Die Landesvorsitzende des Bundes der Vertriebenen Baden-Württemberg, Stadträtin Iris Ripsam, beließ es jedoch nicht allein mit der Begrüßung der Gäste. Sie forderte in ihren Eingangsworten die Landesregierung von Baden-Württemberg dazu auf, die Kürzung der Mittel für die Kulturförderung wieder zurückzunehmen und das Budget aufzustocken, um die kulturelle Arbeit der Landsmannschaften und Vertriebenenverbände im Land sicherzustellen.
Egon Primas, der auch stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag ist, würdigte dann an der Gedenktafel vor dem Neuen Schloss auf dem Stuttgarter Schlossplatz als diesjähriger Festredner, den 68.Jahrestag der Unterzeichnung der „Charta der deutschen Heimatvertriebenen“ am 5.August 1950 und erinnerte dabei an die grundlegenden Ziele der „Charta“, die neben dem Verzicht auf Rache und Vergeltung, die Unterstützung der Herbeiführung eines freien und geeinten Europas und die Beteiligung am Wiederaufbau Deutschlands und Europas zum Inhalt hatten. Primas setzte sich dabei mit den Fragen und passenden Antworten der Kritiker der Charta auseinander, die meist ideologischen Ursprungs seien und deren Antworten die Leistungen der Vertriebenen herabwürdigen und die Charta in ein negatives Licht rücken sollen. Der CDU-Politiker verdeutlichte dabei in seiner Festrede, dass die Charta der deutschen Heimatvertriebenen Vorbildcharakter habe und eine der größten Leistungen der frühen Nachkriegsgeschichte sei. So hätten die acht Millionen deutschen Heimatvertriebene und Flüchtlinge trotz des erlittenen Unrechts mit dem Verlust ihrer Heimat und den schwierigen Umständen, in denen sie im zerstörten Nachkriegsdeutschland wieder eine neue Heimat finden mussten, in der Charta auf Rache und Vergeltung verzichtet. „Selbstverständlich gibt es kein Recht auf Rache und Vergeltung“, so Egon Primas weiter, „aber der bewusste Ausstieg aus der Eskalationsspirale von Gewalt und Gegengewalt, ist keine Selbstverständlichkeit und eine Leistung mit Vorbildcharakter“. Auch sollten sich die kritischen Fragesteller zur Charta, die sich nicht in die Lebenswirklichkeit, in das schlimme Schicksal und das große Leid der deutschen Heimatvertriebenen und Flüchtlinge einfühlen können oder wollen, die historische Leistung der Charta vor Augen halten, wenn in diesem Dokument bereits zwei Jahre vor Gründung der Europäischen Gemeinschaft das Ziel eines geeinten Europas ausgerufen wird, in dem alle Völker ohne Zwang leben können. Dazu zählt auch der Aufruf zum Wiederaufbau Deutschlands und Europas, dem die deutschen Heimatvertriebenen mit sehr viel Fleiß gefolgt sind und sich damit auch großen Anteil am wirtschaftlichen Aufstieg der Bundesrepublik erarbeitet haben. Nicht zu vergessen das den Heimatvertriebenen sehr am Herzen liegende Recht auf Heimat, dass in der Charta formuliert ist und das angesichts der weltweiten Vertreibungen aktueller denn je ist. Egon Primas verhehlte aber nicht, dass es unter den zahlreichen Leitfiguren der Charta wie Rudolf Lodgman von Auen von der Sudetendeutschen Landsmannschaft oder Linus Kather vom Zentralverband der vertriebenen Deutschen, auch Charta-Unterzeichner mit problematischen Biographien gab. Doch hätten diese Unterzeichner der Charta mit ihrer Unterschrift aus ihrer Vergangenheit wichtige Schlüsse für die Zukunft gezogen. Das Unrecht der Vertreibungen hätte ohne die Verbrechen der Nationalsozialisten niemals so geschehen können, so der Christdemokrat abschließend, doch bedeutet dies keine Rechtfertigung für die Vertreibungen, wie es erst Bundeskanzlerin Angela Merkel beim diesjährigen nationalen Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung erklärt hat.
Mit einem Grußwort der Landesvorsitzenden der Ostpreußen und stellvertretenden Landesvorsitzenden des Bundes der Vertriebenen Baden-Württemberg, Uta Lüttich, in dem sie an Schicksale aus ihrer Familie erinnerte sowie einem Schlusswort des Stuttgarter Kreisvorsitzenden des Bundes der Vertriebenen, Albert Reich vom Bund der Vertriebenen, der zu den 150.000 deutschen Heimatvertriebenen zählt, die die Verkündung der „Charta“ im Hof des zerstörten Neuen Schlosses in Stuttgart erlebten, ging die Feierstunde zu Ende, die mit dem Deutschlandlied ausklang.
Helmut Heisig - UdVF - Stuttgart
Foto: Feierstunde am Jahrestag der Verkündigung der „Charta der deutschen Heimatvertriebenen“ am 5.August 2018:
V.l.n.r. : der Stuttgarter Kreisvorsitzende des BdV, Albert Reich, SL-Bundesfrauenreferentin Gerda Ott, Dr. Stefan Kaufmann MdB (CDU), der ehemalige Landesvorsitzende der Deutsch-Balten, Wilfried Braun, Regionalrat a.D. Hans-Werner Carlhoff (CDU), Konrad Epple MdL(CDU), Festredner Egon Primas MdL (CDU), CDU-Alt-Stadträtin Bärbel Häring, der stellvertretende Vorsitzende der OMV, Christoph Zalder, die ehemalige Ordinariatsrätin Therese Wieland, Erika Reinhardt MdB a.D. (CDU), UdVF-Landesvorstandsmitglied Reinhold Frank, der Landesgeschäftsführer des BdV Baden-Württemberg, Hartmut Liebscher, die UdVF-Landesvorsitzende, Stadträtin Iris Ripsam (CDU), UdVF-Landesvorstandsmitglied Dr. Karin Eckert und die Kreisobfrau der Sudetendeutschen Landsmannschaft Stuttgart, Waltraud Illner.
Foto: Andreas Züfle