Nach dem die Corona-Pandemie für lange Zeit die Möglichkeit nahm, gemeinsame Ausflüge zu unternehmen, konnte die Kreisgruppe Stuttgart der Sudetendeutschen Landsmannschaft nun endlich wieder zu einem Tagesausflug aufbrechen. Ziel der Fahrt, die von Kreisobfrau Waltraud Illner organisiert und geleitet wurde, war das Sudetendeutsche Museum in München, das im Oktober 2020 eröffnet wurde.
Bei sonnigem Wetter in der bayerischen Landeshauptstadt angekommen, wurde die etwa 40-köpfige Reisegruppe von Dr. Raimund Paleczek und Eva Haupt im Sudetendeutschen Museum begrüßt, die die Stuttgarter Sudetendeutschen durch das neue Museum führten.
Das „Sudetendeutsche Museum“ ist das zentrale Museum der deutschsprachigen Bevölkerung in den böhmischen Ländern. Es zeigt auf einer Ausstellungsfläche von 1200 Quadratmeter und über fünf Etagen in einer Dauerausstellung über 1100 Jahre Geschichte, Kunst- und Kulturgeschichte der Sudetendeutschen. Neben der Geschichte der Sudetendeutschen in den böhmischen Ländern vor 1945, beginnend von der Besiedlung der Sudetendeutschen in Böhmen und Mähren und der Heimatlandschaften und Religionsgeschichte über Wirtschaft und Kultur und der Geschichte der Nationalitätenkonflikte, schildert die Ausstellung auch die Katastrophe von Krieg und Vertreibung, den anschließenden mühsamen Neubeginn und die Integration der Sudetendeutschen in den Westen. Dabei veranschaulichen vor allem auch authentische Objekte die Geschichte der Deutschen aus Böhmen, Mähren und Sudetenschlesien und beleuchten so die gemeinsame Heimat in ihren unterschiedlichen Facetten. Als Glanzstück unter den vielen Exponaten gilt dabei das „Böhmerland-Motorrad“, das als längstes Motorrad der Welt bekannt ist und von deren ursprünglich 600 gebauten Exemplaren heute noch etwa 50 bis 60 Motorräder existieren. Aber auch Kunert-Strümpfe, Thonet-Möbel und Gablonzer Modeschmuck zählen zu den Ausstellungsgegenständen, die durch multimediale Einblicke in das Leben der Heimatvertriebenen ergänzt werden. Nicht zuletzt die originalen Erinnerungsstücke von der Vertreibung, die dem Museum von Heimatvertriebenen gestiftet wurden, sorgten bei den Führungen von Dr. Raimund Paleczek und Eva Haupt für emotionale Momente.
Am Ende zeigte sich die Stuttgarter Gruppe von der Ausstellung des neuen Museums sehr beeindruckt, vor allem jene Teilnehmer des Ausflugs, die selbst noch die Vertreibung aus ihrer Heimat miterleben mussten. Bewegt von der Ausstellung des Sudetendeutschen Museums und dem festen Vorhaben, dieses tolle Museum in München nochmals zu besuchen um in aller Ruhe sich der Geschichte der Deutschen in den böhmischen Ländern zu widmen, verließen die Stuttgarter Sudetendeutschen wieder die bayerische Metropole.
Wir vertreten die im Land Baden-Württemberg wohnenden Sudetendeutschen.
Die Nachfahren jener Deutschen, die vor mehr als 800 Jahren in den sogenannten "Böhmischen Ländern", nämlich in Böhmen, Mähren und dem südlichen Teil Schlesiens (diese Länder bilden heute die "Tschechische Republik") ansässig geworden sind, wurden in diesem Jahrhundert unter dem Sammelnamen "Sudetendeutsche" bekannt.
1945/46 wurden 3,2 Millionen von den insgesamt 3,5 Millionen Sudetendeutschen aus ihrer Heimat vertrieben, ihr Eigentum wurde entschädigungslos konfisziert. Konfiskation und Vertreibung waren begleitet von blutigen Exzessen. Grundlage dieser gegen Menschen- und Völkerrecht verstoßenden "ethnischen Säuberung" bildeten Dekrete, die vom damaligen tschechoslowakischen Staatspräsidenten Edvard Beneš erlassen worden waren und die heute noch gültig sind.
Rund 600 000 dieser vertriebenen Sudetendeutschen kamen nach Baden-Württemberg, wo sie sich eine neue Existenz aufbauten und in das wirtschaftliche, gesellschaftliche, kulturelle und politische Leben eingegliedert wurden. Sie fanden sich in zahlreichen Vereinigungen zusammen, deren Grundlage ganz verschiedenartig war: Herkunftsgebiete, politische oder kulturelle Interessen, Freizeitgestaltung, berufliche Gemeinsamkeiten und manches mehr.
Jeder 15. Einwohner Baden-Württembergs ist Sudetendeutscher. Heute gibt es in Europa und Übersee insgesamt rund 3,8 Millionen Sudetendeutsche. Rund 600 000 von ihnen kamen im Zuge der Vertreibung aus ihrer Heimat nach dem 2.Weltkrieg nach Baden-Württemberg. Gemeinsam mit der einheimischen Bevölkerung trugen sie in der Nachkriegszeit zum Wiederaufbau des Landes bei. Durch ihre Stimmabgabe bei der Volksabstimmung 1952 waren sie wesentlich am Zustandekommen des "Südweststaates" beteiligt. Die für Baden-Württemberg kennzeichnende Ausgewogenheit zwischen großen Weltfirmen, Mittel- und Kleinbetrieben hat die wirtschaftliche Eingliederung der Sudetendeutschen und die Gründung neuer Werke und Fabriken durch sudetendeutsche Unternehmer in besonderem Maße erleichtert. Stellvertretend dafür seien genannt die Autofirma Porsche in Stuttgart, die Wiesenthal-Glashütte in Schwäbisch Gmünd, die Aluminium-Hütte Grohmann in Bisingen,die Maschinenfabrik Panhans in Sigmaringen, die Papierwerke Zechel in Reilingen,das Pharmawerk Merckle in Blaubeuren, dazu zahlreiche weitere mittlere und kleinere Betriebe.
27 Städte und Gemeinden Baden-Württembergs übernahmen Patenschaften über sudetendeutsche Kreise, Gemeinden und Landschaften. Insgesamt 24 kulturelle sudetendeutsche Einrichtungen - wissenschaftliche Gesellschaften, Archive, Büchereien, Sammlungen, Heimatstuben - wurden durch eigene Kraft der Sudetendeutschen und mit Hilfe öffentlicher Stellen in Baden-Württemberg aufgebaut.
Aus dem kulturellen Leben des Landes sind manche Namen von Sudetendeutschen nicht mehr wegzudenken, wie z. B. der Bildhauer Prof. Otto H. Hajek, die Tänzerin Birgit Keil, die Komponisten Karl-Michael Komma und Widmar Hader, der weltbekannte Posaunist Armin Rosin, die Dirigenten Wolfgang G. Hofmann und Emmerich Smola, die Malerin Traude Teodorescu-Klein oder der Dichter und Schriftsteller Josef Mühlberger - um nur einige wenige stellvertretend zu nennen.
Das Sudetenland im Vergleich zur Fläche einzelner deutscher Bundesländer
Bayern 70550 km2
Baden-Württemberg 35750 km2
Sudetenland 26500 km2
Hessen 21100 km2
Schleswig-Holstein 15700 km2
Saarland 2600 km2
Die kulturelle Verflechtung der Sudetendeutschen mit den übrigen deutschen Ländern und Landschaften ist seit Jahrhunderten eng und vielgestaltig.
Beispiele sind: Der schwäbische Baumeister Peter Parler aus Schwäbisch Gmünd, der im 14. Jahrhundert u. a. den Veitsdom in Prag erbaute, oder der aus dem Egerland kommende Barockbaumeister Balthasar Neumann, der nicht nur die Würzburger Residenz, sondern z. B. auch berühmte Treppenhäuser in Brühl und Bruchsal schuf. Auch andere Namen, herausgegriffen aus einer großen Zahl, beweisen den lebendigen Anteil, den die Deutschen aus den böhmischen Ländern am geistigen Leben des gesamten deutschen Volkes hatten und haben: Der Komponist Johann Wenzel Stamitz aus Deutsch-Brod beispielsweise, der später in Mannheim wirkte, Vinzenz Prießnitz und Johann Schroth, die großen Naturheiler, der Brünner Abt Gregor Mendel, dessen Vererbungslehre zur Grundlage moderner Genetik wurde, die Friedensnobelpreis-Trägerin Bertha von Suttner, die Dichter Rainer Maria Rilke, Adalbert Stifter, Marie von Ebner-Eschenbach, die Maler Alfred Kubin oder Ferdinand Staeger, aber auch die Bamberger Symphoniker, die nach der Vertreibung aus den "Prager Deutschen Philharmonikern" hervorgegangen waren, oder auch der Schriftsteller Otfried Preußler aus Reichenberg, dessen "Räuber Hotzenplotz" und "Kleine Hexe" heute Millionen Kinder und Erwachsene erfreuen.
Die Organisationen der Sudetendeutschen spiegeln in ihrer Vielfalt und Vielschichtigkeit das Leben und die Interessen der Angehörigen dieser Volksgruppe wider. Im politischen, kulturellen, wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, beruflichen, sozialen und gesellschaftlichen Bereich gibt es sudetendeutsche Zusammenschlüsse, aber auch auf Generationsebene und im Bereich der Freizeitgestaltung.
In Baden-Württemberg gibt es heute 27 größere sudetendeutsche Vereinigungen, von denen viele noch Untergliederungen auf Orts- und Kreisebene haben.
Mehrere sudetendeutsche Zeitschriften werden in Baden-Württemberg herausgegeben, ebenso haben verschiedene sudetendeutsche Stiftungen, Institute und Gesellschaften ihren Sitz in diesem Lande.
Die Sudetendeutschen im Vergleich zur Einwohnerzahl verschiedener Staaten
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