Schöpfung ist ein zentrales Thema in mesopotamischen Texten, das in verschiedenen Textgattungen aus drei Jahrtausenden auftritt. Dabei zeigt sich, dass mündliche Darbietung und schriftliche Konkretion solcher Mythen in Mesopotamien gleichermaßen als performativ wirkmächtig angesehen wurden. Der Band entwickelt erstmals eine Methodik für die Rekonstruktion der situativen Verortung von Schöpfungstexten und wendet sie auf konkrete Quellen an. Dabei zeigen sich detaillierte Bezüge zwischen Schöpfungstext und zugehörigem Ritualkontext mit Blick auf Ritualziel, Ritualteilnehmer und Ritualrahmen. Indizien aus Schrift, Sprache, Struktur und Inhalt, eingeschobene Ritualanweisungen im Schöpfungstext und die Rolle von Preisliedern untersuchte die Autorin. Zehn berühmte Schöpfungstexte werden so in ihrer Performanz und Bedeutung innerhalb der mesopotamischen religiösen Praxis erschlossen und eröffnen Einblicke in die Verwendung von Schöpfungsmythen innerhalb von Ritualen, insbesondere im Tempelkult. Durch die Arbeit von Kerstin Maiwald erweitert sich der theoretisch-methodische Zugang für die Erforschung weiterer mythischer Texte und öffnet neue Horizonte für die Tempel-, Ritual- und Mythosforschung.
Die Forschungsarbeit wurde unterstützt durch ein Stipendium des Graduiertenkollegs „Götterbilder – Gottesbilder – Weltbilder“ und durch ein Abschlussstipendium der Graduiertenschule für Geisteswissenschaften, beides an der Georg-August-Universität.
Die bibliografischen Angaben: Kerstin Maiwald: Mesopotamische Schöpfungstexte in Ritualen. Methodik und Fallstudien zur situativen Verortung. Berlin: De Gruyter 2021. 978-3-11-071820-1 (gebunden | 119,95 EUR) | 978-3-11-071922-2 (PDF | 119,95 EUR).