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Scrimshaw – Dramen auf hoher See

Im Jahre des Herrn 1823, im Südpazifik, an Bord des amerikanischen Walfangschiffes „Gloria“, ertönt plötzlich ein Schrei: „Dort, dort, der Wal, da bläst er! Eine halbe Meile Backbord voraus! Lasst die Boote zu Wasser! Los, los, an die Ruder!“

(lifePR) (Bondorf, )
Das Boot zerbirst und sinkt wie ein Stein nach unten!

Und wieder beginnt die Jagd. Die Jagd nach dem Riesen der Meere. Eine Aufgabe, die für die Walfänger bereits zur Routine geworden ist. Und trotzdem...

Angespannte Gesichter, hastige Bewegungen, nervöse Blicke; die Ruder tauchen gleichmäßig ins Wasser. Das Boot gleitet zügig durch die Wellen. Hoffentlich ist der liebe Gott gnädig heute! Der Harpunier stimmt laut ein Gebet an, in das alle Matrosen einstimmen. Dann ist es ruhig. Furchterregend ruhig. Der Wal müsste ganz in der Nähe sein! Vor ihnen, hinter ihnen, neben oder gar unter dem Boot?

Da taucht er auf! Urplötzlich schnellt er neben ihnen aus der Tiefe, fällt mit seinem tonnenschweren Körper auf das Boot! Die Walfänger schreien auf! Zu spät, das Boot zerbirst und sinkt wie ein Stein nach unten.

Solche tragischen Vorfälle inspirierten manche Seeleute immer wieder, das Erlebte künstlerisch zu verarbeiten - die ersten maritimen Schnitzereien und Gravuren entstanden. Sie waren die Geburt des Scrimshaw - der alten Seemannskunst.

Das Abenteuer Walfang bestand in erster Linie aus warten

Walfang war in den letzten Jahrhunderten ein bedeutender Wirtschaftszweig geworden. Große Flotten durchsegelten auf den Reiserouten der Wale die Weltmeere. Kleine Provinzstädte wie New Bedford, Nantucket und New Bellingham wuchsen zu großen Hafenstädten heran, Umschlagplätze für das "Produkt" Wal. Sie wurden groß, reich, berühmt - und berüchtigt.

Die Schiffsbesatzungen kamen aus aller Herren Länder. Abenteurer, Indianer, Sklaven, Arbeitslose, "gelernte" Seeleute, - jeder wurde angeheuert für einen harten, gefährlichen Job, den Walfang. Trotz der notwendigen Grobschlächtigkeit dieser rauen Kerle waren immer wieder auch echte Künstler unter ihnen.

Auf den monatelangen Fahrten war die Zeit an Bord oft lang. Die reine Jagd nahm ja nur einen Bruchteil der Zeit ein. Die weitaus größte Zeit bestand aus Warten; denn die Jagdgründe waren weit weg und die Wale schwer zu finden. Was sollten die Seeleute solange tun?

Wer handwerklich oder künstlerisch begabt war, begann zu Schnitzen oder Gravieren. Die - zu Beginn sehr groben und naiven - Gravuren der Walfänger wurden irgendwann als Scrimshaw bezeichnet. Woher dieser Name kommt, ist ungewiss. Experten meinen, es könnte von dem französischen Wort "Escrimer" ("sich abmühen") abgeleitet sein, oder die englische Ableitung eines Eskimowortes sein.

Was ist Scrimshaw?

Die Trophäen des Wals, Zähne und Knochen, wurden als Grundmaterial an die Mannschaft verteilt. Einfache Dinge wie Seemannsmesser, Segelnadeln und Feilen dienten als Ritz-Werkzeuge.

Ein Wal Zahn wurde mit getrockneter Rochenhaut glatt geschliffen und anschließend poliert. Danach wurde das Motiv eingeritzt. Um die gravierten Linien sichtbar zu machen, wurden sie mit einem Gemisch aus Lampenruß und Öl eingerieben. Durch unterschiedliche Tiefe und Dichte der Linien und Punkte wurden Schattierungen, Effekte und Tiefe erreicht.

Die Liebste auf der Tabaksdose

Im Mittelpunkt der Motive stand meist natürlich der Wal. Gefährliche oder kuriose Jagdszenen aber auch schöne, imposante Schiffe, symbolträchtige Zeichen oder die Liebste in der weit entfernten Heimat wurden auf Wal Zähne und -knochen gebannt. Oft wurden auch Tabakdosen, Steckspiele und Werkzeuge gefertigt und mit Schnitzereien und Gravuren verziert.

Die Kunstwerke verbreiteten sich im Nu

Viele der hergestellten Kunstwerke wurden von den Seeleuten in Häfen angeboten, um sich etwas dazu zu verdienen. Händler kauften ihnen ihre Scrimshaws ab und brachten sie unters Volk. Große gravierte Pottwal-Zähne, kleine Dosen, Messergriffe mit geschnitzten Motiven oder Beinplatten mit Schiffsmotiven wurden schnell immer beliebter bei den Käufern - holte man sich doch so etwas von dem Abenteuer- und Freiheitsgefühl das dem Walfang anhing, ins eigene, so geruhsame Leben.

Mit dem Aufkommen des kommerziellen Walfangs im 19. Jahrhundert gerieten diese alten Traditionen und Künste in Vergessenheit. Man hatte bei diesem industriemäßigen Abschlachten, das, wie wir heute wissen, mit der beinahe Ausrottung vieler Walarten endete, einfach nicht die Zeit und Muße, sich hinzusetzen und zu gravieren. Außerdem verlor der Walfang durch die neuen technischen Möglichkeiten seine Gefährlichkeit und damit auch seine Faszination.

Wiederentdeckt durch John F. Kennedy

So seltsam es klingen mag, ihre Wiederauferstehung verdankt die alte Seemannskunst eigentlich dem ehemaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten, John F. Kennedy! Bei einem Fernsehinterview in den 60-er Jahren waren einige seiner alten Sammlerstücke im Bild zu sehen. Sie lagen auf seinem Schreibtisch als Dekoration. Präsident Kennedy war einer der größten Sammler maritimer Kunst und Scrimshaws in den USA.

Dieser Fernsehauftritt löste einen wahren Boom auf antike Scrimshaws aus! Innerhalb kürzester Zeit waren sämtliche Kunstwerke aufgekauft, die Nachfrage immens. Und die Preise für historische Scrimshaws stiegen enorm. Internationale Auktionshäuser erzielten Höchstpreise für die alten Originale.

Aber wo mit Originalen viel Geld verdient wird, sind Fälschungen meist nicht weit. Aus Fernost und England kamen perfekte Abgüsse von originalen Walzähnen, was die Sammler sehr verunsicherte. Unerfahrene Käufer mussten oft entsetzt feststellen, dass sie für viel Geld ein Plagiat erworben hatten.

Einige Künstler und Graveure begannen, sich der alten Techniken zu besinnen. Sie ließen sich durch historische Motive inspirieren und wollten die vorhandene Nachfrage befriedigen. Neue Werkzeuge ermöglichten eine Verbesserung der Gravur-Technik. Manche Künstler erreichten bald fotorealistische Qualität.

700 Punkte auf einem Quadratmillimeter und Atelier Trompeter & Ritchi

Auch in Europa ist Scrimshaw heimisch geworden. Angeregt durch den Boom in den USA, spezialisierten sich Künstler auf den alten Gravur Stil und entwickelten ihn weiter.

Einer der bekanntesten Künstler in Europa ist der Graveur Richard "Ritchi" Maier.

Im Atelier Trompeter & Ritchi. werden Luxusgravuren und Scrimshaw auf fossilen Mammut Materialien in Perfektion hergestellt.

Die Motive spiegeln faszinierend die Liebe zum Detail wieder. Richard Maier graviert auf einem mm2 bis zu 700 Punkte! Seine Punktiertechnik ermöglicht es, Motive fotorealistisch darzustellen.

Neue Materialien als Motivträger

Für Scrimshaws werden heute keine Wal Zähne oder Knochen mehr verwendet. Der Artenschutz lässt dies, aus jedermann verständlichen Gründen, nicht mehr zu.

Alternativen sind fossiler Mammut Zahn, von dem in Alaska und Sibirien riesige Vorkommen gefunden wurden, Horn, Knochen ungefährdeter Tiere und verschiedene Kunststoffe. Die Motive finden sich auf traditionellen maritimen Gegenständen, Griffen von Messern, Schmuck und anderen Ziergegenständen.

Das Flair der alten Seefahrer lebt weiter

Wer sich einmal mit der Kunst und der Geschichte des Scrimshaws beschäftigt hat, kann sich nur noch schwer seiner Magie entziehen. Zu faszinierend sind die Motive, ihre immer wieder erstaunliche Lebendigkeit, und die Geschichte dieser alten Kunst.
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