Menschen treiben still im Wasser, sie tun nichts. Nur ab und zu regt sich ein Arm. Die Körper werden getragen von salzhaltigem Thermalwasser. In der Toskana-Therme im thüringischen Bad Sulza liegen die Badegäste im körperwarmen Salzwasser während unter einem kuppelähnlichen Dach Licht- und Farbenspiele zu sphärischen Klängen laufen. Die Gesichter wirken entspannt und in ferne Welten entrückt.
So sieht das Ganze vom Trockenen aus. Das eigentlich Interessante indes spielt sich im feuchten Element ab und ist für die Ohren bestimmt: Sie lauschen der Unterwassermusik. Oder genauer: Musik für das Hören unter Wasser. Komponiert aus einem speziellen Mix von Klassik, mal experimentelle Klangcollagen oder auch Psychedelisches. Für den authentischen Sound aus der Tiefe sorgen Walgesänge.
Es sind behutsam ausgewählte Klänge, damit die Badegäste entspannen und ihnen die Ohren nicht wegzufliegen drohen. Denn sie hören unter Wasser anders als in der Luft: Nicht stereo, sondern die Töne lassen sich gar nicht orten. "Durch die höhere Schallgeschwindigkeit scheint der Sound von überall her zu kommen", erklärt Medienkünstler Micky Remann, der die Idee zu diesem feuchten Klangerlebnis hatte.
"Liquid Sound", flüssiger Klang, heißt sein Projekt, und mit den Orca-Walen fing alles an: Vor einigen Jahren schaukelte Micky Remann in einem Boot vor der kanadischen Pazifikküste gemeinsam mit einem amerikanischen Tier-Musiker, Gitarre, Grog und Geige. Mit Hilfe von Unterwasser-Mikrofonen fingen die beiden Walgesänge ein und schickten ihrerseits via mehr schlecht als recht funktionierender Lautsprecher Musik von Geige und Gitarre ins Meer. "Ein grenzüberschreitendes Orchester, das war schon was!", schwärmt Remann noch heute. Nur, wie sich die Töne in wasserumspülten Ohren anhörten, das erfuhren die beiden Musiker nicht - das Wasser war vier Grad kalt.
Auf das abenteuerliche Meeres-Event folgte eine lange Versuch-und-Irrtum-Phase, wie Musik unter Wasser zum Klangerlebnis werden kann (in Plastiktüten gewickelte, in die Badewanne gehängte Boxen taugen gar nicht), und daraus wurde im Laufe der Jahre eine unterwassertaugliche Klangtechnik. Heute hat das "Liquid Sound"-Konzept zwei ostdeutsche Thermen zu Besucher-Magneten gemacht: Die Toskana-Thermen Bad Sulza und Bad Schandau laufen gut. Neben dem täglich erlebbaren Hör- und Badegenuss bieten die in mediterranen Farben und mit viel Holz sowie Glas ausgestatteten Bäder auch Unterwasserkonzerte mit Live-Musik an.
Diese musikalischen Thermen-Events sind inzwischen fast schon legendär, zumal sie meist in Vollmondnächten stattfinden. Gespielt wird alles von Avantgarde bis Klassik. "Dann wird das Bad zum Konzertsaal", sagt Remann nicht ohne Stolz. Es taucht nicht nur das Bade- und Wellness-Publikum ins Wasser ein, auch vorwiegend kulturinteressierte Menschen kommen und ziehen Schwimmsachen an - sie werden zu badenden Konzertgästen.
Die Toskana-Therme in Bad Schandau, nicht weit von Dresden, liegt direkt am Elbufer, und das verleiht ihr ein besonderes Flair. Wenn bei Vollmond im Außenbecken mit Elbblick spektakuläre Sprühnebel- und Lichtprojektionen zu sehen sind, erinnert das ein wenig an Bilder von Caspar David Friedrich. An die mystische Stimmung, vor dem Fluss und der grandiosen Felsenkulisse... Karin Kura