Nachdem sie fünf Jahre in völligem Schweigen verbracht hat, stirbt Nawal im Alter von 60 Jahren. Ihren Kindern, Jeanne und Simon, Zwillingen von 22 Jahren, hinterlässt sie ein eigenartiges Testament. Jeanne soll ihren Vater finden, von dem sie meint, dass er längst gestorben sei. Simon soll sich auf die Suche nach seinem Bruder machen, von dessen Existenz er noch nie etwas gehört hat.
Besonders Simon ist wütend, sein Verhältnis zur Mutter war alles andere als gut. Sie hatte ein Herz aus Stein, glaubt er. Jeanne ist vor allem erschüttert, als sie hört, dass ihr Vater noch lebt und sie sogar einen Bruder hat. Aber sie will das Vermächtnis erfüllen. Vielleicht findet sie auf diese Weise heraus, was hinter dem Schweigen der Mutter steckt.
Und sie begibt sich in den Libanon, das von Bürgerkriegen zerrüttete Heimatland der Mutter.
Sie erfährt, dass Nawal im Alter von 14 Jahren ein Baby bekommen hat, einen Jungen, der ihr sofort nach der Geburt weggenommen wurde. Nawal war verzweifelt, denn es war ein Kind der Liebe. Sie verließ ihren Heimatort, um das Kind zu finden ...
Die Suche nach der Wahrheit führt die Zwillinge direkt zum dunklen Geheimnis der Mutter und damit der eigenen Herkunft. Nach und nach erkennen die ahnungslos im sicheren Westen Aufgewachsenen ihre eigene Verstrickung in eine von Bürgerkrieg und Gewalt geprägte Vergangenheit.
"Verbrennungen" besteht aus mehr als 30 Einzelszenen, die einen Zeitraum von über vierzig Jahren umfassen. Das Stück zeigt Nawal in drei verschiedenen Phasen ihres Lebens, erzählt ihre Lebensgeschichte aber nicht chronologisch, sondern springt in der Retrospektive zwischen den verschiedenen Zeitebenen hin und her. Sabine Unger spielt die Nawal, Julia Apfelthaler und Peter Volksdorf sind die Zwillinge Jeanne und Simon.
Wajdi Mouawad über sein Stück
'Verbrennungen' ist auf keinen Fall ein Stück über die Notwendigkeit, seine Wurzeln zu kennen, so wie es falsch ist zu glauben, es sei ein Stück über den Krieg. Es ist vielmehr ein Stück über den Versuch, in einer unmenschlichen Situation seine Versprechen als Mensch zu halten. (Wajdi Mouawad)
Wajdi Mouawad, geboren 1968 im Libanon, verbrachte seine Kindheit in Beirut bevor seine Eltern mit ihm vor dem Bürgerkrieg flohen, als er acht Jahre alt war - zunächst nach Paris, dann nach Québec (Kanada). Dort absolvierte er eine Schauspielausbildung an der »École Nationale de Théâtre du Canada« und gründete und leitete schließlich ein Theater in Montréal, das »Théâtre Ô Parleur«. Von 2000 - 2004 leitete er das Théâtre de Quat'Sous in Montréal und avancierte zu einem der führenden neuen Talente im frankokanadischen Sprachraum: Unter dem Titel »Incendies« wurde "Verbrennungen" 2003 in Montréal uraufgeführt. Als zweiter Teil einer geplanten Tetralogie ist es inzwischen ins Deutsche übersetzt worden. Für den ersten Teil (»Littoral« - »Küstengebiet«) erhielt Mouawad 2005 den Prix Molière als bester frankophoner Autor. Europäische Theaterfestivals wie das Festival d'Avignon oder die Bonner Biennale haben Wajdi Mouawad schon vor Jahren als Impuls gebenden jungen Autor wahrgenommen. Mit der deutschsprachigen Erstaufführung von "Verbrennungen" wurde er auch in der deutschen Theaterszene bekannt und hat sich inzwischen als einer der wichtigsten Autoren einer lebendigen Theaterszene etabliert. Wajdi Mouawad wurde zum künstlerischen Berater für das Festival d'Avignon 2009 ernannt.
Premiere am 5. Mai 2012, 19.30 Uhr, Großes Haus
Verbrennungen
Schauspiel von Wajdi Mouawad
Regie: Esther Hattenbach
Bühnenbild: Geelke Gaycken
Kostüme: Alice Nierentz
Dramaturgie: Christian Marten-Molnár
Mit: Julia Apfelthaler (Jeanne), Judith Lilly Raab (Jihane/Sawda), Ingrid Richter-Wendel
(Nazira/ Seherfigur), Sabine Unger (Nawal), Nils Brück (Hermile Lebel), Peter Volksdorf
(Simon), Sebastian Weiss (Wahab/Nihad)
Theaterfrühstück am 29. April, 11 Uhr, Oberes Foyer (Buffet ab 10 Uhr)
Weitere Vorstellungstermine: 15.05.; 18.05.; 30.05.; 06.06.; 07.06.; 13.06.; 15.06.; 17.06.;
29.06.; 05.07.; 14.07; 17.07.; 21.07.