Trainingsziel und der aktuellen Fitness aller Gruppenmitglieder ausgerichtet werden. In einem Forschungsschwerpunkt an der TU Kaiserslautern versuchen Forscher, dieses Problem zu lösen.
Samstag, 15.00 Uhr, auf der Landstraße nach Johanniskreuz: Die Radsportgruppe RSF AMI befindet sich mit ihren Rennrädern auf einer Trainingsfahrt durch den Pfälzer Wald. Rennräder und Fahrer sind mit einer Vielzahl unsichtbarer Sensoren ausgerüstet, die alle miteinander kommunizieren. Aufgrund des kräftigen Gegenwindes zieht sich die anfänglich kompakte Gruppe immer weiter auseinander. Alle Fahrer erhalten nun Anweisungen, an welche Positionen sie sich einreihen sollen. Aus anfänglich einer werden nun zwei verschieden starke Gruppen gebildet. In den getrennten Gruppen können nun alle Fahrer trotz unterschiedlicher Leistungsfähigkeit effektiv trainiert werden. Leistungsstarke Fahrer werden häufiger und längere Zeit an die Spitze positioniert, während leistungsschwächere vorrangig auf Positionen im Windschatten verteilt werden.
Was bisher von den Sportlern nach Gefühl gemacht wurde, optimiert hier ein unsichtbares Steuerungssystem nach aktuellen Sensordaten. In der Forschung spricht man bei diesen und ähnlichen Szenarien von Ambient Intelligence, kurz AmI. Dies bedeutet vereinfacht ausgedrückt eine intelligente Umgebung, die sensitiv und adaptiv auf die Anwesenheit von Menschen und Objekten reagiert und dabei dem Menschen vielfältige Dienste leistet. Es geht dabei um den Menschen in allen Lebenssituationen, insbesondere den arbeitenden Menschen, den Menschen in der Freizeit und den allein lebenden älteren Menschen. Die Dienste der intelligenten Umgebung können situationsgerechte Informationen bereitstellen oder aber auch direkt aktiv eingreifen, falls dies notwendig ist.
Alle AmI-Anwendungen bauen auf denselben technischen Grundfunktionen auf:
AmI-Systeme verfügen über eine Vielzahl von Schnittstellen zum Menschen und zu seiner Umgebung. Das reicht von Mini-Sensoren, über die Bild- und Sprachein- und -ausgabe, bis zur Erkennung menschlicher Gestik. Die Vielfalt der gesammelten Informationen muss geeignet übertragen und ausgewertet werden. Dazu dient eine verteilte digitale Signalverarbeitung, die mit Sprach-, Bild-, Bewegungsinformationen, Umgebungsbedingungen etc.
umgeht. Sowohl die zahlreichen verschiedenartigen Sensoren als auch die zugehörige Auswerte- und Kommunikationselektronik müssen möglichst klein sein und möglichst unauffällig in ihre Umgebung integriert werden. Eine Herausforderung ist dabei der äußerst geringe Energieverbrauch. AmI-Geräte müssen in Wände, Kleidung, Schuhe, Körper etc. eingebracht werden und teilweise über ihren gesamten Lebenszyklus autark und ohne Batteriewechsel arbeiten. Die unter dem Begriff Ambient Intelligence zusammengefassten Technologien haben das Potenzial, unser Leben und unsere Arbeitswelt so stark zu ändern wie nur wenige Technologien vor ihnen. Dem Menschen als Nutzer werden damit vollkommen neue Möglichkeiten geboten. Andererseits wird der Mensch auch vor neue Herausforderungen gestellt werden.
An der TU Kaiserslautern arbeiten im Forschungsschwerpunkt Ambient Systems Forschergruppen aus vier Fachbereichen (Elektro- und Informationstechnik, Informatik, Maschinenbau und Verfahrenstechnik sowie Sozialwissenschaften), dem Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software-Engineering (IESE) und dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) zusammen.
Von zentraler Bedeutung für die AmI-Forschung ist ein hohes Maß an Interdisziplinarität, getrieben von Visionen und Szenarien. Neben der angesprochenen Grundlagenforschung ist es demnach sehr wichtig, Demonstratoren zu entwickeln, an denen die Visionen "gelebt" werden können.
Die Kaiserslauterer Forscher entwickeln solche Demonstratoren in den Bereichen des unterstützten Arbeitens (Ambient Assisted Working), des unterstützten selbstbestimmten Lebens (Ambient Assisted Living) und des unterstützten Trainings (Ambient Assisted Training).
Im Bereich des unterstützten Trainings (Ambient Assisted Training) wurde von den Forschergruppen der TU Kaiserslautern und dem Fraunhofer-IESE in Kooperation mit der Fa. SG-Sensortechnik (Ergomo Leistungsmesssystem) ein Trainingssystem zur Optimierung des Gruppentrainings im Radsport entwickelt, so wie es eingangs vorgestellt wurde. Wie erwähnt, hängt beim Radfahren in der Gruppe die Tretleistung der einzelnen Fahrer entscheidend von der Position in der Gruppe ab. Im Windschatten kann ein Fahrer mit einer um bis zu 36 Prozent reduzierten Tretleistung die gleiche Geschwindigkeit wie der Führende erreichen. Dementsprechend ist die physiologische Beanspruchung und damit auch der Trainingseffekt beim Windschattenfahren geringer. Um dennoch einen optimalen Trainingseffekt für jeden Radsportler in der Gruppe zu erzielen, können die Fahrer die Positionen wechseln, die Formation ändern oder sich in Gruppen gleichstarker Fahrer aufteilen. Während des Trainings können die Trainer dies bislang kaum steuern. Gerade bei Nachwuchssportlern ist das ein Problem. "Die Jugendlichen müssen selbstständig entscheiden, wann sie die Positionen wechseln. Häufig fahren sie erst dann im Windschatten, wenn sie völlig erschöpft sind", bestätigt Hermann Mühlfriedel, Nachwuchsbundestrainer und Leiter des Sportzweigs des Heinrich-Heine-Gymnasium in Kaiserslautern, einer Elite-Schule des Sport mit Schwerpunkt Radsport.
Kernstück des Trainingssystems sind mehrere mit entsprechender Sensorik ausgestattete Rennräder, die miteinander über ein Funknetzwerk verbunden sind. Die Sensoren erfassen die für die Trainingsteuerung erforderliche Parameter wie Herzfrequenz, Geschwindigkeit, Leistung und Trittfrequenz und senden diese an einen externen Rechner. So kann der Trainer im Begleitfahrzeug ständig die Leistungsdaten aller Sportler kontrollieren und z.B. einen Sportler bei zunehmender Ermüdung anweisen, nur noch im Windschatten zu fahren.
Alternativ kann das Gruppentraining vollautomatisch gesteuert werden. Eigens entwickelte Trainingsalgorithmen empfehlen den Sportlern beispielsweise bei Überschreitung einer vorgegebenen Herzfrequenz in den Windschatten zu wechseln oder bei zu niedriger Trittfrequenz schneller zu treten und ggfs.den Gang zu wechseln. Die Trainingssteuerung berücksichtigt darüber hinaus auch Ermüdung sowie Erholungseffekte durch Bergabfahrten und den Herzfrequenzdrift, einen Anstieg der Herzfrequenz, der bei langer Belastungsdauer auftreten kann, erklärt Juniorprofessor Thomas Jaitner von der AG Trainings- und Bewegungswissenschaft der TU Kaiserslautern.
Zurzeit wird das System im Training von Nachwuchsradsportler der Eliteschule des Sports eingesetzt und durch die Arbeitsgruppe Trainings- und Bewegungswissenschaft evaluiert. "Das Trainingssystem bietet uns die Möglichkeit, das Training differenzierter zu steuern und frühzeitig Korrekturmaßnahmen zu ergreifen. Dadurch verbessert sich auch die Qualität des Trainings erheblich", so der Nachwuchsbundestrainer Herrmann Mühlfriedel.