Das Thüringer Kooperationsinteresse besteht darüber hinaus an Konzepten zur Integration von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Während in Thüringen rund 7,3 Prozent der Schüler Förderzentren besuchen, werden in Südtirol nahezu alle Schülerinnen und Schüler in „normalen“ Klassen unterrichtet. „Um den Anteil der Förderschüler auch in Thüringen zu senken, werden wir das Südtiroler Modell analysieren und überprüfen, ob der Ansatz auf Thüringen übertragbar ist. Thüringen kann von Südtirol lernen“, so Minister Goebel. Dies betreffe auch das „Schulsprengel“-Konzept, bei dem zu einer Grundschule mit Leitungsaufgaben mehrere andere Grundschulen ohne eigenständige Schulleitung gehören, sowie die Lernfeldkonzepte der berufsbildenden Schulen.
Konkret verabredet wird die Zusammenarbeit für das Entwicklungsvorhaben „Eigenverantwortliche Schule“ mit besonderem Interesse der Südtiroler Seite an dem in Thüringen dafür etablierten System von Selbsteinschätzung der Schulen und externer professioneller Beratung sowie mit den damit einhergehenden neuen Anforderungen an die Schulaufsicht. Ebenfalls ist Südtirol an den Ergebnissen des im Freistaat mit großem Erfolg eingeführten Entwicklungsprogramms für Unterricht und Lernqualität („E.U.LE“) interessiert. Hierbei geht es um Ziele und Methoden des verständnisintensiven Lernens mit Blick auf die Motive und Interessen der Schülerinnen und Schüler. Dazu werden die Gespräche bei einer Fachtagung am 22. November 2007 in Jena fortgesetzt.
In Südtirol, dem heimlichen PISA-Sieger 2003, wurden 1992 die gesetzlichen Voraussetzungen für eine schrittweise Dezentralisierung und Reform der öffentlichen Verwaltung, einschließlich der Schulverwaltung, geschaffen. Dazu gehören Bestimmungen zur Privatisierung öffentlicher Dienstverhältnisse und der Zuerkennung weitgehender Schulautonomie. Die Schul- und Ausbildungspflicht umfasst sieben Jahre Primarschule und fünf Jahre Sekundarschule. Danach können Jugendliche die Sekundarstufe weiter besuchen und mit einer staatlichen Abschlussprüfung beenden oder eine berufliche Qualifikation erwerben. Der Unterricht kann in deutscher oder italienischer Sprache erfolgen, wobei in allen Schulstufen der Unterricht der zweiten Sprache verpflichtend ist.