Beschleunigungssensoren, Feldstärkesensoren, Mikrofon, Beleuchtungsstärkesensoren, GPS-Empfänger - Technologien, die im Physikunterricht aus langweiligem Formelpauken spannende Experimente machen könnten. Doch bisher waren computergestützte Versuche mit solchen Sensoren hauptsächlich eines: teils umständlich und sehr teuer - sofern die dafür notwendigen Geräte überhaupt zur Verfügung standen.
Waren Smartphones im Klassenzimmer bislang unbeliebte Quellen der Ablenkung, könnte sich das nun ändern - zumindest für den Physikunterricht. Denn viele dieser hilfreichen Sensoren sind heute in jedem Smartphone und Tablet-PC verfügbar und können mit geeigneten Apps ausgelesen werden. Was liegt also näher, als mit diesen Endgeräten eine Vielzahl quantitativer Schulversuche aufzubauen?
Dies dachten sich auch Kuhn und Vogt und entwickelten im Rahmen des Projekts N.E.T. (New Media Experimental Tools) eine Vielzahl solcher physikalischen Experimente mit Smartphone und Tablet-PC und bereiteten sie für den Einsatz im Unterricht und in der Lehrerbildung auf. So kommen Smartphones im Mechanik-Unterricht als kabellose Beschleunigungssensoren zum Einsatz, während im Akustik-Unterricht aus dem Mikrofon mit der geeigneten App ein Sensor zur Frequenzanalyse, zur Schallpegelmessung oder ein Tongenerator wird. Sogar zur Untersuchung der physikalischen Gesetzmäßigkeiten radioaktiver Strahlung können Smartphones und Tablet-PC im Physikunterricht eingesetzt werden.
Kuhn: "Im Alltag ist allgegenwärtig, dass speziell Jugendliche mit diesen Medien sehr vertraut sind und damit auch sehr intuitiv umgehen. Im Gegensatz zu anderen Konzepten, die diese Medien zum Beispiel zur Informationsrecherche, als Kommunikationsmittel oder als Cognitive Tool einsetzen, führen die Schülerinnen und Schüler in unserem Ansatz konkret physikalische Experimente damit durch, verwenden die Medien also als Experimentiermittel. Die damit verbundenen Unterrichtskonzepte sind auf Lehrplanthemen zugeschnitten und können im alltäglichen Physikunterricht umgesetzt werden."
Nachdem Smartphones heutzutage in den meisten Schultaschen zu finden sind, nutzt das N.E.T.-Projekt somit die hohe Authentizität dieses Experimentiermittels für die fachdidaktische Anwendung im Physikunterricht. Denn wenn Schülerinnen und Schüler mit Materialien experimentieren, die ihnen aus dem Alltag bekannt sind, steigt nicht nur ihre Motivation: In einer Pilotstudie konnten die beiden Preisträger einen signifikant höheren Leistungszuwachs bereits nachweisen. Darauf aufbauend untersuchen aktuell vier Doktoranden in der Arbeitsgruppe Kuhn im Fachbereich Physik der TU Kaiserslautern die Lernwirkung dieser Medien in den Themenbereichen Mechanik, Schwingungen und Wellen sowie Radioaktivität des alltäglichen Physikunterrichts im Rahmen empirischer Begleitstudien.
Der Ansatz bleibt aber nicht nur auf den Schulunterricht beschränkt: So können an der TU Kaiserslautern Physikstudierende bereits ab dem 1. Semester die fachwissenschaftliche Nutzung dieser Medien in Übungsgruppen im Physikstudium erproben. Dadurch bearbeiten Studierende sowohl theoretische als auch experimentorientierte Aufgabenstellungen von Studienbeginn an. Vertieft wird der schulorientierte Einsatz dieser Medien dann im Physiklehramtsstudium. Dabei erhalten auch Lehramtsstudierende Gelegenheit, frühzeitig an aktuellen Forschungsprojekten zu dem Thema teilzunehmen. Durch deutschlandweite, jährlich mehrmalige Lehrerfortbildungen erfolgt eine Optimierung und Weiterentwicklung der Experimente und Materialien, indem die Hinweise aus der Praxis direkt berücksichtigt werden.
Der mit insgesamt 8.000 Euro dotierte "MINT von morgen Schulpreis" ist 2013 dem Thema "Digitale Medien" gewidmet. Der Preis würdigt die Eigeninitiative und Leistung von Lehrkräften bzw. Fachdidaktikern, die mit innovativen Konzepten digitale Medien nutzen, um ihren Unterricht für Schülerinnen und Schüler in Mathematik, Natur- bzw. Technikwissenschaften spannend und abwechslungsreich zu gestalten.
Dr. Kerstin Krauß, Geschäftsführerin des Fachbereichs Physik, betonte: "Diese Auszeichnung zeugt von der hervorragenden Physikdidaktik-Forschung, die in Kaiserslautern zuhause ist. Wir sind sehr stolz auf den Erfolg unserer Wissenschaftler."
Die unabhängige Joachim Herz Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, junge Menschen dabei zu unterstützen, ihr Leben eigenverantwortlich und selbstbestimmt gestalten zu können und damit zu einer leistungsfähigen und toleranten Gesellschaft beizutragen - unabhängig von Herkunft oder sozialem Status. Deshalb fördert die Stiftung Bildung, Wissenschaft und Forschung in den Wirtschafts- und Naturwissenschaften.