Bernd Posselt, Bundesvorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft und Sprecher der sudetendeutschen Volksgruppe, hätte seine Freude gehabt. Vormittags sprach er als Ehrengast der diesjährigen Landesversammlung in Stuttgart noch darüber, dass es eine der wichtigsten Aufgaben der Landsmannschaft sei (junge) Menschen zu suchen, zu finden und an die Sache der Sudetendeutschen heranzuführen. Ein weiterer Schwerpunkt der landsmannschaftlichen Arbeit sei es die gemeinsame Geschichte von Böhmen und Deutschen aufzubereiten, sowie die sudetendeutsche Kultur weiterzuentwickeln. Dies betonte er besonders, denn nicht allein das Bewahren der sudetendeutschen Kultur, sondern das Weiterentwickeln und in die Zukunft tragen, seien wichtige Säulen der landsmannschaftlichen Arbeit. Zuletzt ging er in seiner Rede darauf ein, dass das vor sieben Jahrzehnten erlittene Unrecht wiedergutzumachen sei. Die Satzungsänderung hätte jetzt die Möglichkeit geschaffen, Wiedergutmachung in einer angemessenen Form zu diskutieren. Er wiederholte einmal mehr, dass mit der Satzungsänderung keinerlei Ansprüche aufgegeben wurden, sondern das Recht auf die Heimat und das Selbstbestimmungsrecht der Völker weiter hin zu den Zielen der Landsmannschaft gehöre. Auf eine Frage zu den Benesch-Dekreten, antwortete er, dass die betreffenden Dekrete abgeschafft gehören und sich die Landsmannschaft weiterhin dafür einsetzen werde, diese aus der Welt zu schaffen.
Bei der nachmittags stattfindenden Landesversammlung gab es turnusmäßig Neuwahlen.
Klaus Hoffmann erläuterte den anwesenden Delegierten der Kreisgruppen zunächst die Arbeit des Landesvorstands der letzten Monate. Danach führte der Vorsitzende der Landesversammlung gewohnt souverän durch die weitere Tagesordnung.
Zum neuen Landesvorstand wurden gewählt:
Landesobmann, Klaus Hoffmann
Stv. Landesobfrau, Waltraud Illner
Stv. Landesobmann, Peter Kainz
Schriftführerin, Regine Löffler-Klemsche
Vermögensverwalterin, Helga Löffler
Beisitzer: Christian Lueger, Albert Reich, Ilse von Freyburg und Christoph Zalder
Zum Vorsitzenden der Landesversammlung wurde wieder Jürgen Ginzel gewählt.
Damit gehören dem neuen Landesvorstand fünf Mitglieder an, die nach 1950 geboren wurden.
Foto: W. Illner
v.l.n.r: H. Löffler, R. Löffler-Klemsche, A. Reich, I. von Freyburg, K. Hoffmann, W. Illner, J. Ginzel, P. Kainz, C. Lueger (es fehlt C. Zalder)
Wir vertreten die im Land Baden-Württemberg wohnenden Sudetendeutschen.
Die Nachfahren jener Deutschen, die vor mehr als 800 Jahren in den sogenannten "Böhmischen Ländern", nämlich in Böhmen, Mähren und dem südlichen Teil Schlesiens (diese Länder bilden heute die "Tschechische Republik") ansässig geworden sind, wurden in diesem Jahrhundert unter dem Sammelnamen "Sudetendeutsche" bekannt.
1945/46 wurden 3,2 Millionen von den insgesamt 3,5 Millionen Sudetendeutschen aus ihrer Heimat vertrieben, ihr Eigentum wurde entschädigungslos konfisziert. Konfiskation und Vertreibung waren begleitet von blutigen Exzessen. Grundlage dieser gegen Menschen- und Völkerrecht verstoßenden "ethnischen Säuberung" bildeten Dekrete, die vom damaligen tschechoslowakischen Staatspräsidenten Edvard Beneš erlassen worden waren und die heute noch gültig sind.
Rund 600 000 dieser vertriebenen Sudetendeutschen kamen nach Baden-Württemberg, wo sie sich eine neue Existenz aufbauten und in das wirtschaftliche, gesellschaftliche, kulturelle und politische Leben eingegliedert wurden. Sie fanden sich in zahlreichen Vereinigungen zusammen, deren Grundlage ganz verschiedenartig war: Herkunftsgebiete, politische oder kulturelle Interessen, Freizeitgestaltung, berufliche Gemeinsamkeiten und manches mehr.
Jeder 15. Einwohner Baden-Württembergs ist Sudetendeutscher. Heute gibt es in Europa und Übersee insgesamt rund 3,8 Millionen Sudetendeutsche. Rund 600 000 von ihnen kamen im Zuge der Vertreibung aus ihrer Heimat nach dem 2.Weltkrieg nach Baden-Württemberg. Gemeinsam mit der einheimischen Bevölkerung trugen sie in der Nachkriegszeit zum Wiederaufbau des Landes bei. Durch ihre Stimmabgabe bei der Volksabstimmung 1952 waren sie wesentlich am Zustandekommen des "Südweststaates" beteiligt. Die für Baden-Württemberg kennzeichnende Ausgewogenheit zwischen großen Weltfirmen, Mittel- und Kleinbetrieben hat die wirtschaftliche Eingliederung der Sudetendeutschen und die Gründung neuer Werke und Fabriken durch sudetendeutsche Unternehmer in besonderem Maße erleichtert. Stellvertretend dafür seien genannt die Autofirma Porsche in Stuttgart, die Wiesenthal-Glashütte in Schwäbisch Gmünd, die Aluminium-Hütte Grohmann in Bisingen,die Maschinenfabrik Panhans in Sigmaringen, die Papierwerke Zechel in Reilingen,das Pharmawerk Merckle in Blaubeuren, dazu zahlreiche weitere mittlere und kleinere Betriebe.
27 Städte und Gemeinden Baden-Württembergs übernahmen Patenschaften über sudetendeutsche Kreise, Gemeinden und Landschaften. Insgesamt 24 kulturelle sudetendeutsche Einrichtungen - wissenschaftliche Gesellschaften, Archive, Büchereien, Sammlungen, Heimatstuben - wurden durch eigene Kraft der Sudetendeutschen und mit Hilfe öffentlicher Stellen in Baden-Württemberg aufgebaut.
Aus dem kulturellen Leben des Landes sind manche Namen von Sudetendeutschen nicht mehr wegzudenken, wie z. B. der Bildhauer Prof. Otto H. Hajek, die Tänzerin Birgit Keil, die Komponisten Karl-Michael Komma und Widmar Hader, der weltbekannte Posaunist Armin Rosin, die Dirigenten Wolfgang G. Hofmann und Emmerich Smola, die Malerin Traude Teodorescu-Klein oder der Dichter und Schriftsteller Josef Mühlberger - um nur einige wenige stellvertretend zu nennen.
Das Sudetenland im Vergleich zur Fläche einzelner deutscher Bundesländer
Bayern 70550 km2
Baden-Württemberg 35750 km2
Sudetenland 26500 km2
Hessen 21100 km2
Schleswig-Holstein 15700 km2
Saarland 2600 km2
Die kulturelle Verflechtung der Sudetendeutschen mit den übrigen deutschen Ländern und Landschaften ist seit Jahrhunderten eng und vielgestaltig.
Beispiele sind: Der schwäbische Baumeister Peter Parler aus Schwäbisch Gmünd, der im 14. Jahrhundert u. a. den Veitsdom in Prag erbaute, oder der aus dem Egerland kommende Barockbaumeister Balthasar Neumann, der nicht nur die Würzburger Residenz, sondern z. B. auch berühmte Treppenhäuser in Brühl und Bruchsal schuf. Auch andere Namen, herausgegriffen aus einer großen Zahl, beweisen den lebendigen Anteil, den die Deutschen aus den böhmischen Ländern am geistigen Leben des gesamten deutschen Volkes hatten und haben: Der Komponist Johann Wenzel Stamitz aus Deutsch-Brod beispielsweise, der später in Mannheim wirkte, Vinzenz Prießnitz und Johann Schroth, die großen Naturheiler, der Brünner Abt Gregor Mendel, dessen Vererbungslehre zur Grundlage moderner Genetik wurde, die Friedensnobelpreis-Trägerin Bertha von Suttner, die Dichter Rainer Maria Rilke, Adalbert Stifter, Marie von Ebner-Eschenbach, die Maler Alfred Kubin oder Ferdinand Staeger, aber auch die Bamberger Symphoniker, die nach der Vertreibung aus den "Prager Deutschen Philharmonikern" hervorgegangen waren, oder auch der Schriftsteller Otfried Preußler aus Reichenberg, dessen "Räuber Hotzenplotz" und "Kleine Hexe" heute Millionen Kinder und Erwachsene erfreuen.
Die Organisationen der Sudetendeutschen spiegeln in ihrer Vielfalt und Vielschichtigkeit das Leben und die Interessen der Angehörigen dieser Volksgruppe wider. Im politischen, kulturellen, wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, beruflichen, sozialen und gesellschaftlichen Bereich gibt es sudetendeutsche Zusammenschlüsse, aber auch auf Generationsebene und im Bereich der Freizeitgestaltung.
In Baden-Württemberg gibt es heute 27 größere sudetendeutsche Vereinigungen, von denen viele noch Untergliederungen auf Orts- und Kreisebene haben.
Mehrere sudetendeutsche Zeitschriften werden in Baden-Württemberg herausgegeben, ebenso haben verschiedene sudetendeutsche Stiftungen, Institute und Gesellschaften ihren Sitz in diesem Lande.
Die Sudetendeutschen im Vergleich zur Einwohnerzahl verschiedener Staaten
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