„Bei unserer Entwicklungsarbeit waren wir zu Anfang auf einige feste Bereiche der Inklusion von blinden und sehgeschädigten Menschen fokussiert,“ so Goldbach, „der initiale Anstoß lag in dem Gedanken, Bilder Grafiken, Gemälde, das Zusammenspiel von Farben und Formen auf den Tastsinn zu übertragen und über das Fühlen ein tieferes Verständnis dafür zu vermitteln. In der Zusammenarbeit mit den Schülerinnen des LFS sowie in Gesprächen mit dem Verband für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik VBS und Herstellern von taktilen Medien zeigte sich auch schnell das Potential unseres taktilen Farbkompasses für ein schnelles und nachhaltiges Lernen.“
Von ersten Berührungspunkten bis zum breitgefächerten Anwendungsspektrum
Sylvia Goldbach ist CEO und Designerin der Taktilesdesign GmbH. In ihrer Tätigkeit hat sie umfassendes Know-how in additiver Fertigung und Oberflächentexturen aufgebaut und verfügt über das technologische Equipment, um Ideen Form zu verleihen. Eric Bahr, Geschäftsführer der kineticworks GmbH, ist erfahrener Experte in der Herstellung von Bildungsmitteln, wie etwa physikalische Modelle im 3D-Druckverfahren und Wasserstofftechnologie.
Ein Zusammentreffen zwischen Goldbach und Bahr im Februar 2020 gab den entscheidenden Anstoß für ihre gemeinsame, ein Jahr später formgewordene Entwicklung: den taktilen Farbkompass, der elf deutlich unterscheidbare haptische Strukturen ähnlich einem Farbkreis unseren elf gebräuchlichsten Farben zuordnet. Diese sogenannten Texturen – gedruckt in harten und weichen Materialien – können verwendet werden, um 3D-Grafiken oder Modelle darzustellen. Im weiteren Sinne eröffnen sich damit Möglichkeiten, bildliche Kunst fühlbar zu machen oder die Orientierung anhand von Gegenständen mit wiedererkennbaren Oberflächen zu erleichtern.
Bahr und Goldbach stehen seit Beginn ihrer Entwicklungsarbeit in enger Zusammenarbeit mit dem Landesförderzentrum Schleswig (LFS). Im ständigen Erfahrungsaustausch mit Blindenpädagoginnen sowie Schülerinnen des LFS konnte der Farbkompass im höchsten Maße intuitiv und aus der Praxis heraus entwickelt werden.
Darüber hinaus seien auch Mobilität und Orientierung bei blinden und sehgeschädigten Menschen sehr relevante Aspekte, in denen der taktile Farbkompass neue Leitlinien definieren könne. Somit spielte es den beiden Entwicklern sprichwörtlich in die Hände, dass die neue DIN-Norm für barrierefreie Gestaltung im öffentlichen Raum überarbeitet wurde. Durch eine leichte Modifizierung der DIN 32989 durch die Entwickler in der Einspruchsphase ist die Nutzung differenzierter taktiler Gestaltungen von Flächen in die Normgebung möglich.
Der finale Farbkompass: Zuverlässiges Instrument, vielfältig einsatzbereit
Nachdem der taktile Farbkompass bereits im Jahr 2020 zwei Auszeichnungen erhalten hat, arbeitet das Team von TAKTILES im Frühjahr 2021 weiter am praktischen Einsatz seines Navigationssystems. Durch die Weiterentwicklung von 3D-Druck-Technologien, von Software, Materialien, aber auch durch die intensive Netzwerkarbeit von TAKTILES mit Anwendern sei eine stetige, positive Entwicklung zu verzeichnen. „Wir haben ein breites Spektrum der Qualität und Vielfalt zur Verfügung. Digitaler Farbdruck kombiniert mit Druckveredelung in Form von Reliefs kann auf vielen Materialien wie Metall, Glas, Kunststoffen, Folien, Holz oder Stein angewendet werden“, beschreibt Goldbach die Vielzahl der Möglichkeiten.
Der taktile Farbkompass könnte die Möglichkeiten der Inklusion blinder und sehgeschädigter Menschen revolutionieren. Insbesondere in den Bereichen Kunst, Kultur und Design, Mobilität und Orientierung sowie Bildung im weitesten Sinne sehen die kreativen und konstruktiven Köpfe hinter Taktilesdesign die prädestinierten Einsatzzwecke ihrer Entwicklung. Der tatsächliche Nutzen liege dabei perspektivisch auf einem noch viel weiteren Horizont, sagen Sylvia Goldbach und Eric Bahr über ihr haptisches Navigationssystem.
Weitsicht mit Fingerspitzengefühl: Perspektiven zum taktilen Farbkompass
Als reines Instrument der Inklusion muss der taktile Farbkompass nicht betrachtet werden. Auch im umgekehrten Sinne könne er sehenden Menschen helfen, ihren Tastsinn zu schulen und die Wahrnehmung von Objekten in unserer Umwelt zu erweitern. „Es kommt vor, dass wir Menschen unseren Farbkompass präsentieren und bei ihnen Ideen und Impulse zur möglichen Nutzung aufkommen, an die wir selbst zuvor nicht gedacht hatten“, beschreiben Goldbach und Bahr, und geben damit ein gutes Beispiel für die Vielfalt und das Potential ihres Konzeptes.
In diesem Zusammenhang betonen sie auch die hochwertigen Material- und individuellen Fertigungseigenschaften des Instruments. Einige verwendete Materialien seien auch für den Außeneinsatz vorgesehen, zudem können individuelle Anpassungen, Vervielfältigungen sowie Veredelungen und Aufwertungen vorgenommen werden. Dabei handelt es sich um Eigenschaften und Optionen, die dem Kern von TAKTILES entspringen und auch in weiteren Bereichen wie 3D-Druck-Bauteile und Prototyp-Fertigung zum Einsatz kommen.
Fortschritt durch Kontakte
Im Sinne der zentralen Aspekte des taktilen Farbkompasses, ein multifunktionales Instrument der Inklusion zu bilden, möchten die Entwickler in erster Linie Bildungs-, Förder- und Medienzentren sowie Pflegeeinrichtungen adressieren. Eine Website mit barrierefreien Eigenschaften ist bereits als Visitenkarte des Farbkompasses für Interessierte erreichbar. Unter der Adresse https://taktiles.de werden Funktion, Wirkung, Materialien und Einsatzzwecke veranschaulicht.
Auf Basis dieser Entwicklung und mit der technischen Infrastruktur steht das Taktiles Team auch für individuelle Dienstleistungen flexibel zur Verfügung. „Aus langjähriger Vorerfahrung durch die Arbeit mit industriellen Kunden wie auch aus neuen Erkenntnissen aus der Farbkompass-Entwicklung können wir in vielen Bereichen unser Potential einsetzen. In industriellem 3D-Druck mit fundiertem technologischem Hintergrund, der Aufwertung von Prototypen, Beschriftung oder Druckveredelungen sind wir gerne zuverlässige Ansprechpartner.“