Beschreiben, was Gewinnerarbeit ausmacht – damit überzeugte Nora Siepker die Jury und erhielt am Mittwoch, den 22. Februar, den Possehl-Ingenieurpreis für eine herausragende Abschlussarbeit. Erstmals präsentierten die Studierenden ihre Abschlussarbeiten in 5-Minuten-Vorträgen vor rund 100 Gästen und einer Jury, die im Anschluss die besten Arbeiten mit 5000 Euro für den ersten, 3000 Euro für den zweiten und 2000 Euro für den dritten Platz auszeichneten. Karoline Heber, Tobias Schwinghammer, Philipp Wiesenthal und Sebastian Wozniak und ihre Betreuerinnen und Betreuer freuten sich über jeweils eine Urkunde und eine handgeschöpfte Tafel Schokolade.
„Wir haben den Possehl-Ingenieurpreis in einem schönen neuen Format erlebt, mit spannenden Pitches von interessanten jungen Menschen. Mit Begeisterung haben die Sieben es geschafft, dem Publikum ihre komplexen Themen näherzubringen“, freut sich Max Schön, Vorsitzender der Possehl-Stiftung.
Genau das schaffte die Gewinnerin Nora Siepker mit ihrem Vortrag. Die TH Lübeck Absolventin hat ihr Bachelorstudium im Umweltingenieurwesen- und Management mit der Arbeit „Potenzialanalyse von Algenernte als Mittel der Restaurierung eutropher Seen“ abgeschlossen. Ihre Arbeit steht in Zusammenhang mit einer Doktorarbeit an der CAU Kiel, in der Methoden zur Ernte von Mikroalgen aus eutrophierten Seen untersucht werden – also Seen, in denen sich Nährstoffe angereichert haben.
Sie begegnet damit einem bekannten Problem: mehr als zwei Drittel der deutschen Seen zeigten 2015 eine zu hohe Konzentration von Phosphat, was extremes Algenwachstum fördert und das Absterben vieler Organismen eines Sees zur Folge haben kann. Die Ernte der Algen – die während ihres Wachstums Phosphat aufgenommen haben – soll dazu führen, das Phosphat indirekt zu entfernen. Nora Siepker hat in ihrer Bachelorarbeit eine bestimmte Software genutzt, um die Menge an Phosphat zu bestimmen, die je nach Filtermethode in der Ernte entfernt werden könnte. Ihre Ergebnisse zeigen, welche Vorteile die jeweilige Filtermethode hat und welche sogar energieeffizienter sein könnte. Außerdem analysierte sie, wie die nährstoffreiche Biomasse weiterverwendet werden kann. Das können zum Beispiel Algenpaste, eine Düngemittelgrundlage oder ein Dämmmittelzusatz sein. „Der ganzheitliche Ansatz, den Sie in Ihrer Arbeit verfolgt haben hat die Jury nachhaltig beeindruckt“, sagt Juryvorsitzender Prof. Andreas Schäfer.
Philipp Trabert hat das Studium der Hörakustik mit der Bachelorarbeit „Untersuchung der Richtcharakteristiken ziviler Jagdschalldämpfer“ abgeschlossen. In seiner Arbeit beschäftigte er sich mit der Wirksamkeit von Schalldämpfern auf zivilen Jagdgewehren. In bisherigen Messungen und Normen wurde wenig beachtet, wie gut die Pegel-Reduktion in Abhängigkeit von der Richtung ist. Daraus lässt sich ableiten, wie effektiv der Schutz sowohl für den Jäger als auch für begleitende Personen und ebenso für die Jagdhunde ist. Philipp Trabert baute einen komplexen Messaufbau an einem Schießstand auf. Dank der Messungen konnte Trabert bestimmte Schalldämpfer empfehlen und auch ein neues, umfassenderes Messverfahren zur Bewertung von Schussknall-Geräuschen beschreiben. Seine Arbeit hat bereits Interesse bei der Bundeswehr hervorgerufen, was von der Jury neben der Länge und der Bedeutung für die Praxis die Begründung für den zweiten Platz war.
Der Absolvent Leonard Imhäuser hat seine Abschlussarbeit „Music preference of bimodal cochlear implant users“ in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein und dem Institut für Akustik der TH Lübeck erstellt. Er beschäftigte sich mit Cochlea-Implantaten (CI), die für Menschen mit starker Schwerhörigkeit die Möglichkeit bieten, wieder Sprache zu verstehen und damit auch die soziale Interaktion zu verbessern. Die kommerziell erhältlichen Implantate sind allerdings auf das Sprachverstehen optimiert. Der Genuss von Musik ist über das CI häufig problematisch. Die Träger*innen können Tonhöhen schlecht unterscheiden und verschiedene Instrumente schlecht oder gar nicht auseinanderhalten. Imhäuser wendete erstmalig eine Signalverarbeitung an, die eigentlich für die Musikindustrie entwickelt wurde, um zu versuchen den Musikgenuss für CI-Träger*innen zu steigern. Leonard Imhäuser hat sich dabei darauf fokussiert, die Singstimme im Vergleich zu den begleitenden Instrumenten lauter zu präsentieren. Er konnte bei eigens durchgeführten Tests mit Proband*innen unter anderem zeigen, dass CI-Träger*innen im Vergleich zu einer größeren Gruppe an Normalhörenden tatsächlich die Musik mit hervorgehobener Stimme bevorzugten. „Ihre Arbeit kann die Lebensqualität der Menschen erhöhen. Das ist sehr preiswürdig“, betont Andreas Schäfer.
Die Präsidentin der TH Lübeck, Dr. Muriel Helbig, überreichte gemeinsam mit Max Schön und dem stellvertretenden Vorsitzenden der Possehl-Stiftung, Prof. Klaus-Peter Wolf-Regett, die vier Urkunden und drei Preise. „Die heutige Preisverleihung zeigt, wie vielfältig die Themen sind, die hier an der TH Lübeck von unseren Studierenden bearbeitet werden. Und unsere Studierenden haben gezeigt, wie fachlich hochqualifiziert sie sind“, sagt Muriel Helbig. „Ein besonderer Dank geht dabei an unsere engagierten Professorinnen und Professoren, die die Studierenden bei ihren Abschlussarbeiten betreut haben“, betont Helbig. Eine weitere Besonderheit in diesem Jahr: sowohl die Studierenden, die keinen Possehl-Ingenieurpreis erhalten haben als auch ihre jeweiligen Betreuerinnen und Betreuer erhalten als Team eine Würdigung in Form von Urkunden.
Die Singer-Songwriterin Katharina Schwerk begleitete die Veranstaltung im Bauforum mit souliger Stimme und eigenen Songs. Die Studierenden und die zahlreichen Gäste ließen den Abend bei einem Sekt-Imbiss ausklingen.
Über den Possehl-Ingenieurpreis
Der Possehl-Ingenieurpreis wird seit 1983 für hervorragende Abschlussarbeiten an Absolvent*innen der TH Lübeck vergeben. Er dokumentiert die ganze Vielfalt der Lehre für Technik, Naturwissenschaften, Bauen und Wirtschaft. In diesen Disziplinen werden die Absolventinnen und Absolventen so ausgebildet, dass sie ausgezeichnete Arbeiten anzufertigen können, von denen die herausragenden mit dem Possehl-Ingenieurpreis prämiert werden. Seit der ersten Preisverleihung 1983 wurden über 75 Preise und Prämien vergeben.