Von Janne Teller
Regie: Teodros Adewale Adebisi
Ausstattung: Gesine Kuhn
Es spielen: Henry Arturo Jiménez und Manuel Sieg
Die ersten Vorstellungstermine: 28.09. - 20 Uhr; 29.09. - 11 Uhr; 30.09. - 11 Uhr; 21.10. 11 + 20 Uhr; 29.10. - 11 Uhr, 08.11.- 20 Uhr, 09.11. - 11 Uhr
Themenwoche zur Inszenierung vom 28.09.- 1.10. (nähere Informationen – siehe unten)
Wir leben in Deutschland in Sicherheit, unsere Wohnungen sind warm und heil und niemand muss fürchten, wegen seiner Überzeugung verfolgt zu werden. Mehr und mehr Menschen kommen in unser Land, die vor Krieg und Verfolgung fliehen müssen Können wir uns vorstellen, wie es in diesen Menschen aussieht? Dieser Frage stellt sich das absolut aktuelle, hochpolitische Stück von Janne Teller „Krieg- Stell dir vor, er wäre hier“, mit dem am 24. September die Spielzeit in der BOXX eröffnet wird. Die Dänische Autorin zwingt uns in ihrem Text zu einem faszinierenden Gedankenexperiment: Deutschland ist im Krieg und wir sind es, die den gewohnten Wohlstand und die Heimat verlassen müssen, um zu überleben. Mit diesem Stück, das die Zuschauer durch den Perspektivwechsel förmlich zur Empathie nötigt, wird der Blick auf die zahlreichen Menschen, die gegenwärtig weltweit auf der Flucht sind, mit Sicherheit ein anderer sein. Regisseur Teodros Adewale Adebisi inszeniert zum ersten Mal in Heilbronn. Gesine Kuhn, die in Heilbronn schon „Tschick“ ausgestattet hat, ist auch hier für Bühne und Kostüm zuständig.
Die beiden Schauspieler Henry Arturo Jiménez und Manuel Sieg schlüpfen in die Rollen der vom Krieg betroffenen jungen Deutschen und sie agieren gleichzeitig als Moderatoren.
Janne Teller erzählt die Geschichte aus Perspektive eines 14jährigen Jungen und seiner fünfköpfigen Familie, die in Deutschland unter guten Bedingungen gelebt hat. Die Europäische Union ist zerbrochen und Deutschland befindet sich im Krieg mit den Nachbarn. Unsere Häuser sind Ruinen, wir leben in Kellern, ohne Heizung und Wasser, ohne Essen. An den zentralen Wasserausgabestellen lauern die Heckenschützen und die Gesinnungspolizei verfolgt alle Anhänger der Demokratie. Wer überleben will, muss fliehen. Nur wohin?
Jetzt reicht das Geld aus dem Verkauf des ganzen Besitzes gerade für falsche Papiere und einen illegalen Transport nach Ägypten in ein Flüchtlingslager. Solange das Asylverfahren nicht abgeschlossen ist, darf die Familie das Lager nicht verlassen, nicht arbeiten, die Sprache nicht lernen. Er darf nicht zur Schule gehen und muss sich langweilen. Und das Verfahren dauert … Zwei Jahre, zwei gestohlene Jahre. Dann endlich gibt es Asyl, befristet, und die Eltern, die in Deutschland sehr gute Jobs, ein schönes Haus und zwei Autos hatten, beginnen sich wieder eine bescheidene Existenz aufzubauen. Unter den scheelen Blicken der Einheimischen, für die sie nur Ungläubige und kulturlose Menschen sind …
Jeder, der sich mit Janne Tellers Text auseinandersetzt, wird Flüchtlinge mit anderen Augen betrachten. Wird mit ihnen fühlen, wie es ist, jenseits der Heimat zu sein, nach der man sich so sehnt, und als Bürger dritter Klasse in der Fremde leben zu müssen. Jeden Tag erfahren wir von Flüchtlingsschicksalen, immer näher rücken die Konfliktherde dieser Welt an uns heran. Auf diese Weise gewinnt Janne Tellers 2004 für Dänemark geschriebenes und 2011 auf deutsche Verhältnisse übertragene Büchlein noch eine ganz andere Brisanz, als es zu seiner Entstehungszeit hatte. Selten kann Theater mit seinen Möglichkeiten eindringlicher begreifbar machen, was wäre wenn …
Migration und Flucht sind die größten Herausforderungen dieses Jahrhunderts, ist Regisseur Teodros Adewale Adebisi überzeugt. „Was wir jetzt erleben ist erst der Anfang der Ausgleichsströmung zwischen Arm und Reich. Weltweit befindet sich die seit dem Zweiten Weltkrieg höchste Zahl an Menschen auf der Flucht: fast 60 Millionen Menschen fliehen vor Krieg, Unterdrückung und Armut –vor allem aus Syrien, Afghanistan und Somalia. In den Medien erfahren wir von Zahlen, aber die Einzelschicksale gehen unter. Es sei für niemanden leicht, seine Heimat zu verlassen und nicht zu wissen, ob man sie jemals wiedersieht. Das weiß Adebisi auch aus der Geschichte seiner eigenen Familie. Dem Entschluss zu fliehen, geht ein langer Leidensprozess voraus.
In einem Interview wurde Janne Teller gefragt, ob sie wirklich daran glaube, dass das Publikum Mitgefühl mit den Flüchtlingen empfinden könne, obwohl es selbst nie in so einer Situation gewesen sei. „Das ist das Schöne an Literatur“ lautete ihre Antwort: „Sie kann uns an Vorstellungen heranführen, die sehr weit weg von unserem Leben oder von der Wirklichkeit sind, sie kann uns diese wirklich nachfühlen lassen, so als wären es unsere eigenen Erfahrungen.“ Und auf die Frage, mit welchen Emotionen das Publikum das Theater verlassen soll, sagt sie: „ Mit Verständnis, mit Empathie … mit dem Bewusstsein darum, dass Flüchtlinge keine Nummern sind, sondern Menschen wie Du und ich und dass sie dementsprechend behandelt werden wollen.“
Adewale Teodros Adebisi (Regie) wurde in Wien geboren und absolvierte eine Ausbildung zum Fotografen. Von 1992 bis 1997 war er Regieassistent am Hessischen Staatstheater Wiesbaden. Im Anschluss daran arbeitete er zwei Jahre als freier Regisseur und Schauspieler in Tübingen, Koblenz, Nürnberg, München und Wien.
Ein Festengagement als Regisseur führte ihn für drei Jahre an das Theater der Stadt Koblenz. Seit 2002 arbeitet Adebisi als freier Regisseur, hauptsächlich für die Bühne aber auch im Filmbereich. An der Folkwang Hochschule Bochum ist er seit 2008 als Dozent für Schauspiel beschäftigt, seit 2014 leitet er diesen Studiengang.
Janne Teller (Autorin), 1964 in Kopenhagen geboren, arbeitete als Konfliktberaterin der EU und UNO in aller Welt, besonders in Afrika. Seit 1995 widmet sie sich ganz dem Schreiben und lebt heute in New York und Berlin. Für ihr literarisches Schaffen wurde Janne Teller vielfach ausgezeichnet. In ihrem Werk, das neben Romanen für Erwachsene auch Essays, Kurzgeschichten und Jugendbücher umfasst, kreist sie stets um die großen Fragen im Leben und löst mit gesellschaftskritischen Themen nicht selten stürmische Debatten aus. Für Erwachsene hat Janne Teller die zeitgenössische nordische Saga „Odins Insel“ geschrieben sowie die Liebesgeschichte „Europa. Alles, was dir fehlt“ und zuletzt „ Komm“ über Ethik in der Kunst und in unserer modernen Gesellschaft (Hanser, 2012). Für Jugendliche erschien der viel diskutierte, preisgekrönte internationale Bestseller „ Nichts – was im Leben wichtig ist“ (Hanser, 2010), die Erzählung „ Krieg, stell dir vor, er wäre hier“ (Hanser, 2011) und „Alles – worum es geht“ (Hanser, 2013). Janne Tellers Literatur ist in 25 Sprachen übersetzt.
Die Themenwoche zu »Krieg - stell dir vor, er wäre hier«
Flucht und Migration sind die großen Themen des 21. Jahrhunderts. Neben dem Stück »Krieg – stell dir vor, er wäre hier«, das die Zuschauer direkt in die Situation von Flüchtlingen versetzt, bietet das Theater Heilbronn noch einen Vortrag, Publikumsgespräche, eine Lesung und Workshops an. Hier werden die Inhalte des Stücks in einen größeren Zusammenhang gestellt und diskutiert.
Eröffnungsveranstaltung »Fluchtpunkt«
Zur Eröffnungsveranstaltung der Themenwoche KRIEG sind interessierte und engagierte Bürger zu einem Netzwerktreffen »Flucht« eingeladen. Melanie Skiba vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg hält einen Vortrag zum Thema und zur aktuellen Situation von Flüchtlingen. Das Junge Theater Heilbronn und die AIM unterstützen gemeinsam eine Theatergruppe mit Flüchtlingen, die an diesem Abend auch ein Stück aus ihrer Arbeit zeigen werden. Zum Abschluss wird das Stück »Krieg –Stell dir vor, er wäre hier« gezeigt, das sich auch auf sehr eindringliche Weise mit dem Thema Flucht und Krieg auseinandersetzt.
Workshop zu »Krieg – stell dir vor, er wäre hier«:
In den Workshops zum Stück erhalten Schüler die Möglichkeit Stationen einer Flucht zu durchlaufen und sich in die unterschiedlichen Positionen der Menschen zu versetzen. In Rollenspielen wechseln die Jugendlichen die Perspektive und setzen sich so einerseits bewusst mit der Situation von Flüchtlingen auseinander und nehmen andererseits auch die Rolle der Menschen am Zufluchtsort ein, also etwa von Beamten und durchschnittlichen Bürgern, die möglicherweise Angst vor dem Fremden haben.
Lesung Fluchtmotiv – Texte vom Kommen und Gehen
Donnerstag, 20 Uhr im BOXX Foyer
»Der Paß ist der edelste Teil von einem Menschen. Er kommt auch nicht auf so einfache Weise zustand wie ein Mensch. Ein Mensch kann überall zustandkommen, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, aber ein Paß niemals. Dafür wird er auch anerkannt, wenn er gut ist, während ein Mensch noch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird.«
Bertolt Brecht, Flüchtlingsgespräche
Termine:
Montag, 28.09. 2015
18 Uhr Eröffnungsveranstaltung zur Themenwoche
20 Uhr Vorstellung „Krieg – Stell dir vor, er wäre hier“
Dienstag, 29.09.2015
9 Uhr Workshop zu „Krieg – Stell Dir vor, er wäre hier“
11 Uhr Vorstellung „Krieg – Stell dir vor, er wäre hier“
im Anschluss Publikumsgespräch
Mittwoch, 30.09. 2015
9 Uhr Workshop zu „Krieg – Stell Dir vor, er wäre hier“
11 Uhr Vorstellung „Krieg – Stell dir vor, er wäre hier“
im Anschluss Publikumsgespräch
Donnerstag, 1. 10. 2015
18 Uhr Workshop zu „Krieg – Stell Dir vor, er wäre hier“
20 Uhr Lesung „Fluchtmotiv“