Veranstaltungsort ist der Heinrich-Heine-Platz am Rand der Innenstadt, ein symptomatischer Ort für die wechselvolle bauliche Entwicklung Halberstadts: Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Gründerzeitviertel um den Heinrich-Heine-Platz völlig verschwunden - Raum für die Entwicklung zahlreicher Utopien. In den 1950er Jahren erfolgte dann aber zunächst ein vorsichtiger Wiederaufbau, und in den 70er Jahren dominierte das rationalisierte Bauen in Form von Plattenbauten.
So weist die Gegend um den Heinrich-Heine-Platz heute eine Unentschiedenheit zwischen innerstädtischem und peripherem Charakter auf. Es ist eine zufällige Collage aus Verkehrsanlagen, Grünflächen und einer verstreuten Bebauung. Es ist ein "leerer" Ort, dessen Bedeutung als öffentlicher und lebendiger Raum im Stadtzentrum verloren gegangen ist.
"Stadt(T)räume" gibt den Besuchern die Möglichkeit, durch Freilegen von Schichten und Geschichten den Platz besser wahrzunehmen, ihn zu erkennen und "lesen" zu können. Es geht um die Suche nach Geschichtsspuren, die nicht "Geschichte" geworden sind. Viele der Gebäude um den Heinrich-Heine-Platz sind Fragmente von Visionen, die einander im Laufe der Zeit überholt haben. Die Ausstellungsbesucher können eine Auswahl daraus mit dem tatsächlich Gebauten, aber auch mit ihren eigenen Vorstellungen von einer "Stadt der Zukunft" vergleichen. Als Symbol für den Trainingspfad des Sehens und als "Sehhilfe" dient der orangefarbene Sehring. Er fokussiert den Blick und ist ebenfalls das Leitmotiv der Ausstellungsgestaltung.
Bewusst wurde diese etwas andere Geschichte von Halberstadt, jenseits und abseits des Domplatzes und Domschatzes, ausgewählt, denn sie trifft insbesondere die Lebenswirklichkeit der Nachkriegsgenerationen. Die Ausstellung zeigt, welche Ideen, Planungen und Brüche die Grundlage für die heutige Gestalt des Heinrich-Heine-Platzes waren. Es wird deutlich, wie die Leere an diesem Ort auch als Ergebnis von Visionen oder auch als Utopie selbst verstanden werden kann.
Im Anschluss an die Ausstellungseröffnung findet auf dem Platz ein Filmpicknick statt. Gezeigt werden Filme zum Thema Mensch in der modernen Welt: DDR-Wochenschau, "Der Augenzeuge", 1975; "Playtime", Jacques Tati, 1967; 1000 Jahre Markt, Münz und Zollrecht in Halberstadt, 1989
Termine:
Ausstellungseröffnung und Filmpicknick: Di., 15. Juli 2008, 19.30 Uhr Finissage: Do., 29. Oktober 16.00 Uhr
Ort:
Ehemaliges Einrichtungshaus, Heinrich-Heine-Platz, 38820 Halberstadt
Eine Aktion der Stadt Halberstadt in Kooperation mit dem IBA-Büro. Kurator der Ausstellung "Stadt(T)räume" ist Dr. Martin Peschken, Berlin. Die Ausstellungsgestaltung erfolgte durch das Büro chezweitz & roseapple, Berlin.
Informationen zu Halberstadts IBA-Thema und zum "Trainingspfad des Sehens"
Halberstadt, das auf eine mehr als 1200-jährige Geschichte zurückblickt, hat durch die Zerstörungen des letzten Weltkriegs sein historisches Zentrum zu weiten Teilen verloren. Leere Räume und große Achsen sowie untypische Dichte prägen das Stadtbild. Die Leerstellen können angesichts der rückläufigen Bevölkerungsentwicklung auf absehbare Zeit nicht bebaut werden. Im Rahmen der IBA widmet sich Halberstadt unter dem Titel "Kultivierung der Leere" deshalb sowohl inhaltlich als auch gestalterisch dem offensiven Umgang mit der physischen Leere. Dabei versteht sie Freiflächen als eine Möglichkeit, neue urbane Qualitäten zu schaffen. Künstlerische Interventionen sollen die Bürger anregen, sich mit leeren Orten positiv auseinanderzusetzen.
Mit dem "Trainingspfad des Sehens" bietet Halberstadt den Bürgern eine künstlerische Plattform zur Betrachtung und Wahrnehmung von Leere an. In Zusammenarbeit mit lokalen Partnern und den Bürgern werden an neun Orten Projekte entwickelt, die die spezifischen Situationen von Leere markieren und inszenieren.
Die Ausstellung "Stadt(T)räume" am Heinrich-Heine-Platz ist die 3. Aktion auf dem Trainingspfad. Als erste künstlerische Aktion fand im Frühjahr 2007 das "Vorlesepicknick" am Abtshof statt. Ziel war es, den brachliegenden Abtshof wieder als städtischen Ort ins Bewusstsein der Bürger zu rücken und ihn für eine neue Gestaltung vorzubereiten. Im Herbst 2007 waren die Halberstädter zur Einweihung der Installation "Sehbrücke" am Domhang eingeladen. Noch in diesem Jahr wird als 4. Aktion eine Klanginstallation auf dem Domplatz zur "erhabenen Leere" folgen. Die Stadt Halberstadt, das IBA-Büro und das Büro chezweitz & roseapple entwickelten gemeinsam das Konzept für den "Trainingspfad des Sehens".
Informationen zur IBA Stadtumbau 2010
Die IBA Stadtumbau 2010 wurde im Jahr 2002 ins Leben gerufen. Das Land Sachsen-Anhalt beauftragte die Stiftung Bauhaus Dessau und die Sachsen-Anhaltinische Landesentwicklungsgesellschaft SALEG mit ihrer Vorbereitung und Durchführung, um sich beispielhaft mit den Problemen und Chancen schrumpfender Städte auseinanderzusetzen.
Dabei versteht sich die IBA als ein Labor, in dem unter den Bedingungen des demografischen Wandels verschiedene Werkzeuge des Stadtumbaus exemplarisch erprobt und angewendet werden. Ziel ist es, modellhafte Projekte zu entwickeln, die Zeichen setzen für die internationale Stadtforschung und -gestaltung. Die 19 beteiligten Städte in Sachsen-Anhalt haben sich spezifische Themen zu ihrer Profilierung gewählt. Diese setzen auf die Stärkung und Nutzung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Potenziale und können als Leitlinie der baulich-räumlichen Entwicklung dienen. Gleichzeitig soll das Thema für den Gesamt-prozess relevant und in seinen Ergebnissen auf andere Städte übertragbar sein.