Der ersten Liebe begegnet man gleich am Anfang auf dem Franziskusweg, der sich von Niederau drei Kilometer bis nach Oberau durch die verschneite Winterlandschaft schlängelt. Denn Bildhauer Hubert Flörl, der in der Wildschönau zuhause ist, hat hier das Schöpfungsgebet des Heiligen in neun bronzene Figuren am Wegesrand gegossen und neben der Liebe auch Mutter Erde, dem Feuer und dem Universum ein Denkmal gesetzt. Warum hier? „Weil einem das Herz aufgeht, wenn man an diesem Ort ist und einfach die Natur auf sich wirken lässt“, sagt er. Und man glaubt’s ihm. Denn man hat fast das Gefühl, dass gleich Clara daherkommen müsse, die Franz von Assisi der Legende entsprechend erst wieder sehen wird, wenn das Wunder geschieht und im Winter die Rosen blühen.
Nicht ganz so weit in die Historie zurück wie zur Liebe der Heiligen führt ein Zwischenstopp ins Bergbauernmuseum z’Bach, das am Wegesrand liegt. Auf dem urigen Hof aus dem 18. Jahrhundert erzählen über 1200 Ausstellungstücke Geschichten vom bäuerlich geprägten Leben in der Wildschönau. Die hölzernen Formen zum Butterwaschen, die großen Pfannen zur Zubereitung des Familienessens, die Kämme zum Beerenpflügen – man braucht nicht viel Phantasie, um längst vergangene Zeiten lebendig werden zu lassen.
Gänzlich ohne Phantasie spürbar ist die Wirkung des Krautingers, eines Schnapses aus der weißen Stoppelrübe, der in der Wildschönau – und nur in der Wildschönau – gebrannt werden darf, seit Kaiserin Maria Theresia Mitte des 18. Jahrhunderts das exklusive Brennrecht verlieh. Heute sind es noch 15 Bauern, die das Tal mit dem Hochprozentigen versorgen, dem heilende Kräfte zugeschrieben werden und der die Region über ihre Grenzen hinaus bekannt gemacht hat. Einer dieser Bauern ist Josef Thaler. Er führt die Familientradition im Steinerhof fort und lässt nicht nur Franziskus-Wanderer den Rübensaft kosten.
Nachdem man den Krautinger hinter sich gelassen hat, sind es nur noch ein paar Hundert Meter bis nach Oberau, das vom imposanten „Wildschönauer Dom“ beherrscht wird. Die barocke Pfarrkirche zur Hl. Margaretha mit ihrem 52 Meter hohen Turm nimmt es als Wahrzeichen sogar mit den umliegenden Bergen auf. Vis à vis wartet der Kellerwirt seit elf Generationen. Schon seit 1750 nämlich sind die historischen Gemäuer aus dem 12. Jahrhundert, in dem die Bauern den zehnten Teil ihrer Ernte einst an den Abt abliefern mussten, einer angenehmeren Nutzung zugeführt. Ein guter Platz, um auf die Bummelbahn zu warten, falls man die sieben Kilometer bis nach Thierbach, dem mit 1200 Metern höchstgelegenen Örtchen der Kitzbüheler Alpen, nicht zu Fuß zurücklegen möchte.
Während eingefleischte Wanderer gut anderthalb Stunden vorbei an urigen Almhütten durch die verschneite Winterlandschaft brauchen, schafft’s die historische Bahn in einer Viertel Stunde ans Ende der Welt. Aber egal wie: Hier oben tut sich die wahre Bilderbuchidylle auf – mit einer der kleinsten Schulen Österreichs, der Kirche und dem Friedhof direkt daneben und ein paar Bauernhöfen rundum. Erst einmal stehen bleiben und das Ambiente auf sich wirken lassen. Und dann die zwei Kilometer hinauf zum Hörbig-Hof in Angriff nehmen. Im Stammhaus der bekannten Schauspieler-Familie Hörbiger, in dem auch Christiane Hörbiger als berühmteste Tochter des Tals ihre Wurzeln hat, erinnern noch heute zahlreiche Fotos und Dokumente an die einstigen Bewohner.
Nur noch zwei Kilometer von hier ist das Ziel der Winterwanderung entfernt, die im Dorfkern beim Sollererwirt mit einer Revolution endet. Gut 200 Jahre ist es her, dass Freiheitskämpfer Andreas Hofer hier den Widerstand gegen bayerische und französische Fremdherrschaft formierte – konkret in der „Speckbacherstube“, die originalgetreu erhalten ist. Und selbstverständlich gibt´s im Tal der unendlichen Geschichten neben dem antiken Mobiliar auch die „Sturmlöda“ noch – die Nachfahren der mutigen Mannen, die heute mit Mistgabeln und Spießen bewaffnet allerdings nur zu festlichen Anlässen ausrücken.
Gesamtlänge: ca. 15 km
Schwierigkeitsgrad: leicht
www.wildschoenau.com