Verbraucher sehen sich mit zahlreichen Siegeln konfrontiert, die für unterschiedliche Niveaus an gewährleistetem Tierwohl stehen. Auch auf der Internationalen Grünen Woche, die noch bis zum 27. Januar in Berlin stattfindet, sind wieder viele Anbieter von Tierwohl-Programmen mit Informationen vertreten. „Angesichts der Vielzahl neuer und alter Programme zum Tierwohl fällt vielen Verbrauchern die Orientierung zunehmend schwer“, sagt Dr. Andreas Daxenberger, Lebensmittelexperte bei TÜV SÜD. „Wichtig für die rasche Umsetzung von mehr Tierwohl in der Nutztierhaltung ist zudem, dass Verbraucher auch bereit sind, für Produkte mit Tierwohl-Siegel an der Kasse mehr zu bezahlen.“
Verbraucher äußern Bereitschaft, für Tierwohl mehr zu bezahlen
Nicht nur durch die Anforderungen bei Aufzucht, Haltung und Schlachtung, sondern auch durch die Kennzeichnung und deren Überprüfung vor Ort führt mehr Tierwohl auch zu höheren Kosten. Ein aktuelles Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft schätzt, dass die Umsetzung von neuen Leitlinien für eine gesellschaftlich akzeptable Tierhaltung zu einer Erhöhung der Endverbraucherpreise von etwa 3 bis 6 Prozent führen. Es besagt auch, dass die Branche jährlich insgesamt 3 bis 5 Milliarden Euro jährlich mehr investieren muss, um zu einem zukunftsfähigen Tierwohlstandard zu kommen. 80 % der Befragten bekunden in einer Studie der Universität Göttingen im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbandes e.V. (vzbv) diese Bereitschaft, z. B. bei der Einstiegsstufe des Labels „Für mehr Tierschutz“. Der gerade noch befürwortete Aufschlag liegt durchschnittlich zwischen 30 – 58 %.
Zahlreiche Tierwohl-Siegel im Markt erschweren Vergleichbarkeit
Im Einzelhandel finden Verbraucher unterschiedliche Programme zum Tierwohl (siehe Tabelle). Verschiedene gemeinnützige Organisationen, Brancheninitiativen und langjährig etablierte Bio-Fleisch-Anbieter sind hier vertreten. Letztere gehen mit den Kriterien der artgerechten Tierhaltung weit über den gesetzlichen Mindeststandard hinaus. Zudem soll es 2020 vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ein staatliches Tierwohl-Kennzeichen geben. Und schließlich sind im Einzelhandel auch konventionelle Produkte ohne besondere Tierwohlkennzeichnung zu finden. Sie entsprechen dem gesetzlichen Standard mit zahlreichen Vorgaben an die Züchtung, Haltung (z. B. Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung), medizinische Behandlung sowie Transport und Schlachtung von Tieren (z.B. Tierschutz-Schlachtverordnung).
Konkrete einzelne Vorgaben miteinander zu vergleichen, ist sehr aufwändig. Beispielsweise ist die Schnelligkeit der Mast bzw. kurze Lebensdauer ein wichtiger ökonomischer Punkt. Für ein Masthuhn bedeutet dies im gesetzlichen Mindeststandard in der Regel 30 Tage. EU-Bio-Siegel und deutsche Bio-Verbände schreiben 81 Tage vor, das Neuland-Siegel 56 Tage, das Siegel „Für mehr Tierschutz“ 40 Tage (Einstiegsstufe) bzw. 56 Tage (Premiumstufe) fest. Das Zeichen „Tierschutz kontrolliert“ hat ebenfalls eine Mastdauer von 56 Tagen vorgeschrieben. „Verbraucher können für mehr Tierwohl viel tun, indem sie sich mit dem neuen Angebot an Labeln auseinandersetzen und sie auch über den Kaufpreis honorieren“, so Daxenberger.