Trichoplax adhaerens ist nur wenige Millimeter groß und in allen warmen Meeren zu Hause. Die Tiere besitzen keine Körperachse, also weder Kopf noch Rumpf. In ihrem abgeflachten, scheibenförmigen Körper finden sich auch keine Gewebe oder Organe. Sie bewegen sich amöbenartig über Steine oder Korallen im seichten Wasser fort, dabei verändern sie fortlaufend ihre Form.
Das Genom von Trichoplax adhaerens ist mit nur 97 Millionen Basenpaaren das kleinste, nicht nachträglich vereinfachte, Genom, das bei Vielzelligen Tieren bekannt ist. Es weist zahlreiche Überraschungen auf: Obwohl Trichoplax weder Sinnes- noch Nervenzellen oder sogar Augen, besitzt, finden sich im Genom ein ganzes Dutzend Opsingene. Diese Gene spielen eine Rolle bei der Lichtwahrnehmung. Vorhanden sind auch eine Vielzahl von sogenannten Achsen- und Symmetrie-Genen, die bei höheren Tieren die Kopf-Schwanz- und Bauch-Rücken-Achse festlegen. Das ist bemerkenswert, da Trichoplax weder Symmetrien noch Körperachsen besitzt. Eine Gruppe von Genen, die sogenannten Antennapedia-Gene, die bei höheren Tieren - vom Regenwurm bis Mensch - die Körpergrundgestalt und die Hauptkörperachse festlegen, konnten ebenfalls im Trichoplax-Genom nachgewiesen werden. "Es wird vermutet, dass eine strukturierte Anordnung der Gene einer Strukturierung des Körpers vorausgegangen ist", berichtet Prof. Dr. Bernd Schierwater, Initiator des Genom-Projekts und Leiter des Instituts für Tierökologie und Zellbiologie der TiHo.
Das Trichoplax-Genom gilt unter den Wissenschaftlern als Modellorganismus für höhere Tiere. "Die neuen Erkenntnisse ermöglichen es, die Evolutionswege Vielzelliger Tiere zurückzuverfolgen. Zu fast jedem Gen lässt sich im Trichoplax-Genom ein Urahn finden", erklärt Prof. Dr. Bernd Schierwater. Durch Vergleiche mit dem Trichoplax-Genom könnten Wissenschaftler beispielsweise Rückschlüsse für die Krebsforschung ziehen. So wurden in Trichoplax fast alle Gene nachgewiesen, die auch beim Menschen das Zellwachstum kontrollieren. An ihnen könnten die grundlegenden Mechanismen der Zellteilung und des programmierten Zelltod untersucht werden. Diese Phänomene, die bei einer Krebsentstehung eine wichtige Rolle spielen, lassen sich an Trichoplax besonders gut untersuchen, da der Organismus lediglich fünf verschiedene Zelltypen besitzt.