Mit einem Taschenrechner sind Zahlen schnell addiert oder multipliziert. Bei komplexeren mathematischen Fragen kommt man damit nicht weit. Hier liefern moderne Methoden der Computeralgebra unersetzliche Werkzeuge, um mathematische Theorien zu testen, Vermutungen aufzustellen und (Gegen-)Beispiele zu finden. Computeralgebra-Systeme fassen umfangreiche Programme zusammen und erlauben nicht nur das Zusammenrechnen von Zahlen oder den Umgang mit Formeln, sondern auch die symbolische Arbeit mit abstrakten mathematischen Strukturen.
Diese Systeme gibt es sowohl als Online-Angebote als auch in Form von Mini-Computern, die Taschenrechnern ähneln und bereits in der Schule genutzt werden. Der Fortschritt in zentralen Teilen der Mathematik sowie in wichtigen Anwendungsgebieten beruht jetzt schon wesentlich auf dem Einsatz solcher Systeme. Dieser Trend wird sich in Zukunft noch verstärken.
Der neu eingerichtete Transregio-Sonderforschungsbereich „Symbolische Werkzeuge in der Mathematik und ihre Anwendung“ (TRR 195) der DFG hat es sich zum Ziel gesetzt, die Entwicklung in diesem hochaktuellen Gebiet maßgeblich voranzutreiben. In Transregio-Sonderforschungsbereichen arbeiten Forschungsverbünde mehrerer Universitäten zusammen. Federführend im TRR 195 ist die TU Kaiserslautern. „Die verwendeten Verfahren beruhen auf klassischen algorithmischen und experimentellen Methoden aus Schlüsselgebieten der reinen Mathematik'', sagt Mathematik-Professor Dr. Gunter Malle, der Sprecher des neuen SFB ist.
Die TU Kaiserslautern ist ein international führendes Zentrum für die Erforschung, Entwicklung und Anwendung von Computeralgebra-Systemen. Professor Dr. Wolfram Decker, der ebenfalls am neuen SFB beteiligt ist, hat beispielsweise mit seinen Kaiserslauterer Kollegen um Professor Dr. Gert-Martin Greuel, Professor Dr. Gerhard Pfister und Dr. Hans Schönemann in den vergangenen Jahren im Rahmen eines bundesweiten DFG-Schwerpunktprogramms (SPP 1489) das an der TU Kaiserslautern erdachte System „Singular“ weiterentwickelt, das online frei abrufbar ist. „Wir nutzen dazu sehr effiziente Algorithmen'', erläutert Decker. „Mit unserer Technik lassen sich zum Beispiel komplexe Objekte wie Singularitäten und Symmetriegruppen berechnen.“ Auch Professor Malle forscht schon lange auf diesem Gebiet. Für seine Arbeit hat er 2012 einen ERC-Advanced Grant, die höchstdotierte Forschungs-Auszeichnung der Europäischen Union, erhalten.
Im neuen Sonderforschungsbereich werden die Kaiserslauterer Mathematiker gemeinsam mit Kollegen der Universität des Saarlandes sowie der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen zusammenarbeiten. Sie wollen ihre freinutzbaren Rechensysteme weiterentwickeln, um sie einerseits selbst zur Lösung grundlegender mathematischer Probleme einzusetzen, andererseits aber auch anderen Forscherinnen und Forschern weltweit für deren Arbeit zur Verfügung zu stellen. Auch die Freie Universität Berlin, die Eberhard Karls Universität in Tübingen sowie die Universitäten in Siegen und Stuttgart sind als Partner an dem Vorhaben beteiligt. Die DFG unterstützt den TRR 195 in den nächsten vier Jahren mit insgesamt knapp 7,5 Millionen Euro. Mit dem Geld werden hauptsächlich Doktoranden und Nachwuchswissenschaftler gefördert.
„Der TRR 195 ist aktuell der siebte Sonderforschungsbereich und Transregio, der an der TU Kaiserslautern gefördert wird, ein Allzeithoch für unsere Universität“, freut sich Professor Dr. Arnd Poetzsch-Heffter, Vizepräsident für Forschung und Technologie an der TU Kaiserslautern. „Ich gratuliere Professor Gunter Malle, Professor Wolfram Decker und allen Beteiligten herzlich zu diesem sehr großen Erfolg. Wir sind stolz als relativ junge, mittelgroße Universität international sichtbare Beiträge zur exzellenten Forschung zu leisten. Die TU Kaiserslautern hat im Bereich der Computeralgebra-Systeme eine Spitzenposition inne, die sich nun in einem Sonderforschungsbereich widerspiegelt.“