In seiner Eröffnungsrede stellte Herr Weichert die Notwendigkeit des kritischen Dialogs zwischen Terrorismusbekämpfern und Datenschützern heraus. Der Bundesinnenminister habe mit der Forderung nach immer neuen Überwachungsbefugnissen unter partieller Ausblendung der Bürgerrechte diesem fachlichen Diskurs geschadet. Er nannte die derzeitige Sicherheitspolitik der Bundesregierung ein Sicherheitsrisiko. Bisher liege Deutschland bei der Sicherheit und beim Datenschutz weltweit an der Spitze. Ihren Spitzenplatz habe die Sicherheit wohl auch dem Datenschutz verdanken, der ein Grundlage für das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden sei.
Der Justizminister von Schleswig-Holstein Uwe Döring stellte einen sicherheitspolitischen Klimawechsel fest, der zu bisher nicht denkbaren öffentlichen Debatten über „Feindstrafrecht“ oder über „Rettungsfolter“ geführt habe. Es bestehe die Gefahr, dass die Grenzen zwischen Strafverfolgung, Polizei, Geheimdienst und Militär zerfließen, was es dem Staat immer leichter werden ließe, „ins Blaue hinein“ zu überwachen, zu ermitteln und zu kriminalisieren. Um den Leviathan zu bändigen, bräuchten wir rechtsstaatliche Leitplanken: Besonnenheit, Bestimmtheit, Begrenzung, Justizkontrolle, Benachrichtigung der Betroffenen, Rechtsschutz und Befristung. Es gäbe eine „rote Linie“, die der Staat, auch unter Schmerzen, nicht überschreiten dürfe. Döring baut auf eine starke Zivilgesellschaft, die nicht zuletzt über eine kritische Öffentlichkeit ein Korrektiv zur überhitzten Sicherheitsdebatte bilden könne.
Der Präsident des Bundeskriminalamtes Jörg Ziercke beschrieb, wie Terroristen mit allen verfügbaren Mitteln unseren Rechtsstaat angreifen.
Die Sicherheitsbehörden griffen bei der Bekämpfung der Kriminalität ausschließlich auf die Instrumentarien des Rechtsstaates zurück, selbst dann, wenn Terroristen zutiefst menschenverachtend handeln. Dabei müssten die Sicherheitsbehörden mit dem digitalen Quantensprung unserer postindustriellen Gesellschaft Schritt halten. Die Ermittlungsinstrumente müssten an die Lebenswirklichkeit angepasst werden; der technische Fortschritt dürfe kein Hemmnis werden. Es gälte die Belange von effektiver Strafverfolgung, Gefahrenabwehr und Opferschutzes einerseits und Kernbereichsschutz des Einzelnen und Sensibilität interpersonaler Kommunikation andererseits abzuwägen.
Dieses Ausbalancieren dürfe nicht vom Misstrauen gegen die Sicherheitsbehörden geprägt sein.
Soren Duus Ostergaard, Senior-eGovernment-Adviser von IBM Europe bekräftigte, dass öffentliche Sicherheit ohne Datenschutz in einem demokratischen Staat nichts zu suchen habe. Es sei die Aufgabe der Technik dazu beizutragen, dass bei sicherheitsrelevanten Erfassungen und Auswertungen der Datenschutz geachtet wird. Dies erfolge z.B. bei dem System Entity Analytics Solution über eine frühestmögliche Anonymisierung. Bei biometrischen Pässen und ähnlichen Identifizierungsverfahren bestünde die Gefahr der unberechtigten Belastung durch Ermittlungen und des Identitätsdiebstahls, wogegen Verschlüsselungstechniken Sicherungen eröffneten. Im Interesse der Sicherheit müssten weder Technologie noch Datenschutz eingeschränkt werden; Technik ermögliche vielmehr oft erst die Einhaltung des Datenschutzes.
Dorothee Schrief und Dr. Bernd Köbele von der Deutschen Telekom Gruppe stellten dar, inwieweit Wirtschaftsunternehmen schon zum verlängerten Arm von Sicherheitsbehörden geworden sind, wobei Herr Köbele mit beeindruckenden Zahlen zur Telekommunikationsüberwachung aufwartete, die sein Unternehmen gesetzlich verpflichtet unterstützen muss. Frau Schrief forderte ein verstärktes Gesetzescontrolling. Belastende Maßnahmen wie etwa die Vorratsdatenspeicherung müssten auf ihre Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit hin überprüft werden. Sie wies darauf hin, dass die Kosten der Strafverfolgung vom Staat zu tragen seien. So könne auch ein verantwortungsvoller Umgang mit Eingriffsrechten sichergestellt werden.
Prof. Douwe Korff von der London Metropolitan University zeichnete ein beklemmendes Bild des Datenschutzes in Großbritannien. Strategie sei es, mit extensiver Videoüberwachung, vielen miteinander vernetzten Polizeidatenbanken einschließlich einer großen Gendatei und einem hohen Auswertungsaufwand potenziell gefährliche Menschen, evtl. schon im Kindesalter, zu erkennen. Dies könne den Ausschluss der Betroffenen im sozialen Leben zur Folge haben. Neue Technologien würden in großem Umfang völlig unkritisch eingesetzt, was im Ergebnis Sicherheitsrisiken verursache.
Historisch belegte Dr. Burckhard Hirsch, dass die aktuelle Diskussion über das Spannungsverhältnis von Freiheit und Sicherheit nichts Neues ist. Abweichend von obrigkeitsstaatlichen Zeiten hätten die Freiheitsrechte auch eine sicherheitsfördernde Funktion gegenüber präventionsstaatlichen Bestrebungen. Das Bundesverfassungsgericht habe insofern eine wichtige Wächterrolle inne, die von ihm bisher im Wesentlichen – trotz aller politischen Agitation – wahrgenommen wird.
Ausufernde Kontrolle würde den Staat nicht stärken, sondern die Menschen entfremden und einen gesellschaftlichen Zerrüttungsprozess fortführen.
In den Infobörsen am Nachmittag werden aktuelle Spezialthemen vertieft, z.B. zur heimlichen Online-Durchsuchung, zu den biometrischen Pässen, zur Terrorismusgesetzgebung, zur polizeilichen Nutzung von Unternehmensdatenbanken, zu PNR, SWIFT und die US-Zusammenarbeit, zum Datenschutzmanagement bei der Polizei, zu datenschutzgerechten Sicherheitstechnologien. Erörtert und diskutiert werden auch Neuigkeiten zu „Datenschutzklassikern“, z.B. zu Suchmaschinen, digitalen Identitäten und Gütesiegel.
Die Veranstaltung schließt mit einer von Dr. Johann Bizer, stellv.Leiter des ULD, geleiteten Podiumsdiskussion, an der neben von Vortragenden vom Vormittag Schrief und Hirsch außerdem teilnehmen: der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Peter Schaar, der Generalstaatsanwalt Schleswig-Holstein Erhard Rex und der stellvertretende Bundesvorsitzende des Bundes Deutschen Kriminalbeamter Bernd Carstensen.
Im Schlusswort wird Prof. Albert von Mutius die im Titel der Veranstaltung gestellte Frage nach dem Eindruck des heutigen Tages – wohl positiv – beantworten: Sicherheit und freie Informationsgesellschaft gehen zusammen. Die ausführlichen Vorträge, Vortragsfolien und weitere Hintergrundtexte zur Veranstaltung werden umgehend im Internet unter www.datenschutzzentrum.de veröffentlicht werden.
Die Sommerakademie im nächsten Jahr wird in Kiel voraussichtlich am 1.September 2008 stattfinden.