Er ist ein unterschätzter Riese der deutschen Wirtschaft, der selbstständige Handelsvertreter nach § 84 Handelsgesetzbuch. Laut Statistiken gab es bereits 2010 hierzulande rund 60.000 solcher Handelsvertreter mit etwa 200.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von um die fünf Milliarden Euro – Tendenz seither: stark steigend. Ihre Tätigkeiten erstrecken sich über alle Branchen, Handelsvertreter sind die Vertriebspartner von Unternehmen „an der Front“, die für die Vermarktung der Produkte bei Geschäfts- und Privatkunden sorgen.
Und so ist es auch nicht selten, dass in Hotellerie und Gastronomie freie Handelsvertreter eingesetzt werden. Sie fungieren als Kontakter auf Messen, als Verkäufer von Tagungsangeboten, Firmenkontingenten oder auch Veranstaltungsformaten etc. und verhelfen Gastronomen und Hoteliers so zu Neugeschäft.
Das klingt prima: Freie Handelsvertreter schaffen Aufträge und damit Umsatz heran und werden daran mit einem fest vereinbarten Prozentsatz beteiligt. Und wenn kein Geschäft hereinkommt, wird auch nichts gezahlt, und Sozialversicherungsbeiträge werden ohnehin nicht fällig. Aber so einfach ist es nicht, denn gerade die Beendigung einer Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und selbstständigen Handelsvertretern führt in der Praxis regelmäßig zu Problemen.
Wir nehmen an, ein freier Handelsvertreter ist für eine Hotelgruppe für die Akquise von Businessgästen zuständig, sowohl für den Tagungsbereich als auch für die Übernachtungen. Im Laufe der Jahre hat die Hotelgruppe damit eine ganze Reihe an Kunden gewonnen, die regelmäßig in den Häusern zu Gast sind; dafür erhält der Handelsvertreter auch Jahr für Jahr eine Bestandsprovision.
Nun trennen sich Unternehmen und Handelsvertreter auf Betreiben des Auftraggebers – was passiert dann? Die Hotelgruppe profitiert natürlich weiterhin von den Kunden, die der Handelsvertreter akquiriert hat, aber für den Selbstständigen fallen freilich keine weiteren Bestandsprovisionen an. Er profitiert nicht mehr von seiner Arbeit – insofern steht ihm ein Ausgleich zu.
Der Gesetzgeber hat für HGB-Handelsvertreter jedoch einen Sicherungsmechanismus geschaffen. Und der heißt Ausgleichsanspruch. In § 89b Handelsgesetzbuch wird dieser geregelt:
Der Handelsvertreter kann von dem Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit
- der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat und
- die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht.
Der Ausgleich beträgt höchstens eine nach dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre der Tätigkeit des Handelsvertreters berechnete Jahresprovision oder sonstige Jahresvergütung; bei kürzerer Dauer des Vertragsverhältnisses ist der Durchschnitt während der Dauer der Tätigkeit maßgebend.
Das heißt konkret, dass Hoteliers und Gastronomen für den Fall, dass sie freie Handelsvertreter beauftragen und sich irgendwann von ihnen trennen wollen, in der Regel zu Zahlungen verpflichtet sind. Die Berechnung ist aber nicht ganz einfach: Während der Handelsvertreter natürlich sehr große Ansprüche hat, sind Unternehmer bemüht, diese so klein wie möglich zu rechnen. Deshalb ist der auf Vertriebs- und Handelsvertreterrecht spezialisierte Rechtsanwalt gefordert, die notwendigen Daten aufzuarbeiten und den gesamten Prozess zu begleiten, von der ersten Berechnung bis zum Abschluss einer möglichen Gerichtsverhandlung – denn oft enden diese Streitigkeiten vor dem Richter.
Quelle:
http://pregas.de/...
Über den Gastautor:
Tim Banerjee ist Rechtsanwalt und namensgebender Partner bei Banerjee & Kollegen, einer Sozietät von Rechtsanwälten in Mönchengladbach, die sich auf die umfassende zivil- und wirtschaftsrechtliche Beratung und Begleitung von Mandanten spezialisiert hat. Weitere Informationen unter www.banerjee-kollegen.de.