Tartuffe
Komödie von Molière
Bühnenfassung von Sigrid Behrens
Regie: Klaus Kusenberg
Bühnenbild: Peter Scior
Kostüme: Luisa Wandschneider
Dramaturgie: Andreas Frane
Mit: Nils Brück (Tartuffe), Anjo Czernich (Valère), Stefan Eichberg (Orgon), Stella Goritzki (Mariane), Gabriel Kemmether (Cléanthe), Frank Lienert-Mondanelli (Monsieur Loyal), Judith Lilly Raab (Elmire), Ingrid Richter-Wendel (Madame Pernelle), Sabine Unger (Dorine), Sven-Marcel Voss (Damis)
Weitere Vorstellungen in dieser Spielzeit: 30.06.; 04.07.; 06.07.; 10.07; 18.07. – jeweils um 19.30 Uhr
Wiederaufnahme in der nächsten Spielzeit: 09.10. 2018
„Lüge als Prinzip“ lautet das Motto der zu Ende gehenden Spielzeit. Und mit einem der größten Lügner und Betrüger der Theatergeschichte setzt das Theater Heilbronn seinen komödiantischen Schlusspunkt unter die Saison 2017/2018: „Tartuffe“ von Molière, das meistgespielte Stück der französischen Klassik, hat am 23. Juni 2018 Premiere im Großen Haus. Dieses lebenskluge, pralle Stück verblüfft noch heute durch seine Scharfsichtigkeit und den bösen Humor. Tartuffe ist im Grunde der Prototyp eines Populisten, der, für viele durchschaubar, den Leuten das Blaue vom Himmel verspricht, sie auf durchsichtige Weise manipuliert und trotzdem seine Ziele erreicht. Insofern liest sich das Stück wie eine hochaktuelle politische Parabel in einem humorvollen Gewand. Als Regisseur stellt sich Klaus Kusenberg erstmals am Theater Heilbronn vor. Er ist derzeit Schauspieldirektor am Staatstheater Nürnberg und wird ab der nächsten Saison in gleicher Funktion am Theater Regensburg arbeiten. Die Rolle des Tartuffe, eine Paraderolle für einen Komödianten, spielt Nils Brück. Außerdem gibt es ein Wiedersehen mit der Grande Dame des Heilbronner Theaters, Ingrid Richter Wendel, als Madame Pernelle.
Zum Inhalt
Der reiche Orgon hat den bettelarmen Tartuffe in seinem Haus aufgenommen, einen Menschen von allerhöchster Moral und Frömmigkeit, so glaubt er. Auch Orgons Mutter, Madame Pernelle, ist Fan von Tartuffe und froh, dass dieser Mann schon allein durch seine Anwesenheit für einen sittlichen Lebenswandel ihrer Familie sorgen wird. Orgons Kinder, seine Frau und sein Schwager indes betrachten diesen merkwürdigen Gast mit großer Skepsis. Frönt er nicht selbst der Völlerei während er anderen Askese predigt? Ist er nicht ein Leisetreter und Schmarotzer und jedes seiner Worte Heuchelei? Mit Sorge müssen sie erleben, wie Orgon dem falschen Heiligen immer mehr verfällt, in allen Dingen Tartuffes Rat befolgt und sich nichts sehnlicher wünscht, als ihn durch Heirat mit seiner Tochter Mariane in die Familie aufzunehmen. Tartuffe willigt in Aussicht auf die fette Mitgift selbstverständlich gern ein, obwohl er heimlich ganz andere Ziele verfolgt: Er hat es auf alles abgesehen, was Orgon lieb und teuer ist: seine Frau Elmire und seinen ganzen Besitz.
Tartuffe ist ein Lügner und Betrüger, daran lässt Molière von Anfang an keinen Zweifel. Aber selbst diejenigen, die ihn durchschauen, vermögen es nicht, seinem Treiben Einhalt zu gebieten. Durch geschickte Ränkespiele und das gekonnte Jonglieren mit Lüge und Wahrheit kommt er seinen Zielen Stück für Stück näher.
Molière provozierte im 17. Jahrhundert einen Theaterskandal
Molière setzte sich 1664 in erster Linie mit der Heuchelei und der Frömmelei seiner Zeit auseinander, sah sich der wütenden Polemik von Klerus und bigottem Bürgertum ausgesetzt und provozierte damit einen handfesten Theaterskandal. Nach der Uraufführung wurde es verboten, weil es beim Publikum staats- und religionskritische Gedanken provozieren könnte. Auf Betreiben des Pariser Erzbischofs verschwand es für fünf Jahre im Giftschrank und wurde erst 1669 in einer dritten, etwas milderen Variante von Ludwig XIV. wieder genehmigt. Das ehrenwerte Ziel von Molière war es, die Menschen auf der Bühne mit ihren Schwächen zu konfrontieren und sie dadurch zu bessern.
Verkünder einfacher Wahrheiten
Regisseur Klaus Kusenberg nennt „Tartuffe“ ein sehr besonderes Stück, das sich mit den Mitteln der Komödie mit einem ernsthaften Thema auseinandersetzt – der Verlogenheit und Scheinheiligkeit vermeintlicher Moral- und Tugendwächter. Auch heute sind einige „Tartuffes“ wieder auf dem Vormarsch und verkünden ihre allzu einfachen „Wahrheiten“ für gesellschaftliche Probleme. Orgon ist ein verunsicherter Bürger, der zu Wohlstand gekommen ist und jetzt seine innere Leere nur allzu gern mit den populistischen Phrasen und moralischen Leitlinien des Tartuffe zu füllen versucht. Es ist unwahrscheinlich, dass Tartuffe auch nur ansatzweise selbst glaubt, was er den Leuten erklärt. Aber er hat erkannt, wo deren Verunsicherungen liegen und wie er aus dem Schüren von Ängsten und dem Schaffen von Abhängigkeiten seinen Vorteil zieht.
Die Theaterfassung der Hamburger Autorin Sigrid Behrens findet dafür eine spielerische Sprache, die in ihrem gehetzten, hektischen Rhythmus sowohl unseren Zeitgeist, als auch die Unruhe und Zerrissenheit der Figuren transportiert.
Bühnenbildner Peter Scior hat für „Tartuffe“ einen großbürgerlich anmutenden Raum entworfen, dessen Drehwände temporeiche Auf- und Abtritte ermöglichen und gleichzeitig ein Gefühl des Unbehaustseins vermitteln. In den Kostümen von Kostümbildnerin Luisa Wandschneider mischen sich gleichermaßen Neureichtum, Extravaganz und Spießigkeit.