Bevor Bernd Posselt den 66.Jahrestag der Unterzeichnung der „Charta der deutschen Heimatvertriebenen“ würdigen konnte, ging die Landes-und Kreisvorsitzende der Union der Vertriebenen und Flüchtlinge, die Bundestagsabgeordnete und Stadträtin, Iris Ripsam, zunächst auf die aktuelle Flüchtlingspolitik in Deutschland ein und bat die baden-württembergische Landesregierung über die Personalie des Amtes des Landesbeauftragten für Vertriebene, Flüchtlinge und Aussiedler endlich zu entscheiden.
Bernd Posselt, ehemaliger Europaabgeordneter der CSU und Präsident der Paneuropa-Union Deutschland , erinnerte in seiner Festrede zunächst an den 70.Jahrestag der Vertreibung, musste doch die größte Masse der deutschen Heimatvertriebenen im Jahre 1946 Haus und Hof verlassen. Auch dürfe man die Begriffe Flucht und Vertreibung nicht vermischen, gab es doch Menschen, die deportiert wurden und solche, die geflohen sind, aber dann doch auch zu Vertriebenen wurden, weil sie nach ihrer Flucht nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren konnten. Bernd Posselt machte an dieser Stelle noch einmal deutlich, dass die Vertreibung ein eiskalt geplantes Nachkriegsverbrechen war und nicht als automatische Folge der NS-Verbrechen angesehen werden darf. „Man kann ein Verbrechen nicht durch ein anderes Verbrechen relativieren“, sagte der Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe weiter, „Vertreibung wird immer ein Verbrechen bleiben“. Deshalb sei die „Charta der deutschen Heimatvertriebenen“ vom 5.August 1950 eine einzigartige Friedenserklärung, mit der die Heimatvertriebenen, trotz der noch frischen Erinnerungen an das widerfahrene Leid und Unrecht der Vertreibung, “im Bewusstsein ihrer Verantwortung vor Gott und den Menschen auf Rache und Vergeltung verzichtet haben und bereit waren zur Schaffung eines geeinten Europa und zur Teilnahme am Wiederaufbau Deutschlands und Europas“. Der CSU-Politiker betonte in diesem Zusammenhang auch, dass es noch nie ein Recht auf Rache gegeben hätte und es auch künftig ein solches Recht niemals geben werde. Posselt unterstrich dabei die bahnbrechenden Visionen, die die deutschen Heimatvertriebenen mit der „Charta“ bereits vor 66 Jahren formuliert hätten, weshalb der ehemalige bayerische Ministerpräsident und Schirmherr der Sudetendeutschen, Franz-Josef Strauß, einmal sagte, dass die deutschen Heimatvertriebenen eigentlich den Friedensnobelpreis verdient hätten.
Als Bundesvorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft, schilderte Bernd Posselt auch die Bemühungen im Rahmen der Verständigungsarbeit mit Tschechien, die erst nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ im Jahre 1989 so richtig Fahrt aufnehmen konnten. Dabei setze man auf die Volksdiplomatie der deutschen Heimatvertriebenen, wo Heimatgliederungen und –verbände hüben wie drüben von unten her unermüdlich daran arbeiten, starre Fronten aufzubrechen und die positiven Signale einer Veränderung, die es schon gibt, weiter auszubauen. Ein Höhepunkt der Verständigung zwischen Sudetendeutschen und Tschechen, sei dabei der diesjährige Besuch und die Rede des tschechischen Kulturministers Daniel Herman auf dem Sudetendeutschen Tag in Nürnberg gewesen, mit dem erstmals ein Vertreter einer tschechischen Regierung auf dem alljährlichen Vertriebenentreffen sprach und dessen Entschuldigung namens der tschechischen Regierung für die menschenverachtende Vertreibung der Sudetendeutschen und der Anwendung der ungerechten Kollektivschuld Festredner Bernd Posselt als einen historischen Moment bezeichnete, auf den die Sudetendeutschen schon seit Jahrzehnten hinarbeiteten.
Bernd Posselt beleuchtete in seiner Ansprache natürlich auch die aktuelle Flüchtlingspolitik und sagte, dass die Vertreibung der deutschen Heimatvertriebenen mit der Flucht der Menschen in heutiger Zeit zwar vergleichbar, doch nicht gleichzusetzen sei. So verbänden die Vertriebenen von damals mit den Flüchtlingen von heute zwar, dass sie aus ihren Ländern verjagt wurden beziehungsweise werden, weil sie in irgendeinem Punkt anders sind, wie es sich die Machthaber beziehungsweise Vertreiber vorstellten, der Unterschied zum Jahre 1946 sei jedoch, dass mit den deutschen Heimatvertriebenen deutschsprachige Mitteleuropäer christlichen Glaubens in ein damals zerstörtes Restdeutschland kamen, in dem kulturell betrachtet eben vieles ähnlich war wie in ihrer Heimat. Überhaupt, so Posselt weiter, würde in der Flüchtlingsdebatte viel zu wenig das Schicksal der Vertreibung der orientalischen Christen Erwähnung finden. In diesem Zusammenhang erinnerte der Bundesvorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft auch daran, dass das Recht auf Heimat ein elementares Menschenrecht sei und mahnte am Ende seiner Festrede „Wer die Vertreibung vor 70 Jahren vergessen machen möchte, der macht sich zum Mittäter an den Vertreibungen der heutigen Zeit“.
Zum Abschluss schilderte der Kreisvorsitzenden des Bundes der Vertriebenen, Albert Reich, noch die besondere Stimmung bei der Verkündung der „Charta“ im Hof des zerstörten Neuen Schlosses in Stuttgart, die er zusammen mit seinem Vater erlebte und erzählte von seiner ersten Begegnung mit der Familie Posselt in Karlsruhe, als er Festredner Bernd Posselt schon als kleinen Jungen kennenlernte.
Für den Landesobmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Klaus Hoffmann, ist die Charta der deutschen Heimatvertriebenen Richtschnur und Wegweiser für die Heimatarbeit. Er ergänzt „ Mit Weitsicht haben die Verfasser der Charta gehandelt. Die Sudetendeutschen und alle deutschen Heimatvertriebenen haben zur Durchsetzung ihrer Anliegen bis heute nie Gewalt angewandt. Die Charta wird zu Recht als Grundgesetz der deutschen Heimatvertriebenen betrachtet.“
Quelle: UdVF Stuttgart
Fototexte :
Feierstunde zur Erinnerung an die "Charta der deutschen Heimatvertriebenen" auf dem Stuttgarter Schlossplatz am 5.August 2016:
Foto 1 : Der Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe und Bundesvorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Bernd Posselt, sprach die Festrede bei der „Charta“-Feier der UdVF-Stuttgart am 5.August 2016 auf dem „Schlossplatz“ in Stuttgart.
Foto 2 : Feierstunde am Jahrestag der Verkündigung der „Charta der deutschen Heimatvertriebenen“ am 5.August 2016:
V.l.n.r. : die CDU- Landtagsabgeordneten Konrad Epple und Raimund Haser, der Vorsitzende der Sing-, Tanz- und Spielkreise
in Baden-Württemberg, Reinhold Frank (leicht verdeckt), Regionalrat a.D. Hans-Werner Carlhoff, der stellvertretende Landesvorsitzende des Bundes der Vertriebenen Baden-Württemberg, Hartmut Liebscher, Festredner Bernd Posselt, Alt-Stadträtin Bärbel Häring, die Stuttgarter SL-Kreisobfrau Waltraud Illner, UdVF-Landes-und Kreisvorsitzende, Stadträtin Iris Ripsam MdB, SL-Landesobmann Klaus Hoffmann und der Sprecher der Südmährer, Franz Longin.
Fotos: Helmut Heisig