Die IAQ-Wissenschaftler Prof. Dr. Gerhard Bosch, Dr. Claudia Weinkopf und Dr. Georg Worthmann haben im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung untersucht, inwiefern Mindest- und Tariflöhne in der Praxis eingehalten werden und wie sich dies kontrollieren lässt. Dazu wurden im Sommer 2008 bundesweit über 1000 Baubeschäftigte zu Entlohnung und Arbeitsbedingungen befragt. Das Ergebnis: In der Praxis bekommen viele Bauarbeiter nicht alle Leistungen, die im Tarifvertrag stehen. Dass Mindestlöhne unterschritten werden, ist jedoch relativ selten.
Im Bauhauptgewerbe gelten bereits seit 1997 Mindestlöhne, die zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften vereinbart und über das Arbeitnehmer-Entsendegesetz für allgemeinverbindlich erklärt worden sind. Derzeit beträgt das Minimum am Bau in Ostdeutschland 9,50 Euro pro Stunde. Im Westen gibt es zwei Stufen: 10,90 Euro für Angelernte und 12,95 Euro für Fachkräfte. Diese Mindestbezahlung gilt für alle am Ort der Arbeitsstelle tätigen Bauarbeiter - egal ob die Unternehmen ihren Firmensitz in Ost- oder Westdeutschland, Polen oder Portugal haben.
Auffällig sind nach Einschätzung der IAQ-Forscher die Unterschiede zwischen den neuen und alten Bundesländern: Während im Westen über zwei Drittel der Beschäftigten oberhalb des Mindestlohns bezahlt werden, ist die Lohnuntergrenze im Osten der gängige Marktlohn.
Um Mindeststandards durchzusetzen, sind wirksame Kontrollen von großer Bedeutung. Im Baugewerbe ist hierfür neben der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) auch die Sozialkasse Bau zuständig. Im Mittelpunkt der in der Praxis sehr wirkungsvollen Kontrollen steht die Einhaltung der unteren Mindestlöhne.
Damit erweist sich der Mindestlohn als "wirksame Untergrenze, die von den Arbeitgebern nur selten durchbrochen wird", urteilen die IAQ-Forscher. Allerdings gilt dies nicht für alle im Tarifvertrag festgelegten Normen, wie die Befragungsergebnisse deutlich machen. "So erhielt insgesamt rund ein Drittel der bei tarifgebundenen Arbeitgebern Beschäftigten einen zu niedrigen Stundenlohn."
Tarifunterschreitungen können außerdem darin bestehen, dass Beschäftigte unter Wert eingestuft werden. Oft fehlt die betriebliche Interessenvertretung, die tarifliche Ansprüche durchsetzt. Oder die Beschäftigten wissen nicht Bescheid über ihre Rechte, manche stimmen Verschlechterungen zu, weil sie um ihren Arbeitsplatz fürchten.