Wie eine letzte Verschnaufpause vor der grossen Strapaze der Alpenüberquerung muss den Pilgern die Region zwischen Bodensee und Voralpen erschienen sein. Hinter der sanft hügeligen Landschaft des Thurgaus, mit dem Bodensee und fruchtbaren Wiesen und Feldern, drohten bereits die Gebirgszüge der Alpen. Hier tankten die Wallfahrer Kraft und Glauben, bevor sie sich auf den mühevollen Weg nach Rom, Jerusalem oder Santiago de Compostela, zum Grab des heiligen Jakobus aufmachten.
Mit Musse auf den "Schwabenweg"
Zahlreiche Kapellen, Kirchen und Pilgerherbergen erinnern zwischen Bodensee und Walensee an die frühen Reisenden in Glaubenssachen. Das Symbol der Jakobspilger, die Muschel, ist im Schweizer Grenzkanton Thurgau allgegenwärtig. Auf 42 Kilometern führt der Pilgerpfad zielstrebig nach Süden und hält dabei stetig auf die Alpen zu. Den vielen süddeutschen Wallfahrern auf dieser Route verdankt der Pfad seinen Beinamen "Schwabenweg". Wer die Strecke mit Musse begehen möchte, folgt dem ausgeschilderten Pfad in vier Tagesetappen mit jeweils drei bis vier Stunden Gehzeit. So bleibt genügend Zeit, die vielen Sehenswürdigkeiten und den landschaftlichen Reiz dieser sanften Jakobsweg-Etappe zu erleben.
Noch bevor die Reise beginnt, lohnt sich ein Stopp im ehemaligen Augustinerchorherrenstift in Kreuzlingen. In der Ölbergkapelle stellen 250 Holzfiguren Szenen der Passion und vor allem des Triumphes Christi nach. Hier war Ort und Zeit für Andacht und Gebet. Die ehemaligen Pilgerherbergen entlang des Weges dagegen bezeugen, dass die Kraft nicht alleine aus dem Glauben kam. Sehenswert ist das schöne Fachwerkhaus der Pilgerherberge "Grödel" in Kreuzlingen. In der Wirtschaft finden sich heute noch Täfelungen aus dem frühen 18. Jahrhundert.
Pilgerkost und Pilgergraffitis
Bereits auf der ersten Anhöhe wartet weitere Seelen-Kost auf die Wallfahrer. Die Heiligkreuzkapelle in Bernrain beherbergt in ihrem Innern ein sagenumwobenes Wallfahrtskreuz, dessen Geschichte auf einem Ölbildnis in der Kapelle nacherzählt wird. Hier empfiehlt sich auch ein letzter Blick über die schillernde Wasserfläche des Bodensees. Von nun an geht es vorbei an Schlössern, idyllischen Pfarrkirchen und dem heiligen Jakobus geweihten Kapellen auf leichten Steigungen und durch sanfte Senken bis an die südliche Grenze des Kantons Thurgau.
Die Kapelle St. Margaretha zeigt, wie beliebt der Pilgerpfad seit Jahrhunderten ist. Das Kirchlein erlangte solche Bedeutung, dass es dem eigentlichen Ortsnamen "Affeltrangen" (Apfelbaumgarten) den Rang ablief. In St. Margarethen finden sich Hinterlassenschaften besonderer Art. Im Kirchenraum der Kapelle, unter der Empore, sind Hunderte von Pilgerinschriften zu sehen. Mit solchen Graffitis haben sich die Wallfahrer des 17. Jahrhunderts verewigt.
Heilung für müde Füsse
In der Kapelle des Benediktinerklosters Fischingen fand die heilige Idda von Toggenburg ihre letzte Ruhestätte. Müde Wallfahrer erfahren bei ihr Linderung: Wer seine Füsse durch eine Öffnung in den Sarkophag der Heiligen streckt, so erzählt die Legende, dem heile sie die wunden oder kranken Glieder. Das mag Not tun, denn bei Fischingen ändert der sanfte Thurgau sein Gesicht: die Landschaft wird bergiger und statt sanfter Senken warten steile Aufstiege auf die Wallfahrer.
Die 42 Kilometer des "Schwabenweges" von Kreuzlingen bis Fischingen lassen sich mit der Pilgerpauschale von Thurgau-Tourismus kostengünstig und bequem in vier Tagen erwandern. Der Gepäcktransport ist organisiert, die Sehenswürdigkeiten werden in einer Dokumentation beschrieben und die Übernachtungsmöglichkeiten sind gebucht. Die Pauschale mit drei Übernachtungen im Einzelzimmer, Abendessen, zwei Lunchpaketen und einem Überraschungsgeschenk kostet 420 Schweizer Franken (etwa 262 Euro).