140 Millionen Frauen, Kinder ja sogar Säuglinge. Bei der weiblichen Genitalverstümmelung werden meistens die Klitoris und die Klitorisvorhaut zum Teil oder auch ganz entfernt. Häufig werden dazu die kleinen und auch die großen Schamlippen amputiert. In besonders grausamen Fällen werden darüber hinaus die Schamlippen zusammengenäht, sodass lediglich eine kleine Öffnung verbleibt. Die Mädchen sind zum Zeitpunkt des Eingriffs zwischen vier und 14 Jahren alt, der Eingriff wird aber auch bei Neugeborenen oder Frauen entweder vor der Heirat oder nach der Geburt des ersten Kindes vorgenommen. Was es noch viel schlimmer macht: Die Genitalverstümmelungen finden unter denkbar unhygienischen Bedingungen statt. So genannte traditionelle Beschneiderinnen führen den Eingriff ohne Betäubung und mit unsterilen und martialisch anmutenden Instrumenten durch.
Für die betroffenen Mädchen und Frauen ist nicht nur der Eingriff eine äußerst schmerzhafte Tortur, viele leiden ihr Leben lang unter den Konsequenzen des Eingriffs nicht nur körperlich mit z.B. Harnwegsinfektionen sondern auch seelisch mit Angstzuständen oder Depressionen. Unmittelbar nach dem grausamen Eingriff der Genitalverstümmelung drohen lebensgefährliche Infektionen und starke Blutungen. Nicht wenige Mädchen sterben an den Folgen. Es hat auch schwerwiegende Auswirkungen auf das Sexualleben der Frauen. Das Lustempfinden ist stark eingeschränkt und der Geschlechtsverkehr ist schmerzhaft. Wenn die Vagina zudem noch verschlossen wurde, dann müssen die Nähte nach der Heirat oder bei der Geburt eines Kindes wieder aufgetrennt werden, sonst werden Geburt für Mutter und Kind lebensgefährlich.
Der traditionell und kulturell tief verwurzelte Brauch wird nach Angaben des Bundesentwicklungsministeriums vor allem in 28 Ländern Afrikas sowie einigen arabischen und asiatischen Ländern praktiziert, leider gibt es keine genauen Zahlen. Auch wenn man meint, das liegt ja alles so weit weg: Durch die Zuwanderung verschiedener ethnischer Gruppen ist die Genitalverstümmelung auch in Deutschland ein wichtiges Thema. Es betrifft etwa 30.000 Mädchen und Frauen, schätzt Terre de Femmes. Und man vermutet, dass die Genitalverstümmelung bei Mädchen auch in Deutschland stattfindet. In diesen Fällen wird die Beschneiderin von der Familie eingeflogen, um den Eingriff vorzunehmen oder man bringt die Mädchen in ihre Heimatländer zurück.
Quelle Hintergrundinformationen: www.drgohla.com/...