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Rauchen in der Pulverfabrik

Dürrenmatts »Die Physiker« sind zum ersten Mal am Berliner Platz zu sehen

(lifePR) (Heilbronn, )
»Die Welt ist eine Pulverfabrik, in der das Rauchen nicht verboten ist.« Friedrich Dürrenmatts Bonmot beschrieb sehr plastisch die gefährliche Weltlage während des Kalten Krieges. Ein einziger Zündfunke eines Wahnsinnigen hätte genügt, um das atomare Pulverfass in die Luft zu jagen. Als das Theater Heilbronn Dürrenmatts »Die Physiker« in den Spielplan aufgenommen hat ̶  ursprünglich schon für 2021, coronabedingt verschoben auf 2023  ̶  konnte niemand ahnen, dass die Angst vor einem Atomkrieg wieder so real werden könnte.
Dürrenmatt beschreibt in seiner schwarzhumorigen Komödie die Ambivalenz wissenschaftlichen Fortschritts. Erkenntnisse, die dem Wohle der Menschheit dienen könnten, werden ohne ethisch-moralisches Regulativ zur Gefahr. Erst recht, wenn sie machtpolitischen Interessen unterworfen sind und kapitalistischen Profitinteressen gehorchen. »Die Physiker« erzählen davon, dass dem Menschen nicht nur die Neugier und der Erkenntnisdrang gegeben sind, sondern auch die Gier und der Unterwerfungswille. Deshalb Vorsicht, so lautet Dürrenmatts Warnung, die er dem Physiker Wilhelm Möbius in den Mund legt: »Was einmal gedacht wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden«.
Zum ersten Mal wird das Schauspiel »Die Physiker« im Theater Heilbronn gezeigt. Die Premiere der Inszenierung von Intendant Axel Vornam ist am 29. April 2023 im Großen Haus.

Zum Inhalt
Nervenärztin Mathilde von Zahnd führt ein Sanatorium von Weltruf, das bereits die geistig verwirrte Elite des halben Abendlandes beherbergt hat. Ihre derzeitigen Lieblingspatienten sind drei Physiker: Einer hält sich für Einstein, der andere für Newton und der dritte, Johann Wilhelm Möbius, behauptet, König Salomo erscheine ihm. Konsequent schützt Fräulein von Zahnd die Physiker vor den Nachforschungen der Polizei, die nun schon im zweiten Mordfall an einer Krankenschwester im Sanatorium ermittelt. Den ersten verübte »Newton«, den zweiten »Einstein« – aber da es sich um arme Geisteskranke handelt, dürfen sie nicht zur Verantwortung gezogen werden. Die Polizei ahnt nicht, dass keiner der drei Physiker wirklich krank ist. Kernphysiker Möbius versteckt sich seit 15 Jahren im Sanatorium, um sich und die ganze Welt zu schützen. Er hat die »Weltformel« entwickelt – eine ebenso bahnbrechende wie gefährliche Entdeckung, die, wenn sie in falsche Hände gelangt, den Planeten zerstören könnte. Auch »Newton« und »Einstein« sind nicht verrückt, sondern die Abgesandten zweier konkurrierender Geheimdienste, die hinter dem Genie Möbius her sind. Die ermordeten Krankenschwestern kamen ihnen auf die Schliche. Durch die Ermittlungen der Polizei wird die Lage ziemlich brenzlig, die drei offenbaren sich einander. Beide Geheimdienstler wollen entkommen, und jeder möchte vorher Möbius auf seine Seite ziehen. Doch der hat seine Manuskripte verbrannt und begründet den Schritt: »Es gibt Risiken, die man nie eingehen darf: der Untergang der Menschheit ist ein solches.« Allerdings haben die Physiker die Rechnung ohne Fräulein von Zahnd gemacht.

Verantwortung der Wissenschaft

Im überaus unterhaltsamen Gewand einer Komödie verhandelt Friedrich Dürrenmatt in den »Physikern« die große und bis heute aktuelle Frage nach der Verantwortung der Wissenschaft. Als das Stück 1961 entstand, war das atomare Wettrüsten zwischen den USA und der Sowjetunion angeheizt. Mit der Kubakrise 1962 stand die Welt am Rande eines Atomkrieges. »Die Physiker« waren das Stück der Stunde und wurden in der Saison 1962/63 das meistgespielte Werk auf deutschsprachigen Bühnen. In anderen Zusammenhängen stellen sich heute die gleichen Fragen wie in den 60er Jahren. Ging es damals um die Atomenergie, sind es heute Forschungen in den Bereichen Gentechnik oder Künstliche Intelligenz, wo ethische Leitlinien die Nutzung der Erkenntnisse bestimmen müssen. Dürrenmatt selbst sah sich als Diagnostiker, nicht als Therapeuten. Für ihn war die Komödie die einzig vertretbare Form der Darstellung einer undurchschaubaren Welt, in der das Individuum seine Machtlosigkeit erlebt.

Premiere am 29. April 2023 um 19.30 Uhr im Großen Haus des Theaters Heilbronn
Die Physiker
Komödie von Friedrich Dürrenmatt

Regie: Axel Vornam
Bühne: Tom Musch
Kostüme: Toto
Dramaturgie: Sophie Püschel

Es spielen:

Sabine Unger – Fräulein Mathilde von Zahnd
Sarah Finkel – Oberschwester Marta Boll / Pfleger Mc Arthur
Romy Klötzel – Krankenschwester Monika Stettler / Pfleger Murillo
Sven-Marcel Voss – Kriminalinspektor Richard Voß
Stefan Eichberg – Herbert Georg Beutler, genannt Newton
Gabriel Kemmether – Ernst Heinrich Ernesti, genannt Einstein
Oliver Firit  ̶  Johann Wilhelm Möbius
Tobias D. Weber  ̶  Missionar Oskar Rose / Oberpfleger Uwe Sievers
Regina Speiseder – Frau Missionar Lina Rose
 
Die nächsten Vorstellungen: 3. Mai, 7. Mai, 16. Mai, 23. Mai, 24. Mai – jeweils um 19.30 Uhr
weitere Termine unter www.theater-heilbronn.de

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