Josef Thaler vom Steinerhof ist Koch und zugleich der größte der 16 Krautingerbrenner. Rund 40 Tonnen Rüben zieht er pro Jahr aus dem Boden. „Wir bauen auf drei bis vier Hektar Land an und ernten zweimal – im Frühjahr und im Herbst“, sagt er. Was für ihn vor gut 20 Jahren als Spielerei anfing, ist heute sein zweites Standbein. Denn auf dem 480 Jahre alten Steinerhof wurde schon seit Jahrzehnten nicht mehr gebrannt und das Recht drohte zu verfallen. Begonnen hat Thaler mit einem 48-prozentigen Schnaps, inzwischen hat er die Umdrehungen auf 43 Prozent runtergeschraubt. „Die ganz harten Sachen sind nicht mehr so gefragt“, weiß er und bezeichnet seinen Krautinger selbst als „milde Touristenausgabe“.
Die gut ankommt. Ebenso wie die Rübensuppe, die Thaler den Teilnehmern der geführten Wildschönauer Genusswanderungen auftischt. Beides riecht irgendwie nach Sauerkraut – was beim leckeren Süppchen okay ist, beim Schnaps aber zumindest gewöhnungsbedürftig. „Einfach die Nase zuhalten – und dann runter damit“, so der Tipp.
Dass bei Zeltfesten heute Cola-Krautinger wie anderswo Cola-Cognac getrunken wird, davon hält Thaler wenig. Denn eigentlich ist der Krautinger mehr als Alkohol, er ist Medizin, von der die Wildschönauer früher pro Haushalt nicht mehr als einen Liter brauchten, um durchs Jahr zu kommen. Bei der Verdauung soll der Krautinger helfen – wie jeder Schnaps, der nach einem schweren Essen ein gutes Gefühl vermittelt. „Aber auch Leute mit ernsten Erkrankungen schwören drauf – und kommen jedes Jahr wieder, um ein paar Flaschen zu kaufen. Man glaubt’s manchmal selbst nicht“, so Thaler.
Wie auch immer: Der Krautinger gehört zur Wildschönau wie das Kreuz zum Gipfel. Wer sich durch die unterschiedlichen Geschmacksnuancen testen und zugleich einen Blick hinter die Kulissen werfen möchte, hat bei der Krautingerwoche vom 1. bis 9. Oktober die beste Gelegenheit. Zahlreiche Höfe laden Gäste zu Führungen und Verköstigungen ein, bei denen man sich auch über unterschiedliche Brennmethoden einen Überblick verschaffen kann. „Jeder kocht den Rübensaft anders ein und auch die Gärtemperatur wirkt sich auf den Geschmack aus“, so Thaler.
Die Krautingerwoche beginnt am Erntedanksonntag mit feierlicher Messe und Prozession, an der auch die „Sturmlöda“ teilnehmen, eine historische Wehrtruppe, die nur in der Wildschönau überlebt hat. Und die in der gleichen Montur, mit Rechen und Mistgabeln bewaffnet, ausrückt wie vor 200 Jahren, als der Tiroler Freiheitskämpfer Andreas Hofer das letzte Aufgebot im Kampf gegen Napoleon und die Bayern zusammentrommeln ließ. Dazu spielt die Bundesmusikkapelle auf und vor dem Bergbauernmuseum z’Bach können Gäste über den Handwerker- und Bauernmarkt schlendern.
Die ganze Woche über bieten zehn Wildschönauer Wirte kulinarische Köstlichkeiten rund um die Krautingerrübe an. Von Rüben-Carpaccio und Rübenparfait über Rübenstielmus und Kartoffel-Rüben-Gratin bis hin zu Rüben-Palatschinken und Rübenkuchen reicht das kreative Angebot auf den Speisekarten der Region. Zum Comeback der Krautingerrübe beigetragen hat übrigens auch Hans Haas. Der mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnete Spitzenkoch aus der Wildschönau, der das Münchner Szene-Restaurant „Tantris“ betreibt, hat die Krautingerrübe unter wahren Gourmets bekannt gemacht.
Zum Abschluss der Krautingerwoche am Samstag, 9. Oktober, wird der „Krautinger des Jahres“ gekürt – auf dem Krautingerball im Bergbauernmuseum z’Bach, zu dem sich das gesamte Hochtal versammelt.
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