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Zwischen Dichtung und Wahrheit

Schopenhauer, Adorno, Goethe und ihre Zeit in Frankfurt am Main

(lifePR) (Frankfurt am Main, )
Für seine Nachbarn war er ein Kauz, ein älterer Herr mit schütterem, weißem Haar und grimmiger Miene, der bei seinen Spaziergängen stets von einem Pudel begleitet wurde. Für die Wirte der (zerstörten) Gasthäuser "Russischer Hof" an der Zeil und "Englischer Hof" am Roßmarkt war er ein gern gesehener Gast, für die Geschichte der Philosophie ein großer Denker: Arthur Schopenhauer. Fast 30 Jahre lang lebte der Philosoph in Frankfurt. Die Tourismus+Congress GmbH ist seinen Spuren gefolgt – und dabei auf örtliche Gemeinsamkeiten mit dem Philosophen Theodor W. Adorno gestoßen. Doch was wäre eine Suche auf den Spuren der großen Denker der Stadt, wenn sie nicht auch die Orte nennen würde, die an Johann Wolfgang von Goethe erinnern.

Geht man heute längs der Straße Schöne Aussicht, fällt es beim Blick auf die Nachkriegshäuserfront nicht leicht, sich vorzustellen, dass dort einst einer der bedeutendsten deutschen Philosophen gewohnt hat. Nur eine schmucklose Gedenktafel am Haus Nummer 16 gibt es zur Erinnerung noch: "In diesem Haus starb am 21.9.1860 Arthur Schopenhauer".

Arthur Schopenhauer, geboren 1788 in Danzig, studierte in Göttingen Medizin und Philosophie und promovierte 1813 in Jena. 1831 kam er von Berlin nach Frankfurt. Mehrfach zog er in der Stadt um. Erst 1843 ließ er sich in der Schönen Aussicht Nummer 17 nieder. Ein Jahr vor seinem Tod zog er in die Schöne Aussicht 16. Pläne, an Schopenhauers Wirkungsstätte ein Museum einzurichten, machte der Zweite Weltkrieg zunichte. Bomben zerstörten das Haus am nördlichen Mainufer 1944 vollständig – und mit ihm große Teile der Bibliothek und persönliche Gegenstände.

In seinen Jahren am Main hat Schopenhauer unter anderem seine Schrift "Über die Grundlage der Moral" (1840) und den zweiten Band seines zentralen Werks "Die Welt als Wille und Vorstellung" (1844) verfasst. Um den Nachlass des Gelehrten kümmert sich heute die Schopenhauer-Gesellschaft. Im Schopenhauer-Archiv in der Frankfurter Universitätsbibliothek, Bockenheimer Landstraße 134-138, finden sich neben Dutzenden Portraits mehr als 400 Titel aus seiner Bibliothek. Seine letzte Ruhestätte hat Arthur Schopenhauer auf dem Frankfurter Hauptfriedhof gefunden. Wer seiner gedenken will, kann dies im Gewann A 24 tun, wie er selbst sagte: "Sie werden mich finden." Oder an der Obermainanlage vor einer bronzenen Büste, die zu seinem 100. Geburtstag 1888 angefertigt wurde.

Ein Denkmal für einen Philosophen: Wie anders sieht die Gedenkstätte für Theodor W. Adorno aus. Vom Verkehr umtost, steht das Denkzimmer des Begründers der Kritischen Theorie inmitten des unaufhaltsamen Autostroms, der sich von der Universität in Richtung Messe schiebt. Ein Schreibtisch, ein Stuhl, eine Lampe, ein mit Maschine geschriebenes Manuskript, einige Notenblätter, verborgen hinter dickem Glas. Zum 100. Geburtstag des Philosophen der Frankfurter Schule am 11. September 2003 hatte der russische Künstler Vadim Zakharov im Auftrag der Stadt den privaten Raum des Denkers zum öffentlichen gemacht. Wenig Respekt zeigten davor Unbekannte. Sie beschädigten den gläsernen Kubus mehrfach. Am 12. Juli 2005 wurde die Erinnerungsstätte wieder eröffnet.

Von dem Denkmal am Theodor W. Adorno-Platz sind es nur wenige Minuten zu Fuß zu der einstigen Wirkungsstätte des Philosophen, dem neuen Institut für Sozialforschung in der Senckenberganlage 26. Ursprünglich war das 1924 gegründete Institut in der Viktoria Allee 17. Dort wurde es im März 1933 von den Nationalsozialisten geschlossen und seine Mitarbeiter aus rassischen oder politischen Gründen entlassen. Wegen seiner jüdischen Abstammung verlor auch der junge Privatdozent Adorno die Lehrerlaubnis. Adorno emigrierte 1934 nach Großbritannien, vier Jahre später in die USA. Erst im Spätherbst 1949 kehrte er in seine Heimatstadt zurück und baute mit Max Horkheimer das Institut für Sozialforschung wieder auf. Bis zu seinem Tod im August 1969 war er dessen Direktor.

Aufgewachsen ist Theodor Wiesengrund Adorno in derselben Straße, in der Arthur Schopenhauer lange lebte: der Schönen Aussicht. Sein Geburtshaus stand in der Nr. 9, in der Schönen Aussicht 7 betrieb sein Vater eine Weinhandlung. Schon mit 17 Jahren bestand der Musterschüler sein Abitur auf dem Kaiser-Wilhelm-Gymnasium, der heutigen Freiherr-vom-Stein-Schule. Schon früh erhielt der begabte Junge auch Klavier- und Kompositionsunterricht am Hoch'schen Konservatorium. Seit 1914 lebte die Familie in der Seeheimer Straße im Stadtteil Oberrad.

Vor seiner Emigration war Adorno regelmäßiger Gast im Café Laumer. In dem Kaffeehaus in der Bockenheimer Landstraße/Ecke Brentanostraße trafen sich bis 1933 die Teilnehmer des sogenannten Kränzchens, ein Kreis von Intellektuellen. Mit Kollegen und Studenten debattierte der Kulturkritiker der alten Bundesrepublik dort auch nach seiner Rückkehr wieder. In den Vorlesungen des Professors für Philosophie und Soziologie wurden die Auseinandersetzungen mit den rebellierenden Studenten Ende der 60er Jahre immer schärfer. Als Studenten im Januar 1969 das Institut für Sozialforschung besetzten, um über die politische Situation zu diskutieren, rief Adorno die Polizei und zeigte die Provokateure an.

Das Frankfurter Westend war dem Philosophen ("Es gibt kein richtiges Leben im falschen") nicht nur Arbeitsstätte. Mit seiner Frau Margarete Karplus lebte er im Kettenhofweg 123. An "Teddie", wie Adorno von seinen Freunden genannt wurde, erinnert dort eine Gedenktafel. Begraben ist der Autor der "Minima Moralia" und der "Dialektik der Aufklärung" (mit Max Horkheimer) auf dem Frankfurter Hauptfriedhof, Gewann K 119.

Für die Poesie anstelle der Philosophie entschied sich Frankfurts größter Denker: Johann Wolfgang von Goethe. Mit dem Glockenschlag zwölf kam der Dichterfürst am 28. August 1749 in Frankfurt auf die Welt. An seinem originalgetreu rekonstruierten Geburtshaus am Großen Hirschgraben 23-25 beginnt der Themenrundgang "Auf Goethes Spuren" der Tourismus+Congress GmbH. Er macht mit dem Dichter und seiner Zeit vertraut.

Über den Rossmarkt führt der Weg des zweistündigen Rundgangs zur Hauptwache. Dort erlebte Goethe 1772 die Hinrichtung der Susanna Margaretha Brandt. Als junger Jurist hatte Goethe den gesamten Prozess gegen die Dienstmagd, die ihr Neugeborenes getötet hatte, verfolgt. Ihr Schicksal war ihm Vorlage für das Gretchen im "Faust". Nur wenige Schritte sind es zur Katharinenkirche, in der er konfirmiert wurde. Weitere Stationen sind die Paulskirche und der Römer. Im Kaisersaal des Rathauses erlebte der 15-jährige Goethe 1764 die Kaiserkrönung Josephs II. Die Tour endet im Historischen Museum, in dem das Modell der Brüder Treuner einen Eindruck vermittelt wie die Altstadt vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg ausgesehen hat.

Bei Einheimischen wie Besuchern gleichermaßen beliebt ist ein Spaziergang am Deutschherrnufer bis zur Gerbermühle in Oberrad. Das Hotel und Ausflugslokal, das im Juni nach umfangreichen Baumaßnahmen wieder eröffnet wird, war zu Goethes Lebzeiten die Sommerresidenz des Bankiers Johann Jakob von Willemer. Bei einem Besuch im Jahre 1815 lernte der damals 65-jährige Goethe Marianne von Willemer kennen – und verliebte sich in sie. Wie sich die Beziehung zwischen den beiden entwickelte, lässt sich im "West-östlichen Divan" nachlesen – und mit ein wenig Phantasie bei der Lektüre im Schatten der Kastanienbäume des Gartenlokals nachempfinden. Oder bei einem Spaziergang zum Willemer Häuschen am Ende des Hühnerwegs (Hausnummer 74) auf dem Mühlberg in Sachsenhausen, in dem sich die Liebenden trafen.

Wer auf dem Rückweg noch Zeit hat, sollte sich im Städel Museum am Schaumainkai 23 das wohl bekannteste Bild des Dichters anschauen – den liegenden Goethe in der Campagna di Roma von J.H.W. Tischbein. Selbstverständlich haben die Frankfurter dem bedeutendsten Sohn ihrer Stadt auch ein Denkmal gesetzt. Derzeit ist das Monument in der Gallusanlage allerdings verhüllt, weil es restauriert wird. Zu Goethes 258. Geburtstag am 28. August wird es wieder zu bestaunen sein. Begraben ist Goethe leider nicht in seiner Geburtstadt, sondern in Weimar. Auf dem Alten Petersfriedhof zwischen Stephanstraße und Bleichstraße sind aber die Gräber seiner Eltern, Katharina Elisabeth Goethe und Johann Kaspar Goethe, zu finden.
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