Lockdown, hohe Energiepreise oder Cyberangriff: auch Kultureinrichtungen stehen vor wirtschaftlichen Situationen, auf die sie in hohem Tempo reagieren müssen. In Industrieunternehmen sind für diese Fälle Controlling-Instrumente fester Bestandteil der Unternehmensführung. Prof. Dr. Nils Balke und sein Kollege Navid Azarafroz arbeiten seit einem Jahr daran, gemeinsam mit Kultureinrichtungen zu analysieren, wie sie bisher die wirtschaftliche Entwicklung steuern und wie Controlling-Instrumente aus Unternehmen für Kultureinrichtungen spezifisch angepasst werden können.
„Es bringt nichts, die bestehenden Vorgehensweisen aus Industrieunternehmen einfach eins zu eins auf den Kulturbetrieb anzuwenden“, sagt der Professor für Controlling. „Deshalb haben wir uns im ersten Schritt genau angeschaut, wie die Kultureinrichtungen arbeiten und zum B Planungen und Berichte erstellen. Im zweiten Schritt haben wir gemeinsam eine Vorgehensweise erarbeitet, wie die wirtschaftlichen Instrumente aus der Industrie in der Kultureinrichtung umgesetzt beziehungsweise wie die in der Kultureinrichtung bestehenden Instrumente weiterentwickelt werden können.“
Das erste Pilotprojekt führen die Wissenschaftler mit dem Europäischen Hansemuseum in Lübeck durch. Die Direktorin des Museums, Dr. Felicia Sternfeld, zieht eine erste positive Bilanz: „Wir freuen uns sehr, dass wir von der ersten Stunde an Teil dieses Projekts sind. In Interviews und Workshops haben wir erarbeitet, wie wir unser Museum noch professioneller steuern können.“
Immer mit dabei: Navid Azarafroz, Projektmitarbeiter von Prof. Balke. „Besonders gutes Feedback gab es in Punkto Berichtswesen. Zusammen mit der Assistenz der Geschäftsführung, Kristin Fechner, haben wir ein Berichtsformat entwickelt, das aus aussagekräftigen Grafiken besteht. Dies hilft dabei, die Entwicklung in jedem Monat übersichtlich darzustellen und mit wenig Aufwand laufend zu aktualisieren.“
Die ersten Ergebnisse der Zusammenarbeit haben Balke und Sternfeld bereits dem Arbeitskreis Verwaltungsleitung des Deutschen Museumsbundes bei der Herbsttagung 2022 im Städelmuseum in Frankfurt vorgestellt. Dort stießen sie auf viele offene Ohren. Bundesweit wurden anschließend von den TH Forschern Projekte mit dem Deutschen Technikmuseum in Berlin, der Bundeskunsthalle in Bonn, dem Deutschen Museum in München, dem Arp Museum Bahnhof Rolandseck in Remagen sowie dem Lindenmuseum in Stuttgart begonnen.
Um sich auch museumsübergreifend zu Controlling Themen weiter auszutauschen, wurde zudem ein Online-Controllingkreis mit den Museen des Deutschen Museumsbundes etabliert. In diesem werden vierteljährlich aktuelle Controlling-Themen und Zwischenergebnisse des Projektes besprochen.
„In den Projekten mit den einzelnen Museen arbeiten wir beispielsweise an der Optimierung der Planungs- und Berichtsprozesse, den Verfahren zur Budgetsteuerung oder der Entwicklung eines Systems zur Identifizierung und Bewertung von Risiken. Die in den Projekten gewonnenen Erkenntnisse werden weiteren Museen zum Beispiel über den Online-Controllingkreis oder in Form von Leitfäden zugänglich gemacht. Damit kann die Entwicklung der Controlling-Strukturen in Museen schneller ablaufen und es werden Ressourcen gespart“, fasst Prof. Balke zusammen.