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Gegen ein "Weiter so!" in der Gesundheitspolitik

Presseerklärung der Deutschen Gesellschaft für Gesundheitsökonomie

(lifePR) (Duisburg, )
Die Bundesregierung hat im Juli unter dem Titel "Für ein gerechtes, soziales, stabiles, wettbewerbliches und transparentes Gesundheitssystem" eine Reform der GKV beschlossen, die im Herbst im Bundestag verabschiedet werden soll. Das im Koalitionsvertrag angekündigte neue Finanzierungsmodell ist darin nicht enthalten. Stattdessen geht es hauptsächlich um die Abwendung eines ansonsten für 2011 prognostizierten Defizits der Krankenkassen in Höhe von 11 Mrd. Euro. Im Einzelnen sind folgende Maßnahmen vorgesehen:

1. die Wiederanhebung des allgemeinen Beitragsatzes zur GKV auf 15,5%;

2. eine Festschreibung des Arbeitgeberbeitrags auf den neuen Wert von 7,3 Prozent;

3. die Aufhebung der "Überforderungsgrenze" bei den Zusatzbeiträgen,

4. die Einführung eines Sozialausgleichs für diejenigen, bei denen der mittlere Zusatzbeitrag 2 Prozent des beitragspflichtigen Einkommens übersteigt; ferner eine Reihe von Einmal-Maßnahmen für das kommende Jahr:

5. ein Verbot des Anstiegs der Verwaltungskosten der Krankenkassen bis 2012, 6. Begrenzungen der Ausgabenzuwächse in mehreren Leistungsbereichen.

Die DGGÖ hält diese Maßnahmen insgesamt nicht für geeignet, Qualität und Wirtschaftlichkeit der Gesundheitsversorgung in Deutschland zu steigern. Das selbst gesetzte Ziel der Regierung, stabilere, nachhaltigere und gerechtere Finanzierungsstrukturen zu schaffen, wird ebenfalls verfehlt Zu den einzelnen Reformpunkten:

1. Die DGGÖ begrüßt die Anhebung des allgemeinen Beitragssatzes auf 15,5%, weil sie der Ehrlichkeit der Beitragserhebung in der GKV dient. Die Bezuschussung aus dem Bundeshaushalt war als kurzfristige Konjunktur stützende Maßnahme legitim; auf die Dauer wäre sie systemwidrig gewesen, denn die Versicherten müssen wissen, wie teuer die soziale Krankenversicherung sie kommt. Eine Umwegfinanzierung über Steuern verringert die Transparenz von Kosten und Leistungen. Sie sollte regelgebunden auf die Finanzierung versicherungsfremder Leistungen beschränkt werden.

2. Auch die annähernd hälftige Aufteilung des Kassenbeitrags auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer verringert die Transparenz. Es ist ökonomisch nicht plausibel, dass jeder Ausgaben steigernde medizinische Fortschritt die Arbeitskosten erhöht. Daher ist die Festschreibung des Arbeitgeberbeitrags sinnvoll. Diese wird allerdings durch die Erhöhung von 7,0 auf 7,3 Prozent gleich wieder in Frage gestellt. Glaubwürdiger wäre es gewesen, den Arbeitgeberbeitrag auf dem alten Wert zu belassen.

3. Die Freigabe des Zusatzbeitrags als solche ist positiv zu bewerten, da nach der Festsetzung des allgemeinen Beitragssatzes nur der Zusatzbeitrag als Wettbewerbsparameter der Kassen dienen kann. Je mehr sich die Kassen im Preis unterschieden können, um so eher lohnt sich ein Kassenwechsel und um so intensiver ist der Wettbewerb. Allerdings wird der Zusatzbeitrag erst dann ein echter Preis, wenn er von allen erwachsenen Versicherten verlangt wird und nicht nur von Mitgliedern. Dadurch ließen sich auch bestehende Mängel der beitragsfreien Mitversicherung von Ehegatten vermeiden.

4. Die Ausgestaltung des Sozialausgleichs ist aus zwei Gründen misslungen: Wie der allgemeine Beitrag orientiert sich auch der Anspruch an einen Ausgleich wiederum nur am beitragspflichtigen Einkommen, das bekanntlich nicht die gesamte ökonomische Leistungsfähigkeit des Haushalts widerspiegelt. Kritisch ist ferner die Aussage des Gesundheitsministers zu werten, für den Sozialausgleich müssten keine Steuern erhöht werden, sondern seine Finanzierung sei "aus allgemeinen Haushaltsmitteln grundsätzlich darstellbar". Die Regierung lässt eine langfristige Strategie vermissen, ob der Ausbau der Zusatzbeiträge einen Einstieg in die Gesundheitsprämie bedeuten soll oder nicht. Im ersten Fall wird es über kurz oder lang Steuererhöhungen geben müssen. Im zweiten Fall ist der Sozialausgleich überflüssig.

5. Ein Einfrieren der Verwaltungskosten der Krankenkassen ist kontraproduktiv, weil es verschwenderische Kassen belohnt und sparsame bestraft und darüber hinaus verhindert, dass die Kassen im Vertragsgeschäft innovative Wege beschreiten, um Leistungsausgaben zu verringern. Eine Kasse, die im Wettbewerb steht, hat ein Eigeninteresse an schlanken Verwaltungsstrukturen; staatlicher Druck hilft da nichts.

6. Von oben diktierte Ausgabengrenzen sind die Fortsetzung der altbekannten zentralisierten Gesundheitspolitik, bei der die Stärke einer Lobbygruppe darüber entscheidet, wie viel Geld sie ihren Mitgliedern sichert, seien es die Hausärzte, die Spezialisten, die Zahnärzte, die Krankenhäuser, die Pharmaunternehmen oder die Apotheker. Wirtschaftlicher wird unser Gesundheitswesen dadurch nicht.

Die DGGÖ vermisst in der anstehenden "Gesundheitsreform" bessere Alternativen:

Der größte Mangel besteht darin, dass den Krankenkassen im Wettbewerb keine zusätzlichen Instrumente in die Hand gegeben werden, um durch individuelle Vertragsgestaltung mit den Leistungserbringern selbst für mehr Wirtschaftlichkeit zu sorgen. Während im ambulanten Bereich Selektivverträge bereits möglich sind, fehlt dieses Mittel im stationären Bereich völlig. Deutschland hat im internationalen Vergleich nicht nur eine sehr hohe Bettendichte, sondern auch eine überproportionale Zahl kleiner und nicht spezialisierter Krankenhäuser. Darunter leidet nicht nur die Wirtschaftlichkeit, sondern auch die medizinische Qualität. Die längst fällige Umstrukturierung würde durch den Markt zustande kommen, wenn man den Kassen den Sicherstellungsauftrag erteilte und ihnen zugleich das Recht einräumte, nur mit den Krankenhäusern einen Vertrag abzuschließen, die für eine hochwertige Versorgung ihrer Versicherten erforderlich sind.

Auch bezüglich des Inhalts der Versorgungsverträge, speziell der Vergütungsform, sollte der Gesetzgeber den Vertragspartnern weitgehende Gestaltungsfreiheit einräumen. Der Wettbewerb zwischen den Krankenkassen könnte hier als Entdeckungsverfahren wirken, in dem verschiedene Kassen unterschiedliche Kombinationen von Vergütungen mit ihren Vertragspartnern erproben können. Erst durch einen solchen Prozess von Versuch und Irrtum kann die Effizienz des Leistungsgeschehens in der Gesundheitsversorgung nachhaltig gesteigert werden.

Von allen diesen Optionen enthält das beschlossene Reformpaket nichts. Es werden zwar "strukturelle Reformen im System" angekündigt, die "zu mehr Wettbewerb, mehr Freiheit für den Einzelnen und weniger Bürokratie führen" sollen, es fehlen jedoch konkrete Maßnahmen, die dieser Ankündigung im Hinblick auf mehr Vertragsfreiheit gerecht würden.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Stefan Willich, Humboldt-Universität Berlin (Vorsitzender)
Prof. Dr. Volker Ulrich, Universität Bayreuth (designierter Vorsitzender)
Prof. Dr. Friedrich Breyer, Universität Konstanz (stellv. Vorsitzender)
Prof. Dr. Stefan Felder, Universität Duisburg-Essen (Generalsekretär)
Koordinaten siehe Internet Adresse www.dggoe.de
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