Die Revision konzentriert sich auf die Freisprüche der älteren Brüder des Opfers, Mutlu und Alpaslan Sürücü. Sollte der Vorwurf der Staatsanwaltschaft am Dienstag bestätigt werden, könnte sich eventuell eine Tatbeteiligung der beiden Brüder in einem neuen Verfahren nachweisen lassen.
Dann müssten die Brüder auch wieder vor Gericht erscheinen. Momentan halten sie sich wahrscheinlich in der Türkei auf.„Bei „Ehren“morden beschließt meist ein Familienrat den Tod des Mädchens zur Bereinigung der vermeintlichen Familienehre“, berichtet Rechtsanwältin Regina Kalthegener von der Frauenrechtsorganisation TERRE DES FEMMES. „Der jüngste Bruder oder Cousin wird dazu bestimmt, die Tat auszuführen, da er mit einer milderen Strafe rechnen kann. Die Beteiligung weiterer Familienmitglieder nachzuweisen, ist häufig sehr schwer. Sollten die Brüder von Hatun Sürücü wirklich schuldig sein und könnte ihre Mittäterschaft letztlich doch nachgewiesen werden, wäre eine Bestrafung ein wichtiges Signal für Familien, die die Familienehre über das Leben ihrer Töchter und Schwestern stellen“, so Kalthegener weiter.
Obwohl gewaltbereite Familien den Mord an Hatun Sürücü benutzen, um ihre Töchter weiter einzuschüchtern, wenden sich immer mehr Betroffene hilfesuchend an TERRE DES FEMMES. „Die Anzahl der Betroffenen, denen wir zur Seite gestanden haben, hat sich seit 2004 bei uns verdoppelt,“ berichten Mitarbeiterinnen der Bundesgeschäftsstelle von TERRE DES FEMMES in Tübingen.
Hatun Sürücü wurde am 7. Februar 2005 auf offener Straße von ihrem Bruder Ayhan erschossen.Er wurde im April 2006 zu einer Jugendstrafe von neun Jahren und drei Monaten verurteilt.