In diesem 1. BioCULTURA-Almgespräch erörterten Werner Lampert (österr. Bio-Pionier), Josef Hechenberger (Präsident der Tiroler Landwirtschaftskammer), Therese Fiegl (Vermittlungsagentur Fiegl vermittelt) und Helga Hager (Weinsommelier und Sennerin) mit Wildschönauer Bauern, Tourismusvertretern sowie dem Wildschönauer Bürgermeister Hannes Eder die Frage, wie man den Alpenraum als Modellregion für ein gutes Leben im Herzen Europas gestalten kann. Zentral ging es um die Rolle der Berg|Landwirtschaft für eine Modellregion, aber auch darum, wie eine solche Region konkret aussehen soll und welche Rolle die Biolandwirtschaft, der Tourismus und die Konsument*innen für die zukunftsfähige Entwicklung einer solchen Region spielen können.
Schon in der Vorstellungsrunde der Teilnehmer*innen wurde deutlich, dass eine solche Modellregion natürlich durch äußerliche Rahmenbedingungen wie ausreichende Infrastruktur, Wirtschafts- und Einkommensmöglichkeiten und eine Kulturlandschaft, die vielfältig, gepflegt und zudem schön ist, charakterisiert wird. Es wurde aber auch deutlich, dass eine „Modellregion des guten Lebens“ sehr viel mit weichen Faktoren wie Lebensqualität, Selbstständigkeit, Verantwortung, Anerkennung Zufriedenheit und Sehnsucht zu tun hat - also mit zutiefst menschlichen Faktoren.
Die Berg|Landwirtschaft spielt in diesem Konzept eine zentrale Rolle als traditionelle Wirtschaftsweise und zentrale Wirtschaftsform im Alpenraum. Die biologische Landwirtschaft, die sich zudem an regionaler Kreislaufwirtschaft orientiert, kann hierbei in Form von „qualifizierten Regionen“ mit ihren heimischen Produkten den qualitativen Anspruch einer solchen Modellregion authentisch erfahrbar machen. Die Kitzbüheler Bergbauern Bio-Heumilch der Marke „Zurück zum Ursprung“ ist ein gutes Beispiel für ein solches Produkt, das nachhaltig, biologisch und regional produziert wird und dadurch einen vielfältigen Mehrwert für die Region schafft.
Eine Standardlösung über eine größere Region oder gar europaweit scheint für die Zukunft jedoch nicht ausreichend und sinnvoll - eher, so befanden alle Teilnehmer*innen, sind Vielfalt und regionale Konzepte gefragt. Interessant sei daher auch, „sich bewusst zu machen, dass man statt 50 % der hiesigen Milchproduktion zu niedrigsten Konditionen auf den Weltmarkt zu werfen, auch 80 % des Marktes im eigenen Land zu wesentlich besseren finanziellen Bedingungen bedienen könnte“, so Werner Lampert.
Weitere Ergebnisse des Gesprächs waren, dass der Tourismus sich auch klarer vor Augen führen müsse, dass die Gäste statt des „holländischen Scheibenkäses“ bewusst viel mehr Regionalität erfahren und konsumieren möchten. Auch der Zusammenhang zwischen schöner Kulturlandschaft, dem Tourismus und der Landwirtschaft müsse deutlicher dargestellt und somit stark gemacht werden, so der Tenor der Teilnehmer*innen. „Dafür benötige es eine Kultur des aufeinander zugehen“, sagte Werner Lampert und sprach sich für eine Landwirtschaft aus, die neben dem „klassischen Familienbund“ auf Kooperationen setzt. Ein zukunftsfähiger Ansatz könnte sein, die Gäste in die landwirtschaftliche Arbeit einzubinden und über das aktive Vermitteln von traditionellem Handwerk und Wissen über die Region mit samt ihren besonderen Bergprodukten zu mehr wechselseitiger Wertschätzung beizutragen. So erzählte Helga Hager von einer Arztfamilie, die ihr kürzlich beim Heuen geholfen hatte, dabei unsägliche Freude erfahren hat und sie zudem bei ihrer Arbeit entlastete.
Auch war man sich einig, dass übermäßige Bürokratie, Einzelkämpfertum und gegenseitiges Misstrauen der Tod für die Gestaltung des eigenen Lebens und auch für Initiativen, Chancen und Perspektive sind. Landwirte können den Alpenraum als Modellregion mitentwickeln und -gestalten, dafür brauche es aber wieder mehr menschliches Grundvertrauen, Offenheit, mehr Handeln auf gegenseitiger Augenhöhe und Solidarität. Ebenfalls einig war man sich darüber, dass der 100%ige Umstieg auf biologische Landwirtschaft für die nachhaltige Landwirtschaft zwar notwendig sei, aber den internen strukturellen Wandel der Landwirtschaft von der familiendominierten zur solidarischen Berglandwirtschaft nicht lösen würde.
Da die Alpen als Modellregion für ein gutes Leben nur von vielen getragen und gestaltet werden kann, ist ist es wichtig, einerseits vor Ort - auch bei der Herstellung der eigenen Bergprodukte - aktiv im Sinne des guten Lebens tätig zu werden und andererseits auch weiterhin im Gespräch zu bleiben. Nicht zuletzt um zu sehen, ob die ein oder andere besprochene Idee, bereits umgesetzt werden konnte. „Daher wird es nach dem erfolgreichen Auftakt des 1. BioCULTURA-Almgesprächs im Herbst eine Fortsetzung geben, wenngleich dann nicht mehr auf einer Alm, sondern im Tal“, so Nicole Hohmann, eine der Organisatoren, abschließend.