Ausgehend vom Pariser Klimaabkommen und vom Green Deal der Europäischen Kommission konzentriert sich das White Paper auf die Umsetzung der klimapolitischen Ziele in Deutschland und auf die entsprechenden gesetzlichen Vor-gaben für den Gebäudesektor. Eine dringende Empfehlung: Das im Gebäudeenergiegesetz (GEG) definierte Referenz-gebäude muss nachgebessert werden. „Leider berücksichtigt das Referenzgebäude nicht einmal die bereits zur Verfügung stehenden technischen Lösungen“, sagt Marc-Andre Einert vom Bereich Technical Advisory Services der TÜV SÜD Advimo GmbH. Um die Klimaziele zu erreichen, müssten nach einer vorsichtigen Schätzung der TÜV SÜD-Experten alle Gebäude – sowohl Neubauten als auch Bestandsgebäude – bis zum Jahr 2045 den Effizienzhaus-Standard 55 erfüllen. „Das ist bei einer faktischen Sanierungsquote von rund 1 Prozent aber nicht zu schaffen“, betont Einert. „Wir haben nur dann eine Chance, wenn die Anforderungen nachgeschärft werden.“
Nach Einschätzung der TÜV SÜD-Experten geht es darum, im Gebäudesektor mit pragmatischen Lösungen eine möglichst schnelle Reduktion von Treibhausgas-Emissionen zu erreichen. Die konkreten Empfehlungen des White Papers für die Optimierung des Referenzgebäudes umfassen bessere Dämmungen an der Gebäudehülle in Richtung eines Passivhauses, einen höheren Wärmerückgewinnungsgrad von über 80 Prozent bei Lüftungsanlagen, die Beleuchtung mit LEDs und den Wegfall aller Leuchtstofflampen sowie die Optimierung und Vernetzung der gesamten Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) und der Gebäudeleittechnik (GLT). „Zudem müssen wir bei Neubauten den gesamten Lebenszyklus betrachten“, erklärt Yannick Renaud, der wie Marc-Andre Einert zum Bereich Technical Advisory Service von TÜV SÜD Advimo gehört. „Hier wird häufig vernachlässigt, dass die durch Baumaterialien wie Beton und Stahl verursachten Emissionen einen Anteil von 30 bis 50 Prozent an den im gesamten Lebenszyklus auftretenden Emissionen haben können.“ Die Empfehlung der TÜV SÜD-Experten: Beim Neubau sollte der Fokus auf der Materialauswahl liegen, während bei Bestandsgebäuden die energetische Sanierung und Optimierung im Vordergrund steht.
Digitale Werkzeuge und Prozesse könnten nach Einschätzung von TÜV SÜD wesentlich dazu beitragen, dass die klimapolitischen Maßnahmen und Vorgaben umgesetzt werden. Auch beim Einsatz von Instrumenten wie Building Informationen Modeling (BIM) und bei der Erstellung von Ökobilanzen muss der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes betrachtet werden. „Um den weltweiten Energiebedarf im Gebäudesektor zu senken, müssen vor allem auch Bestandsgebäude optimiert werden“, sagt Yannick Renaud. „Denn bis zu 30 Prozent der im Lebenszyklus entstehenden Emissionen stecken aufgrund der ‚grauen Emissionen‘ bereits in den Gebäuden.“ Zwar gelten für Sanierungen von Bestandsgebäuden ähnliche Vorgaben wie für Neubauten, aber Vorgehen und Methodik unterscheiden sich. Die Aufnahme des Ist-Zustandes in Form eines Energiechecks oder einer ESG Due Diligence ist Voraussetzung für die Definition konkreter Einsparpotenziale und eines „Fahrplans“ zur Erreichung der Klimaschutzziele. Wichtig ist die Festlegung von messbaren Zielen und konkreten Maßnahmen für die kurz- und langfristige Reduzierung von Treibhausgas-Emissionen.
Das TÜV SÜD White Paper „Klimaschutz im Gebäudesektor – Optimierungspotenziale identifizieren und ausschöpfen“ mit vielen konkreten Empfehlungen und Maßnahmen kann heruntergeladen werden unter https://www.tuvsud.com/...